Gottesdienst am 26. Dezember 2021Immanuel, bei uns ist Gott!

2. Christfesttag/Stephanustag, Jesaja 7,10-14

„Sie sind schwanger!“
Ungläubig hörte die junge Frau die Worte ihres Gynäkologen. Ihre erste Reaktion: Das kann überhaupt nicht sein, ich nehme doch die Pille. Das biologische Wunder klärte sich bald auf. Die überraschende Schwangerschaft war Folge einer Magen-Darm-Infektion, mit der die Antibaby-Pille die beabsichtigte Wirkung nicht entfalten konnte.

Schwieriger war die Klärung der besonderen Lebensumstände, die mit der Schwangerschaft einhergingen. Für ein Kind war der Zeitpunkt mehr als unpassend. Zum einem stand die junge Frau gerade vor dem Abschluss ihres Referendariats und zum andern musste der Vater des Kindes noch von einer Eheschließung überzeugt werden.

Trotz dieser Probleme stellte sich bei der jungen Frau sofort eine große Freude auf das erwartete Kind ein. Rasch wusste die werdende Mutter, wie das Kind heißen sollte. Ohne zu wissen, ob es tatsächlich ein Mädchen werden würde, fiel ihr spontan der Name „Dorothea“ ein, denn dieses Kind konnte nur ein „Gottesgeschenk“ sein. Und so war es dann auch.
Die schwerwiegenden Probleme lösten sich nach und nach. Der werdende Vater konnte von einer Eheschließung überzeugt werden, und das zweite Staatsexamen konnte um ein halbes Jahr hinausgeschoben werden. Ja, und weil es tatsächlich ein Mädchen wurde, stand auch dem Namen Dorothea nichts mehr im Wege. Der nachgeborene Sohn war froh, dass ihm dadurch der Name Theodor (die männliche Form) erspart geblieben war. Mittlerweile ist aus dem Kind Dorothea selbst eine junge Mutter geworden. Für ihre Eltern aber ist sie ein Gottesgeschenk geblieben. Ein Geschenk, für das Gott durch einen Magen-Darm-Infekt hindurch ein Wunder gewirkt hat.

Wie mag es der jungen Frau Maria ergangen sein, als sie von einem himmlischen Wesen, dem Engel Gabriel, hörte: Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären? Jedenfalls war auch ihre erste Reaktion eine Frage: Wie soll das möglich sein? Ich habe doch noch nie mit einem Mann geschlafen! Ähnlich ratlos reagiert auch Marias Verlobter Josef, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt. Statt an eine Heirat denkt er sogar an eine Trennung.

Aber sowohl Maria als auch Josef offenbart der Engel Gabriel: Der Vater dieses Kindes ist Gott selbst. Beiden scheint diese Antwort zu genügen, denn sie erfahren zugleich, dass Maria ein besonderes Kind unter dem Herzen trägt. Das Kind wird eine besondere, von Gott gegebene Aufgabe haben. Es soll zum Retter seines Volkes, ja zum Retter der Menschheit werden.

Auch in der biblischen Geschichte ist es der Name des Kindes, der die aufgewühlten Gemüter beruhigt. Hier ist es aber nicht nur die Mutter, die den Namen ihres Kindes wie eine Offenbarung empfängt. Beiden, Maria und Josef, wird der Name ihres Kindes von Gott offenbart. Maria hört vom Engel Gabriel: Jesus soll das Kind heißen, weil es zu Großem bestimmt ist. Und Josef hört ebenfalls von Gabriel, Immanuel soll das Kind heißen, weil Gott in ihm mit seinem Volk ist.

Als der Verfasser des Matthäus-Evangeliums die Geschichte Jesu aufschrieb, brachte er die Geburt Jesu und die damit einhergehenden Gottesverheißungen in Zusammenhang mit einer jahrhundertealten Prophetie. Als Jude kannte Matthäus die Heilige Schrift und erinnerte sich, dass dem Propheten Jesaja dereinst eine Geburtsgeschichte offenbart wurde, die der Geburt Jesu entsprach.

