„Stärke uns den Glauben!“, sagen die Apostel. Nein, eigentlich ist das mehr ein Flehen, ein Ringen um Unterstützung und Hilfe. Ein Ringen um Trost. Weg mit der Unsicherheit! Weg mit der Angst! Weg mit der Drohung gegen das Leben! „Lehre uns! Unterweise uns! Hilf uns doch! Wir vergehen.“
Kurz zuvor hat Jesus den Jüngern ihre Grenzen aufgezeigt. Sie erkennen und bemerken, wie der Anspruch Gottes an ihr Leben unermesslich wird. In ihrem Kopf und ihren Gedanken nistet sich die bittere Erkenntnis ein: Da werden wir nicht bestehen können.
Die harsche Mahnrede Jesu zuvor zeigt ihre Wirkung. In die Welt der Jünger kommt Bewegung. Jetzt wanken sie und sehen nur noch den gähnenden Schlund des Abgrunds offen vor sich liegen.
Manchmal ist das so, dass einen die Lebens- und die Gottesbegegnungen, die Klarheit des Gotteswortes, die Wahrnehmung der Zerbrechlichkeit eigener Existenz ins Wanken und ins Nachdenken bringen. Kann ich diesem Gott gerecht werden?
Sein richtendes und rettendes Wort greift mitten hinein in meine Zeit. Kann ich bleiben? Wird es am Ende alles gut werden? Reicht mein Glaube?
An dieser Stelle kommt die reformatorische Theologie häufig in eine tiefe Bedrängnis. Allein durch den Glauben werde ich gerecht, sagt sie. Aber was als Erleichterung und Zuwendung Gottes gedacht ist, wird schnell zu einer inneren Drohkulisse. Den Glauben nämlich kann ich nicht messen.
Die Seelsorgeerfahrung lehrt: Viele Menschen haben, wenn sie sich mit Gott oder der Bibel auseinandersetzen, das Gefühl: Ich glaube gar nicht richtig. Jedenfalls nicht genug. Ich genüge nicht.
Den Jüngern geht es genauso. Sie erkennen für sich: Dagegen hilft nur ein Ausbau, ein Aufrüsten des Glaubens und damit ein Ausbau, ein Aufrüsten der Beziehung zu Gott. So denken sie: Ein starker Glaube bringt die Sicherheit und beruhigt die sirrenden und umherschweifenden Befürchtungen und Fantasien. Der starke Glaube steht gegen die Bedrohung des Lebens. Er hält es fest und führt es zu einem guten Sein und damit also letztlich in die Hände und in die Ewigkeit Gottes.
Das wollen die Jünger. Keine Belastung. Keine Angst. Allein die Freundlichkeit und die Zukunft des Lebens. Diese innere Macht des Glaubens, die sich dann nach außen wirksam erweist, wollen sie spüren und damit die Abgründe des Lebens überwinden. Das ist vor 2000 Jahren nicht anders gewesen als heute.
Woher aber nehme ich diese Macht des Glaubens? Woher kommt die Rettung des Lebens? Und wer nimmt mir die Last von den Schultern?
In der Welt heute und wahrscheinlich auch in der Welt damals ist das eine Aufgabe für jeden selbst. Sorge für dich. Du musst und du kannst es tun. Sonst tut es niemand. Stärke dich selbst!
Das wird den Menschen immer wieder erzählt. In der Politik, in der Schule, in der Ausbildung, im Alltag und auch in der Kultur.
Wer sich ein bisschen in der Welt der modernen Märchen aus dem Star-Wars-Universum auskennt, der wird vielleicht einige Anklänge finden.
Von solcher inneren, nach außen wirksamen Macht erzählen nämlich auch die Geschichten um Luke Skywalker und Meister Yoda, um Prinzessin Leia, dem dunklen Darth Vader und dem alles beherrschenden Imperator. In diesen Geschichten gibt es keinen Gott. Oder wenn es ihn gibt, dann spielt er keine Rolle. Aber es gibt eine Kraft, die Übernatürliches vollbringen kann. Diese Kraft steht über den Gesetzen der Physik. Sie lässt Dinge schweben oder hält sie einfach von einem fern, wenn sie bedrohlich werden. Sie könnte ohne Säge und Axt, ohne Kran und schweres Gerät, Bäume ausreißen und sie könnte eben jene Bäume an anderer Stelle wieder einpflanzen. Die Macht gibt die Möglichkeit, Unmögliches zu vollbringen und dabei Leben zu bewahren. Diese Macht wohnt in den verschiedenen Charakteren der Geschichten. In manchen ist sie sehr stark und in manchen ist sie eher schwach. In anderen ist sie überhaupt nicht vorhanden. Sichtbar ist diese Macht nicht. Sie ist allein erkennbar an ihren äußeren Auswirkungen. Aber sie bestimmt das Leben. Immer.
