Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.
Offenbarung 15,3 E
Ich habe mir schon oft gewünscht, in der Zeit reisen zu können und mir dann das Ende meines Lebens anzusehen. Ich hoffe natürlich, dass ich nicht allzu früh sterbe; aber auch nicht allzu gebrechlich. Ich wäre gerne eine zufriedene alte Dame, und wenn ich auf mein Leben zurückblickte, würde ich sagen: „Ach, es ist doch alles recht gutgegangen.“ Wenn ich heute schon wüsste, dass mein Leben so ein Happy-End haben wird, dann könnte ich viel entspannter leben. Ich habe gar nicht den Anspruch, dass alles im Einzelnen gut sein muss. Wenn ich nur wüsste, dass nach Tiefen wieder Höhen kommen, dass sich mein Leben insgesamt als gut ansehen lässt – das würde schon reichen. Der Monatsspruch für Oktober ist so ein Zeitreisetext. Er stammt aus der Offenbarung des Johannes, die sozusagen vom Happy-End aller Zeiten erzählt. Am Ende der Zeit, so beschreibt es Johannes, gibt es einen großen Endkampf zwischen Gut und Böse. Schließlich siegt Gott, hält ein großes Gericht über Lebende und Tote ab, und dann leben die Menschen im Einklang mit ihm auf einer neuen Erde. Kurz gesagt, die Endzeit wird schrecklich, aber am Schluss gibt es ein großes Happy-End und die Gerechtigkeit siegt. „Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herr-scher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker“, so werden sie singen am Ende der Zeiten.
Wenn ich ans Ende meines Lebens reisen könnte und dort feststellen würde, dass ich in der Zukunft glücklich zurückblicken werde, dann wäre ich jetzt im Leben ganz entspannt. Wenn ich eine komische Stelle auf meiner Haut entdecken würde, dann könnte ich mir sagen: Es wird kein Hautkrebs sein, oder – wenn doch – werde ich ihn überstehen. Ich müsste viel weniger Angst haben, als ich jetzt habe, wenn ein Leberfleck sich verändert. Ich hätte viel weniger Angst und ich wäre wahrscheinlicher auch mutiger. Vielleicht würde ich meinen Job hinschmeißen und die Weltumseglung wagen, von der ich träume, weil ich ja wüsste, dass es kein ganz schlimmer Fehler sein wird. Denn am Ende meines Lebens werde ich ja zufrieden sein. Ich würde mich trauen, meine Stimme für die Dinge zu erheben, die mir wichtig sind, und in Liebesdingen mutig sein, denn ich wüsste ja, dass sich am Ende alles zum Guten fügen wird.
Die Offenbarung des Johannes ist für uns heute ohne viel Hintergrund-wissen kaum verständlich. Es kommen so viele Bilder darin vor und vieles bezieht sich auf die Zeit, in der der Autor lebte, und sagt eigentlich mehr über seine Gegenwart als über die Zukunft aus. Sie hat trotzdem im Lauf der Jahrhunderte viele Menschen getröstet, die in schwierigen Zeiten lebten, denen Leiden, Kampf, Verfolgung und Krieg vertraut sind, weil sie verspricht, dass all das nicht das Ende ist. Das Ende wird gut sein. Ich glaube das auch. Ganz einfach, weil wir einen guten Gott haben, der eine gute Welt geschaffen hat. Es ergibt für mich einfach keinen Sinn, dass er am Ende das Leid nicht auffängt. Am Ende werden wir singen: „Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.“
Und selbst, wenn ich mich irre und ein gutes Ende nicht sicher ist, macht es doch auf jeden Fall Sinn, so zu tun als ob. Wenn wir davon ausgehen, dass am Ende Gott siegt mit seiner Gerechtigkeit und Liebe und dass die Menschen dann in Frieden und Liebe und Glück beieinander leben, dann können wir schon jetzt furchtloser und mutiger, freier und mehr als wir selbst leben. Auf ein gutes Ende hinzuleben macht es uns leichter, schon jetzt das Gute in unserer Gegenwart zu sehen, es zu genießen und zu verstärken. Machen wir Johannes’ Endzeit-Lied zu einem Ohrwurm unserer Gegenwart:
„Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker.“