Es war vor über 2700 Jahren in der Stadt Jerusalem.
In einer politisch brisanten Lage stand der judäische König Ahas vor einer schweren Entscheidung. Zwei feindliche Könige wollten sich seines Reiches bemächtigen. Was sollte er tun? Sollte er sich zur Rettung seines Königtums mit diesen Mächten verbünden oder sollte er den Worten des Propheten folgen, der ihn eingehend vor einem Bündnis warnte. Sollte Ahas stillehalten und Gottes Eingreifen abwarten oder selbstbestimmt agieren und darauf hoffen, dass seine Taktik aufgehen und sein Reich mit politischer Raffinesse gerettet werden würde? Wiederholt warnte der Prophet Jesaja den König davor, sich mit den feindlichen Mächten zu verbünden. Mit den Worten: Fürchte dich nicht und lass dich nicht einschüchtern! forderte er Ahas auf, Gott zu vertrauen und auf sein Eingreifen zu warten. Genau das aber wollte Ahas nicht.

Ein letztes Mal wollte Jesaja den König umstimmen, als er ihm folgenden Vorschlag unterbreitete: Ahas, bitte den Herrn, deinen Gott, zur Bestätigung seiner Zusage um ein Zeichen. Das aber wollte König Ahas auch nicht. Und so antwortete er scheinbar demütig, er wolle Gott mit der Bitte um ein Zeichen nicht auf die Probe stellen. Tatsächlich aber war er von seinem eigenen Plan so überzeugt, dass er Sorge hatte, durch ein anderslautendes Zeichen von Gott an seiner Ausführung gehindert zu werden.

Jesaja durchschaute den König. Ärgerlich über dessen Engstirnigkeit, eröffnet er diesem: Du kannst Gottes Absicht nicht verhindern. Obwohl du dich weigerst, ihn um ein Zeichen seines Eingreifens zu bitten, wird er dir von sich aus ein Zeichen geben. Von Gott gegebene Zeichen sind Hinweise auf das, was in der Zukunft geschehen wird. Sie nehmen die gegenwärtige Situation zum Anlass und eröffnen meist bildhaft einen Blick in die nahe oder ferne Zukunft.

So ist es auch zur Zeit des Propheten Jesaja. Visionär sieht er eine Jungfrau, wie es in der griechischen Bibelübersetzung heißt, oder eine junge Frau, wie es im hebräischen Urtext steht. Die junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Ihrem neugeborenen Kind wird sie den Namen Immanuel geben, denn ihr wurde offenbart, in dem Knaben ist Gott mit seinem Volk. Das Kind verkörpert Gottes Gegenwart auf Erden. Mit der Geburt dieses Kindes verspricht Gott, dass er sein Volk retten wird. Dieses Versprechen hat die aktuelle Situation im 7. vorchristlichen Jahrhundert zum Anlass. Seine Erfüllung aber ist in die Zukunft gerichtet. König Ahas wird die Erfüllung dieser Verheißung nicht mehr erleben, denn sein Misstrauen gegenüber Gott wird eine langwährende Zerstörung seines Reiches zur Folge haben. Diese Zerstörung aber wird die Möglichkeiten Gottes zu keiner Zeit außer Kraft setzen. Denn Gottes Macht ist größer als alle menschliche Macht. Gottes Plan sieht hinter dem zerstörten Land schon längst das wiedererbaute neue Land.

Festzuhalten bleibt: Es hätte auch anders kommen können. Die Zerstörung war keinesfalls vorprogrammiert. Ahas hätte Ruhe bewahren und auf Gottes Macht vertrauen können und so durch die Gefahr hindurch Gottes Eingreifen erfahren können. Er hat sich zu seiner Zeit anders entschieden. Und so wie Ahas sich entschieden hat, haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte viele gegen Gottes guten Willen gerichtet. Gott aber hat sich zu keiner Zeit gegen die Menschen entschieden. Er ließ und lässt sich seinen Rettungsplan von keinem menschlichen Misstrauen vereiteln. Allerdings gilt auch: Gott zwingt keinen Menschen, ihm zu vertrauen, und somit kommt es im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder zu Situationen, in denen selbstverschuldete Fehlentscheidungen zu Katastrophen führen. Das Zeichen, dass es nach jeder Katastrophe wieder einen Neubeginn gibt, ist das Kind, dessen Mutter nach Gottes Plan schwanger wurde und mit dessen Namen Gott seinen immerwährenden Rettungswillen verheißt.