Wer die Macht besitzt und geschult hat, wer sie gestärkt und ausgebaut hat, der kann tatsächlich Wunder vollbringen und wird das Leben nicht mehr verlieren. Sie ist wie der Glaube, den die Jünger von Jesus Christus gestärkt haben wollen.
Es sind alte Kindheitsträume der Allmacht und des AllesKönnens, die sich in solchen Geschichten widerspiegeln. Wer hätte das nicht gern? Nur leider lehrt die Erfahrung im Hier und Jetzt, außerhalb der Fantasie: Das gibt es nicht. Das kann ich zwar träumen und mir vorstellen, aber erreichen werde ich das nie.
Auch das spiegeln die Geschichten der erfundenen Welt der Sternenkrieger wider. Wer nämlich zweifelt an dieser Macht, wer ihr nicht traut, der kann sie nicht benutzen. Da richtet sie sich manchmal gar gegen ihren Besitzer. „Möge die Macht mit dir sein!“, ist deswegen der Segenswunsch, den sich die Figuren der Science-Fiction-Geschichten immer wieder gegenseitig zusagen.
Wer übrigens die Macht für das Böse benutzt, der fällt auf die dunkle Seite seiner Existenz und ist vom Guten für immer entfernt, verfallen einer ewigen Bestrafung, hörig, unfrei und geknechtet.
Also ist es wichtig, diese Macht zu beherrschen, sie im Guten auszubauen und sie nicht nur zu besitzen. Es liegt in meiner Hand. Die Macht ist in mir drin. Ich aber muss sie anwenden und stärken.
Stärke uns den Glauben, sagen die Jünger in ihrer Unsicherheit. Großer Glauben gibt die Möglichkeiten, die Welt zu verändern. Möge die Macht mit uns sein. So soll es sein.
Oder vielleicht doch nicht!?
Jesus Christus jedenfalls reagiert deutlich anders, als die Jünger das erwartet haben und wie es die modernen Märchen nahelegen. „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.“ So spricht er. Jesus denkt gar nicht daran, den Glauben der Jünger größer zu machen. Ein Senfkörnchen Glauben ist genug. Ein Funke nur. Satis est.
Gerade wenn Menschen nach Trost suchen, kann dieses Wort Jesu gar nicht groß genug gemacht werden. Das heißt nämlich übersetzt: Es kommt überhaupt nicht an auf die Stärke deines Glaubens. Nebenbei gesagt, kann der ja eh nicht einmal von mir selbst gemessen werden. Das kann nur Gott. Aber: Die Stärke des Glaubens ist gar nicht wichtig.
Das Einzige, worauf es ankommt, ist das kleine Körnchen Gott, das durch den Glauben in dir wohnt. Und ein kleines bisschen Gott in dir ist stärker als die ganze Welt. Und wer bin ich denn, dass ich Gott vorschreibe, wie stark er in mir sein muss?
Das Körnchen Glauben, von dem Jesus spricht, ist deswegen genug, weil den Rest Gott selbst erledigt. Das kann ich gar nicht. Ich kann es auch nicht ausbauen, sondern setze mich ganz dem Tun und Handeln Gottes aus und vertraue auf seine Stärke in mir.
So haben das auch die Reformatoren gelehrt. Der Glaube war und ist gar nicht quantifizierbar. Es gibt ihn oder nicht.
Aber wie so oft ist die akademische Lehre zwar ein wichtiges und unabdingbares Fundament, hilft aber in der Lebensbewältigung in ihrer reinen Form nicht, sondern geriert sich abgehoben und fern von den Sorgen und Nöten, die Menschen immer wieder haben. Wie gesagt, im „normalen“ Leben empfinde ich meinen Glauben selbst häufig als klein und wankelmütig, zweifelsbeladen und ohne Grund. Ich empfinde ihn als ungenügend.
Wie aber damit umgehen? An den Jüngern lerne ich, dass das Problem ein altes ist. Deswegen ist auch die Lösung eine alte.
