Das Kirchenjahr beginnt am 1. Advent, aber von der Erscheinungsnummer her nehme ich jetzt das Dezemberheft als Einstieg in das neue Kirchenjahr.
Im Juni tagte bei bestem Sommerwetter in Freiburg der Redaktionsbeirat der PASTORALBLÄTTER zusammen mit den im Verlag um Dr. Orth für die Zeitschrift(en) Verantwortlichen. – Es ist wichtig und gut, dass es einen Redaktionsbeirat und solche Treffen gibt. Wir bringen uns gegenseitig „auf den Stand“ (– der übrigens nach Einschätzung auch des Verlags erfreulich ist –). Zudem mussten Treffen wegen Covid 19 immer wieder verschoben werden, sodass sich der „runderneuerte“ Redaktionsbeirat erstmals „face to face“ sehen und besprechen konnte.
Damit auch Sie als Leserinnen und Leser im Editorial nicht nur immer den Schriftleiterkopf sehen, sieht man jetzt auch auf der Webseite alle Kolleginnen und Kollegen des Redaktionsbeirats. Schwarz-Weiß seien sie hier auch gezeigt, auf der Webseite sind sie „strahlend“ bunt. Dazu passt ein strahlender, dankbarer Schriftleiter.
Von links nach rechts oben: Dr. Anne Helene Kratzert, Dr. Henrike Frey-Anthes, Anna Peters; unten: Tobias Götting, Dr. Christian Nottmeier, Andreas Zachmann.
Mit diesem Team gehe ich als Schriftleiter und mit Ihnen als Leserin und Leser in ein neues Kirchenjahr und Kalenderjahr. Noch ist es nicht soweit, noch hat uns das „alte“ mit all seinen Wunden fest im Griff.
Eine formale Neuigkeit wollte ich doch schon mit dieser letzten 2021-Nummer vorstellen: Wir lassen den großen Seitenrand weg und erweitern das lesbare Format der Innenseiten. Er hat schon deshalb ausgedient, weil kaum noch jemand aus dem Heft direkt eine Predigt „vorliest“. Die meisten verwenden Bausteine aus der Fülle der veröffentlichten Beiträge oder laden sich als Bezieherinnen und Bezieher die Predigt herunter. Unser Archiv ist ja sehr gut gepflegt und wird kräftig genutzt.
Zu den Wunden des „alten“, zu Ende gehenden Jahres einige Gedanken. Corona und Flut, Ängste, Sorgen, Verluste und Zerstörungen werden auch die Gedanken im Advent, an Weihnachten und beim Jahreswechsel begleiten.
Was wir da im Advent besinnen und an Weihnachten feiern, hat was mit „Klein Gemachten“ zu tun, mit „Fertig Gemachten“, mit „Austherapierten“. Deren Verletzlichkeit nicht mehr zu beschönigen ist. Die Blöße ist nicht mehr zu verbergen.
Israel ist ausradiert. Jahrhunderte lebt Israel unter fremden Herrschern. Zur Zeit Jesu ist die Besatzungsmacht Rom, vorher waren es die Griechen, die Perser, die Babylonier, die Assyrer, gelegentlich die Ägypter. Je nachdem, wer in der Region gerade die besseren Waffen und die größere Armee hatte. Israel liegt zwischen Großmächten, die mal von Süden nach Norden, mal von Norden nach Süden „drübergingen“ wie eine Flut, über die Felder, über die Städte, über Frauen und über die Kinder.
„Drübergehen“.
„Israel ist ausradiert.“
Man muss nur noch die Radiergummikrümel vom Blatt blasen oder wegwischen.
Tabula rasa.
Das machen die Großen. Das ist die Erfahrung der Kleinen. Nicht nur in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bei dieser verheerenden Flutkatastrophe.
Das ist der Boden, auf dem Advent wächst und Weihnachten glänzt.
Und ist nur zu verstehen, wenn ich selbst aufhöre, den Starken zu spielen. Und das fällt furchtbar schwer. Auch mir.
Ich verstehe diese Advents- und Weihnachtsbotschaft nur als Bedürftiger. Deshalb ist die Adventszeit eigentlich auch eine Fastenzeit. Wobei das Essen und Trinken wahrscheinlich das geringste Problem ist.
Vor 40 Jahren schrieb der schwedische Autor und Regisseur Tage Danielsson eine Geschichte über einen 14 jährigen Jungen. Der hat seine eigene Weise gefunden, das Fest zu feiern. Seit 1975 wird die Geschichte als Zeichentrickfilm an jedem Weihnachtsabend im schwedischen Fernsehen gesendet.
Karl Bertil Jonsson jobbt bei der Reichspost. Er sitzt an der Stelle, wo die Pakete verteilt werden. Vor den Festtagen kommt seine große Zeit. Er sammelt Geschenkpakete an höhergestellte Persönlichkeiten und an reiche Leute und dirigiert sie um. Er gibt ihnen eine neue Anschrift und lässt sie am Heiligabend in die Häuser armer Familien zustellen.
Was ist so faszinierend an diesem Jungen, der in aller Heimlichkeit und immer in Angst, entdeckt zu werden, ein großes Risiko eingeht?
Nahezu eine ganze Nation unterbricht das abendliche Fest zur besten Familienzeit, um abzutauchen in dieses märchenhafte Geschehen.
Ob die Menschen doch ein Gespür dafür haben, was eigentlich Gerechtigkeit ist? Wenigstens an Weihnachten?
In dieser Versöhnung, in diesem Stellenwechsel Gottes, in diesem Umdirigieren der Geschenke, in dieser „Zuneigung Gottes“ steckt eine große, auch politische und kulturelle Kraft.
Als für andere Verantwortliche konnten wir diese Kraft im vergangenen Jahr vielleicht manchmal erleben, ob wir nun selbst beschenkt wurden durch einen kleinen „Robin Hood“ oder ob es uns gelungen ist, uns gerade denen zu widmen, die uns am meisten brauchten. Den Kleinen, denen, die sich klein fühlen. Denen, die nahe dran sind, „outgesourced“ zu werden.
Ich weiß, das ist nicht einfach.
Wenn es uns trotz innerer Enttäuschungen und äußerem Druck ab und an gelungen ist, uns auf ihre Seite zu schlagen, dann haben wir dazu beigetragen, dass Himmel und Erde ein wenig näher zusammenkommen. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Ich danke Ihnen allen, den Kolleginnen und Kollegen im Redaktionsbeirat und allen im Verlag, beim Satz, beim Druck und Versand Verantwortlichen, den Autorinnen und Autoren, den Leserinnen und Lesern und all denen, die mal eine Ausgabe weitergegeben haben mit den Worten: Schau mal da rein, die sind gut, die PASTORALBLÄTTER. Ich bin dankbar für jede Anregung, für jedes Miteinander und für jedes Gebet. Wir strengen uns an. Aber was zählt, geht viel tiefer.
Ich danke ausdrücklich allen in Verlag und Autorenschaft, die so schnell mitgeholfen haben, auf der Webseite eine neue Seite „Aktuelles“ einzurichten und zu bedienen, als die Flutkatastrophe in RP und NRW Kolleginnen und Kollegen vor ungeahnte, schwierige Aufgaben stellte.
Ihnen allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, Ermutigung für ein „Neues Jahr“ und meine herzlichen Segenswünsche für alles, was Sie tun – auch für das, was Sie lassen können.