Es ist eine zeitlose Geschichte, die Jesaja seinem Zeitgenossen König Ahas in einer konkreten Zeit und über diese weit hinausweisend vor Augen malt. Diese zeitlose Geschichte haben die Verfasser der neutestamentlichen Evangelien aufgegriffen und auf Jesus, den Sohn Marias, gedeutet. Diese zeitlose Geschichte gilt durch alle Jahrtausende hindurch bis heute. Es ist eine Geschichte, über deren Botschaft es sich lohnt, in diversen persönlichen oder weltweiten Krisensituationen nachzudenken. Beispielhaft lohnt es sich auch, vor dem Hintergrund einer kleiner werdenden Kirche über diese Geschichte nachzudenken. Die Kirche gründet auf dem Mann, der aus dem Schoß der Mutter hervorging, die nach dem Plan Gottes schwanger wurde und ihrem Kind den von Gott verheißenen Namen Immanuel gab. Ihn hat Gott zur Rettung aller Menschen gesandt. Das von Gott einmal begonnene Werk kann nicht dauerhaft zerstört werden. Es gab und gibt immer wieder Zeiten, in denen Gottes Zusagen nur von wenigen gehört werden und in denen es scheint, als überließe er die Menschheit sich selbst. Dieser Schein aber trügt. Das bezeugt die Geschichte von der Geburt des Kindes, die von Jesaja als in die Zukunft weisendes Wunder erzählt wurde. Sie ist im Stall von Bethlehem in dem Kind in der Krippe leibhaftig geschehen. Sie entfaltet ihre Kraft bis heute in dem Verheißungswort: Fürchtet euch nicht … denn für euch ist heute der Retter geboren. Auch 2021 feiern wir Weihnachten, weil die Geburt des Retters in diesem Jahr so aktuell ist wie im Jahr 0 unserer Zeitrechnung und im 7. vorchristlichen Jahrhundert.

Bedeutungslos ist bei all dem die Frage, ob es sich bei Maria tatsächlich um eine Jungfrau oder eine junge Frau gehandelt hat. Der biblische Bericht ermöglicht es, beides zu denken. Nach dem hebräischen Urtext war es eine junge Frau, und nach der griechischen Übersetzung war es eine Jungfrau. Die hinter dieser Geschichte stehende Botschaft haftet keinesfalls an dem biologischen Wunder. Sie haftet an dem Wunder, das Gottes Geist bewirkt. Gottes Geist hat das Kind in der Krippe zu dem werden lassen, was sein Name verheißt: Jesus wurde durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen hindurch zum Retter der Welt. Jesus selbst verkörpert zeichenhaft den Rettungswillen Gottes, der durch alles menschliche Versagen und allen Zweifel hindurch nur eines will: sich uns Menschen so zu offenbaren, dass wir seinen Liebeswillen erkennen und ihm vertrauen lernen. Und so lautet die Weihnachtsbotschaft gerade heute: Gott ist bei uns!

Eingangsgebet:
Gott,
aus der Unruhe der Festtage
kommen wir zu dir und bitten dich,
lass uns still werden und
auf dein Wort hören!

Fürbitten:
Barmherziger Gott,
du bist bei uns in dem Kind in der Krippe
und in dem Mann am Kreuz!
Du schenkst uns Freude über ein kleines Kind
und neues Leben in dem Auferstandenen!
Vor dich bringen wir die Kinder dieser Erde,
die frohen, weil sie reich beschenkt wurden, und
die traurigen, weil ihnen Nahrung und Kleidung fehlen.
Sei bei allen und schenke ihnen
Zukunft und Hoffnung.
Vor dich bringen wir die Menschen,
denen diverse Katastrophen Hab und Gut
und liebe Menschen raubten,
lass sie erfahren, dass du
in Wort und Tat mitten unter ihnen bist.
Vor dich bringen wir die Mächtigen dieser Erde,
stelle ihnen von deinem Geist geleitete Menschen
in den Weg
und lass sie innehalten und in der Verantwortung
vor dir Entscheidungen treffen, die allen dienen.
Dass deine Treue kein End hat, dafür danken wir dir,
du gnädiger und barmherziger Gott.

Psalmvorschlag: Psalm 98
Lesung: Johannes 3,31–36
Epistel: 1. Johannes 4,9–10
Liedvorschläge:
57 (Uns wird erzählt von Jesus Christ)
  23 (Gelobet seist du, Jesu Christ)
  32 (Zu Bethlehem geboren))
  24 (Vom Himmel hoch, da komm ich her)
  56 (Weil Gott in tiefster Nacht erschienen)
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