In der Hinwendung Jesu zum Leben der Jünger wird sie erkennbar. Der nämlich nimmt sich ihrer an, weil sie ihn ansprechen. Dieses Körnchen genügt. Er meckert und richtet nicht. Jesus Christus erkennt, die Jünger brauchen nach seinem mahnenden Wort nun seine Hilfe und die Kraft des Evangeliums. Sie bitten ihn. Also sagt er:
Allein dieser eine Glaube, dieses kleine Körnchen Gott in dir, sorgt dafür, dass Bäume versetzt werden.
Allein dieser eine Glaube, dieses kleine Körnchen Gott in dir, versetzt auch den Baum, den wir seit Adams Fall nicht mehr erreichen, in greifbare Nähe, sodass wir von seinen süßen Früchten kosten können.
Allein dieser eine Glaube, dieses kleine Körnchen Gott in dir, führt zum Leben.
Wenn nun aber der Baum im Meer steht, mitten im Wasser, dann geht der Weg dorthin allein durch das Wasser. Wir Christinnen und Christen sagen: Es ist die Taufe, die alles vollbringt, die uns in die Berührung mit Gott bringt, dass wir ihn ansprechen. So gibt die Taufe die Kraft und die Macht zum Leben in der Ewigkeit Gottes.
Festgehalten und gestärkt wird das in der Gemeinschaft der Getauften und durch die Pflege dieser Gemeinschaft, durch Trösten und Weinen, durch Lachen und Singen und Beten, durch das Erzählen und manchmal auch durch die gegenseitige Stellvertretung im Glauben.
Durch die Taufe wohnt die Macht Gottes mitten in uns im Leben, im Sterben und im Auferstehen. Diese Macht ist in uns und bleibt.
Kollektengebet:
Gott, Schöpfer und Bewahrer, du richtest unser Leben nach dir aus. Wir bitten dich: Lass uns den Blick behalten auf dein Wort und deine Sorge um uns, dass wir dich in deiner Herrlichkeit erkennen und wissen: Du nimmst alle Last von uns. So machen wir uns auf, unser Leben zu gestalten, das du rettest und erlöst durch unseren Herrn und Heiland Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Fürbitten:
Herr unseres Lebens, du Gott voller Gnaden,
du sorgst für uns, du schenkst uns den Glauben und das Leben. Du bist unser Schutz. Am Ende nimmst du uns in Gnaden an. So stellst du uns in diese Welt, dass wir deine Kinder sind, dein Werk vollbringen und unsere Verantwortung in Taten umsetzen. Hab Dank für dieses Leben, für deine Kraft, deine Liebe und dein Vertrauen in uns.
Stärke unser Vertrauen in deine heilende Gegenwart, dass wir uns deiner würdig zeigen, ohne Furcht deine Nähe suchen und aus ihr leben. Deine Kirche ermutige zu klugen Schritten, deine Botschaft in alle Welt zu tragen.
Öffne uns die Augen für die Schönheit und die Verletzlichkeit deiner Schöpfung. Gib uns eine klare Sicht auf deinen Willen zum Leben für alle Geschöpfe und lass diese Welt durch uns einen besseren Ort werden.
Die Kranken führe durch schwere Zeit, lindere Angst und Sorge. Die Beeinträchtigten und Geplagten, die Zerrissenen und die Flüchtenden, die von Kriegen und Gewalt Bedrohten, die Einsamen und die Hadernden schließe ein in dein Leben, dass sie Kraft finden, von Neuem aufzustehen und eine frohe Zukunft zu erlangen.
Über die Sterbenden halte deine schützende Hand, dass sie geborgen durch dein Wort und des Glaubens voll zu dir gehen.
Dir sei Ehre, Lob und Preis in Ewigkeit.
Psalmvorschlag: |
Psalm 127,1–2 |
Evangelium: |
Lukas 17,(1–4)5.6 |
Lesung: |
1 Mose 2,4b-9.15;1 Petrus 5,5b-11 |
Liedvorschläge: |
440,1–4 (All Morgen ist ganz
frisch und neu)
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289,1.4 (Nun lob, mein Seel, den Herren) |
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166,1.4–6 (Tut mir auf die schöne Pforte) |
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166,1.4–6 (Tut mir auf die schöne Pforte) |
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343,1–5 (Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ) |
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369,1.4.7 (Wer nur den lieben
Gott lässt walten) |