Jesus Christus spricht: Kommt und seht!
Johannes 1,39a
Es gibt nicht viel zu sehen im Januar. In den Schaufenstern, in der Fußgängerzone und auch bei mir zu Hause: Die Weihnachtsdekoration wird weggeräumt. Den Christbaum lege ich an die Straße; die Krippe kommt auf den Speicher; bei den Basteleien der Kinder schauen wir, was für die nächste Adventszeit aufgehoben werden soll. Und dann ist alles weg. Nüchternheit macht sich breit.
Im Dezember gab es viel zu sehen. Da war alles geschmückt – an manchen Stellen etwas zu viel für meinen Geschmack. Aber es galt schließlich, eine Geburt zu feiern: Da ist ein bisschen Kitsch schon in Ordnung. Jesus Christus kommt zur Welt – das war überall zu sehen (wenn auch nicht immer zu erkennen); davor konnte keiner die Augen verschließen.
Im Januar geht die Party zu Ende. Der Ausnahmezustand ist vorbei. Der Alltag fängt wieder an. Wenn die Dekoration abgeräumt wird, werden Leerstellen sichtbar. Leere bietet Raum für Perspektiven: Freie Räume warten darauf, neu gestaltet zu werden. Wo nichts ist, kann Kreativität sich entfalten.
Der Januar ist der Monat des Ausblicks: Wir blicken voraus auf das Jahr, das noch ganz unberührt vor uns liegt. Was wird kommen? Wie wird es sein? Wo werden wir am Ende des Jahres stehen? Als Jugendliche fand ich den Januar (und vor allem den Neujahrstag) immer sehr verheißungsvoll: Ein neues Abenteuer begann – und ich war mittendrin. Mittlerweile mischt sich in die Vorfreude und Neugier zunehmend auch Ungewissheit: Die Jahre verfliegen – aber was bleibt?
„Wo wirst du bleiben?“ Das wird Jesus von seinen Jüngern gefragt – ganz am Anfang, als sie noch gar nicht seine Jünger sind. Sie wollen wissen, was es mit ihm auf sich hat: woher er kommt, wohin er geht und wo er bleibt. Jesus verrät es ihnen nicht. Aber er lädt sie ein, sich selbst ein Bild zu machen.
„Kommt und seht!“ Das sagt Jesus – und damit macht er sie zu seinen Jüngern. Die Männer kommen zu ihm. Sie lassen sich auf ihn ein. Das Gewohnte ist vorbei; etwas Neues fängt an – und sie sind mittendrin. Ich stelle mir vor, dass sie neugierig sind; bestimmt auch ein bisschen unsicher. Vielleicht bringen sie Sehnsüchte mit und gute Vorsätze. Die Begegnung mit Jesus eröffnet ihnen eine neue Perspektive.
Die neuen Jünger sehen etwas, was sie überzeugt. Was genau das ist, wird nicht erzählt – vielleicht gibt es da auch gar nicht viel zu sehen. Ich stelle mir vor, dass sie ganz genau hinschauen müssen. Und vermutlich sticht jedem von ihnen etwas anderes ins Auge. Eins jedoch ist allen gemeinsam: In dem, was sie sehen, erkennen sie, wer Jesus ist.
Aufbruchsstimmung macht sich breit. Alle Unsicherheit ist ausgeräumt. Die Jünger wissen jetzt, wo es langgeht. Das Alte lassen sie hinter sich – ganz neu und voller Zuversicht brechen sie auf. Sie wissen nicht, wohin der Weg sie führen wird. Niemand kann vorhersehen, wie das Leben spielt. Aber die Jünger wissen, wo sie hingehören.
„Kommt und seht!“ Vielleicht gibt es auf den ersten Blick gar nicht viel zu sehen – so wie jetzt, am Anfang eines neuen Jahres. Saure-Gurken-Zeit, sagen manche; der Alltag kehrt zurück; Januar eben. Und trotzdem: Das, was an Weihnachten angefangen hat, geht weiter. Jesus ist zur Welt gekommen – und jetzt ruft er uns Menschen zu sich.
„Kommt und seht!“ Wodurch er sich einem offenbart, weiß keiner vorher. Vielleicht ist es etwas ganz Alltägliches, keiner weiteren Erwähnung wert. Vielleicht ist es ganz unscheinbar. Deshalb lohnt es sich, genau hinzuschauen. Gott zeigt uns Menschen, wie wir gut durch die Zeit kommen: Er weist die Richtung, wenn wir Entscheidungen treffen; und wenn wir stolpern, dann fängt er uns. Das Leben wird nicht leichter dadurch – aber es bekommt eine neue Perspektive. Keiner kann vorhersehen, was kommt; aber wer ihn erkennt, der weiß, wo es langgeht.
„Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm“ (Johannes 1, 39b) – und vielleicht ja auch das ganze nächste Jahr.