Die Wochensprüche im Februar 2022

6. Februar 2022

4. Sonntag vor der Passionszeit

Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
Lukas 18,31

Wir. Das ist ein starkes Wort. „Wir“ meint eine Gemeinschaft. Eine Zahl Gleichgesinnter. Verbunden durch die Sache oder Person.
Oft wird das „Wir-Gefühl“ beschworen. Eine parteiunabhängige Wählervereinigung bei uns gab sich den Namen: „Wir für unsere Stadt“. Weil dann mehr zu schaffen ist. Weil sich die unterschiedlichen Fähigkeiten ergänzen können. Weil aus Einzelnem etwas Ganzes entsteht.
„Wir“ bedeutet nicht, dass man immer gleicher Meinung ist. Aber alle verfolgen dasselbe Ziel.
Die Zwölf, die mit Jesus gehen, verbindet, bei ihm zu bleiben. Komme, was mag. Petrus ist sich ganz sicher. Als es hart auf hart kommt, knickt er ein wie eine Fichte im Sturm.
Jesus fordert die Seinen auf, mit ihm nach Jerusalem zu ziehen. Doch sie sehen diesem Ziel mit Scheu und Skepsis entgegen. Was dort passieren wird, verdichtet sich unheilvoll durch die düsteren Andeutungen des Herrn. Warum malt er so schwarz? Sie verstehen und begreifen es nicht. Nachzufragen getraut sich niemand. Was dann, in der Hauptstadt, noch vollendet werden soll, stellt die Jünger vor ein Rätsel. Dennoch weichen sie dem Herrn nicht von der Seite. Das „Wir“ übersteht die inneren Fragen und Zweifel. Keiner steigt aus dieser Gruppe aus.
Jetzt wir. Wir, die Christen. Die Gemeinschaft der Gläubigen. Wir, die Kirche. Gehen wir mit? Hinauf, nach Jerusalem? Das wird hart. Im Schatten des Kreuzes. Wir werden zu kämpfen haben. Abgründe der Unmenschlichkeit tun sich auf. Wir hängen mit drin. Wir erkennen das, wenn wir uns tatsächlich stellen und nicht rechtfertigen. Jesus wird zum Tode verurteilt, damit wir Freigesprochene sind. Das ist die Vollendung. Bleiben wir bei ihm und lassen uns vergeben. Einzig darin liegt unsere Zukunft. Verbunden mit Jesus. Untrennbar. Für alle Zeit auf Erden und im Himmel. Nach drei schrecklichen Tagen heißt es oben, in Jerusalem: „Wir für das Leben.“

13. Februar 2022

Septuagesimä

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.
Hebräer 3,15

Auf einer der Spruchkarten, die ich sammle, steht eine Weisheit von Martin Buber: „Die Ohren waren ihm auf das Innigste mit der Seele verbunden, sodass er keinen Laut nur mit den Ohren allein aufnahm, sondern zugleich auch mit der Seele.“ Oft habe ich das schon gelesen. Und denke dabei und wünsche mir sehr, tatsächlich so intensiv hören zu können. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“, sagt Jesus oft. Wenn ich vieles nicht höre, betrifft das nicht die Akustik. Es erreicht meine Seele kaum oder gar nicht. Warum? Einerseits, weil ich selber viel rede. Zu laut, unbedacht, und weil ich der Stille wenig Raum lasse. Doch die braucht es. Aus der Stille wird Gottes Stimme deutlich.
Andererseits: Stimmengewirr. Auf Straßen und Plätzen, in Kaufhäusern, Restaurants. Da geht viel durcheinander. Dazu kommen Mengen an Wortmüll. Hässliche Reden, unsinnige Verurteilungen. Vereinnahmung. Manipulation. Man kann nicht alles an sich heranlassen. Die Ohren schalten auf Durchzug, die Seele wird nicht erreicht. Aber falls Gott sich meldet? Er kündigt seine Rede ja nicht an wie der Sprecher die Nachrichten im Radio. Wie kann ich mich öffnen für ihn? Kann sein Wort und seinen Willen trennen von dem, was auf mich einredet und was ich mir einrede? Ich fühle mich unwohl. Zu oft fehlen Andacht und Stille. Das will ich ändern.
Ich bitte darum, dass ich aufnehme, was er zu sagen hat. Mit den Ohren und der Seele zu hören, das fordert heraus. Doch wenn es gelingt, fühlt es sich wunderbar an. Auch diese Erfahrung durfte ich machen. „Herr, lass mich deine Stimme heraushören aus all den Reden von Ansagern und Werbefritzen, von Schmeichlern und Scharfmachern, Sprechern und Schreiern, Lobhudlern und Langweilern, Diskutierern und Diktatoren, von Meinungsmachern und Nachbarn. Aus all dem Geschwätz, dem lauten und leeren und sinnlosen und endlosen Gerede lass mich deine sanfte und eindrückliche Stimme heraushören, Herr.“ (Lothar Zenetti)

