Der Monatsspruch im April 2022

Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.
Johannes 20,18 E

Ich liebe Maria dafür, dass sie am Grab stehen bleibt.
Ich stelle mir vor, wie die anderen beiden Jünger das leere Grab erkunden, den Durchblick behalten wollen und auf dem Absatz kehrtmachen, um sich mit den anderen zu beraten. Sicherlich würde es irgendeine Erklärung geben. Vielleicht liegt ein Missverständnis vor oder sie haben etwas übersehen.
Ich stelle mir vor, wie Marias Blicke den beiden folgen, wie sie stumm daneben steht und die Tatkraft der beiden Freunde sie überfordert. Wie sie Luft holt, als wollte sie etwas sagen, aber dann seufzt sie nur und lässt die bei-den ihre Sache machen. Sollen sie doch nach Indizien, Beweisen und Erklärungen suchen! Wenn ihnen das hilft – bitte schön.
Ich stelle mir vor, wie Maria zurückbleibt, als die beiden Jünger dem leeren Grab den Rücken gekehrt haben. Wie sie dasteht und die Fassung verliert. Weil sie eben nicht versteht, was hier abgeht. Das Einzige, was sie weiß, ist: Ihr Freund und Seelenverwandter, den sie betrauern möchte, ist weg. Nicht im Grab. Vielleicht gestohlen. Vielleicht selbst nach seinem Tode noch geschändet. Vielleicht … sie weint. Sie bleibt am Grab stehen und weint. Dafür liebe ich Maria. Denn aus ihren Tränen lese ich: Rede die Krise nicht klein. Gib’ dem Schmerz den Platz, den er verdient. Er kann sich sehen lassen! Dann musst du ihn nicht mehr verstecken und vielleicht siehst du dann durch den Schleier in deinen Augen, wie es weitergehen kann.

Ich liebe Maria dafür, dass sie denkt, Jesus sei der Gärtner.
Ich stelle mir vor, wie sie da in der Höhle steht, mit den beiden Engeln, die ihr auch nicht helfen können. Ich stelle mir vor, wie sie traurig den Blick senkt. Sie hatte sich mehr von diesen Engeln erhofft. Aber dann sieht sie einen Schatten: der Friedhofs-Gärtner! Sie schaut ihn verärgert an. Wie kommt er dazu, den Leichnam ihres Freundes woanders hinzulegen?! Nun sag schon, wo du ihn hingelegt hast, dann gehe ich halt selber los, um ihn zurückzuholen. Kann ja wohl nicht wahr sein! All ihre Wut und all ihre Hoffnungen setzt sie nun auf den Gärtner. Nur er kann wissen, wo Jesus ist. Und zugleich: Was für ein Idiot. Hinter der Wut liegt die Trauer.
Ich stelle mir vor, dass es Jesus rührt, wie sehr sie sich für ihn ins Zeug legt. Dass er sich geliebt fühlt und sich darüber freut. Er erinnert sich an die vielen gemeinsamen Stunden, und ehe er sich’s versieht, geht ihm ihr Name über die Lippen: „Maria.“ Und da erkennt sie ihn. Der, den sie für den Gärtner hielt, der, auf den sie alle Hoffnungen gesetzt hat und der sie zugleich so wütend gemacht hat: Da ist er ja und sie hatte ihn nicht erkannt. Dafür liebe ich Maria. Denn aus ihrem Irrtum lese ich: In der Krise ist es schwer, den Durchblick zu behalten. Damit bin ich nicht allein. Da kann man sich schon mal irren, sich täuschen lassen. Jesus kommt, um uns zu enttäuschen: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.

Ich stelle mir vor, wie die enttäuschte Maria Jesus umarmen und nicht mehr hergeben will. Aber Jesus wehrt ab: „Halte mich nicht fest, denn ich muss los. Zu meinem Vater, der auch euer Vater ist. Zu meinem Gott, der auch euer Gott ist. Richte das bitte auch den anderen aus.“ Ich stelle mir vor, wie Maria zögert, einen Schritt auf Jesus zugeht. Vielleicht eine Umarmung zum Abschied? Oder ein Kuss? Aber dann überlegt sie es sich anders. Sie schaut ihm noch mal in die Augen, dreht sich um und geht zurück zu den anderen: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Ja, das hat sie. Sie blieb am Grab, als sie nicht vor- noch zurückkonnte. Sie weinte, als der Schmerz groß war. Sie irrte sich, als sie nach einer Lösung suchte. Und so hat sie Jesus gesehen und wurde zur Botschafterin dieser guten Nachricht: „Er ist nicht tot. Er ist bei unserem Vater, bei unserem Gott.“ Eine zögernde, eine weinende, eine irrende Botschafterin ist sie, aber vielleicht ist sie es gerade deshalb geworden. Zögern. Weinen. Irren. Und weitersagen.

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