Im Mai ist Muttertag. Den Muttertag 2021 widme ich der Mutter von Lemuel. Lemuel war der König von Massa. Ihm, bzw. seiner Mutter, wird die Sammlung von Sprichwörtern zugeschrieben, die im Buch der Sprüche, Kapitel 31, zusammengestellt wurden. Dies sind die Worte Lemuels, des Königs von Massa, die ihn seine Mutter lehrte. Ob Lemuels Mutter ihrem Sohnemann ihre weisheitlichen Gedanken abends zärtlich vor dem Schlafengehen ins Ohr geflüstert hat? Oder wurde Lemuel tagsüber von seiner Mama in Form des Homeschoolings unterwiesen? Wie auch immer, mir gefällt der Gedanke, dass die Könige zu Zeiten des Alten Testaments engagierte Mütter hatten, die ihnen gute Ratschläge für das spätere Regieren mit auf den Weg gaben. Der Lauf der Weltgeschichte wäre vermutlich ein besserer geworden, wenn mehr Könige und Präsidenten so gescheite Mütter wie Lemuel gehabt hätten.
Denn Lemuels Mama gab ihrem Sohn keine Tipps zum geschickten Machterhalt mit auf den Weg. Bei ihren Empfehlungen hatte sie die Menschen im Blick, die nicht mit goldenen Löffeln in ihren Mündern geboren wurden: Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!
Gerne würde ich Mutter Lemuel fragen, warum sie ihrem Sohn ausgerechnet diesen Ratschlag hinter die königlichen Ohren schrieb. Vielleicht war es die gesellschaftliche Einsicht, dass eine Kette immer nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied und dass es deshalb politisch klug ist, den Schwachen im Lande ihr Recht zu verschaffen? Vielleicht war sie aber auch einfach eine gläubige Frau, die die Forderungen Gottes und seiner Propheten im Blick hatte und an ihren Sohn weitergeben wollte. Die Mahnung zum gerechten Regieren gehört ja zum Standardprogramm der Prophetenworte an Könige und Fürsten.
Ich glaube, dass diese Mahnung heute wichtiger ist denn je. Sie hat bessere Chancen, gehört zu werden, wenn die Mächtigen sie nicht nur auf Kundgebungen am 1. Mai gesagt bekommen oder durch kirchlich-bischöfliche Sozialworte erfahren.
Ich baue darauf, dass die Mächtigen auch heute noch ein wenig auf ihre Mütter hören. Deshalb habe ich eine Bitte an alle Mütter von Parteivorsitzenden, Kanzlerkandidaten und Bundestagsabgeordneten: Legen Sie Ihren Söhnen und Töchtern den Monatsspruch Mai aus Sprüche 31 ans Herz, wenn Sie am Muttertag von ihnen Besuch bekommen oder angerufen werden! Erinnern Sie Ihre mächtigen Kinder an die große Verantwortung, die sie für das Ganze der Gesellschaft haben! Reden Sie Ihren Sprösslingen vielleicht sogar ins Gewissen, wenn Sie den Eindruck haben, dass deren Überlegungen eher von Lobbyismus als von Gemeinsinn geprägt sind. Sie wissen so gut wie wir alle, dass wir in schwierigen Zeiten leben, in denen die Scheren zwischen Armen und Reichen bzw. Starken und Schwachen immer weiter auseinandergehen. Ihre Kinder haben die Macht, daran etwas zu ändern, z. B., indem sie sich verstärkt für die Rechte von Kindern in Deutschland einsetzen.
In unserem Land lebt ungefähr ein Fünftel aller Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Diese Kinder kommen mir in den Sinn, wenn im Monatsspruch von den Stummen und Schwachen die Rede ist. Ihre Kinder, liebe moderne Mütter Lemuels, können etwas gegen die Kinderarmut in Deutschland tun, z. B., indem sie eine Grundsicherung für Kinder einführen.
Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!
Nicht nur Königsmütter dürfen diese Worte weitersagen. Alle Eltern sind eingeladen, ihren Kindern diese Einsicht weiterzugeben. Eines Tages werden diese vielleicht Verantwortung tragen in Politik oder Wirtschaft, in Rechtsprechung oder Forschung. Wes Geistes Kinder werden sie dann sein? Hoffentlich werden sie Kinder des Gottes sein, bei dem nicht das Recht des Stärkeren gilt.