20. Februar 2022

Sexagesimä

Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18

<>Sie scheinen mir wie die zwei Seiten ein und derselben Münze zu sein: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Es geht weder ohne das eine noch das andere. Allerdings steckt die Schwierigkeit im Vorverständnis beider Kategorien. Was bringen wir mit „Gerechtigkeit“ in Verbindung? Wohl doch zuerst, dass keiner bevorzugt wird. Gleiches Recht für alle. Ob es um Ansprüche oder Chancen geht. Deshalb wollen wir möglichst gerecht handeln. Und wir erwarten das auch von anderen. Aber dieser Grundsatz scheitert, falls der Mensch neben uns als Persönlichkeit aus dem Blick gerät.
Es ist unsinnig, drei Geschwistern Hustensaft zu verabreichen, wenn nur ein Kind erkältet ist. Das würde auch niemand vernünftigerweise tun. Obwohl es doch gerecht wäre. Also, Gerechtigkeit darf keine Gleichmacherei sein. Sie soll sich am Vorbild Gottes orientieren. Seine Gerechtigkeit bestimmt die Liebe. Darum ist es in seinen Augen gerecht, dass der Sohn, der sich im Dschungel der Verführungen des Lebens verloren hat und nach Hause zurückkehrt, mit Freude aufgenommen wird. Denn er ist umgekehrt. Er will neu anfangen. Er erwartet zuerst die gerechte Strafe für sein Fehlen wie seine Verfehlungen. Aber diese zeigt sich in den offenen Armen des Vaters in unfassbarer Barmherzigkeit. Der Vater rechnet nicht ab. Er schenkt seinem Sohn das Recht auf ein neues würdiges Leben.
Wir sind nicht Gott. Unsere Maßstäbe messen irdisch, nicht himmlisch. Leider, möchte man sagen. Eben deshalb mag unser Gespräch mit dem Vater im Himmel solche Barmherzigkeit erbitten. Damit wir nicht selbstgerecht urteilen. Denn das Urteil über einen Menschen spricht Gott. Über den anderen wie über uns selbst. Wäre er unbarmherzig gerecht, stünde es schlecht um uns. Gottlob geht es gut aus. Darum lasst uns vertrauen, beten und danken, dass barmherzige Gerechtigkeit jeden im Leben willkommen heißt.

27. Februar 2022

Estomihi

Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.
Psalm 66,5

Können Sie staunen? Mit offenem Mund, sprachlos dastehen? Ihren Augen kaum trauen? Die Zeit und alles um sich herum vergessen? So stark staunen, dass Sie auch nicht daran denken, Fotos zu machen? Vielleicht fällt Ihnen eine Situation ein. Ich erzähle von einem solchen Werk Gottes, das er getan hat an einem seiner Menschenkinder.
Sie fand keinen Frieden. Nicht für sich selbst. Nicht mit denen, die sie begleiteten. Niemand machte es ihr recht. Die Krankheit kam vor Jahren heimtückisch. Blieb lange unerkannt bis zum schlimmen Ausbruch. Dann folgten zwei Operationen. Nach jeder versprachen die Mediziner, dass es besser werden würde. Bösartiges Gewebe konnte ganz entfernt werden. Ein halbes Jahr später wieder eine niederschmetternde Diagnose. Sie musste mehr und mehr aufgeben. Ihren Garten. Ihre Werkstatt. Schließlich die Bewirtschaftung des Hauses. Die Kraft fehlte. Zuletzt auch der Lebensmut. Noch zum Fünfzigsten im Frühjahr gratulierten nicht wenige mit besten Wünschen für eine baldige Genesung. Sie glaubte bereits nicht mehr daran. Und sie glaubte auch nicht an Gott. Jedenfalls tat sie das andern kund. Sie hing am Leben und haderte mit ihrem Schicksal. Warum veränderte sich nichts zum Guten? Das Gute hieß Gesundheit. Und damit Lebensqualität und Lebensfreude. Jegliche geistliche Begleitung hatte sie abgelehnt. Aber ihr Arzt überredete sie dazu.
Es ist früher Nachmittag. Ich sitze am Bett. Sie weint. Und erzählt von Plänen, die sie hat. Von Reisen. Von Kunstwerken, die in ihrer Töpferei liegen und unvollendet sind. Ich darf ein Gebet sprechen. Als ich mich verabschiede, meint sie wie nebenbei, dass sie christlich beerdigt werden will. Wenn‘s soweit ist. Einige Stunden später war es soweit. Ich erfahre es zufällig, fahre an diesem Sommerabend nochmals los, den Segen zu sprechen, biege um die Ecke, und über jener Häuserreihe steht in leuchtenden Farben ein Regenbogen.

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