Jubeln sollen alle Bäume des Waldes vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten.
1. Chronik 16,33
Zwei Aspekte lassen uns aufhorchen:
Jubelnde Bäume – weil Gott kommt, um zu richten.
Jubelnde Menschen, das würde uns einleuchten. Aber jubelnde Bäume? Jubelnde Menschen in der Ukraine und in Russland, in den Kriegsgebieten unserer Erde. In den Ehen und Nachbarschaften. Überall dort, wo es einen Richterspruch braucht. Einen, der sagt, was Sache ist. Wer im Unrecht ist und wer im Recht. Sofern das eindeutig möglich ist – was nicht immer der Fall ist. Viele rechtlich unklare Situationen haben zwei Seiten. Und genau deshalb ist es wichtig, ein Gesetz als Beurteilungsgrundlage zu haben und einen Richter, der es versteht, Gesetz und Situation abzuwägen und aufeinander zu beziehen.
Dass die Bäume auf Gott warten und schließlich erleichtert jubeln angesichts seines nahen Richtspruchs – das ist sehr unerwartet. Für David, dem dieser Abschnitt als Danklied zugeschrieben ist, ist dies jedoch längst nicht die einzige Verbindung zwischen Erde und Himmel. Er nennt auch: „Das Meer brause und was darinnen ist. Das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist.“ David spricht als Dichter. Und für Dichter gibt es sprachlich kaum Grenzen.
Alle Bäume im Wald sollen jubeln. Zumindest in Deutschland würde ihr Jubeln mit einem dürren Stimmchen recht mager ausfallen. Lt. Waldzustandserhebung 2020 sind nur 21% der Baumkronen gesund. Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt ist (und dies im europäischen Vergleich eine sehr hohe Dichte darstellt), ist das Ergebnis alarmierend. Die anhaltende Dürre in den Jahren 2018 bis 2020 hat viele Bäume geschädigt; vor allem die älteren Wälder, die älter als 60 Jahre sind, sind davon betroffen. Der Borkenkäfer hat sich zudem massenhaft vermehrt. Ein Baum ist stumm – der Jubel des Waldes würde aber umso heller ausfallen, je mehr klar ist, dass wir Bäume brauchen, um den Klimawandel zu wandeln. Dass Blätter rauschen, rascheln, wispern, dass Äste klappern, knacken und knarren, ist uns allgemein bekannt. Dass Bäume auch knallen, erforschen Biologen. Sie haben herausgefunden, dass die Wasserversorgung durch strohhalmähnliche Bahnen (Xylem genannt) im Innern des Baumes Geräusche verursacht. Wenn nämlich der Wasserfluss durch Trockenheit unterbrochen wird, dann entstehen innerhalb dieser Wasserbahnen wie bei einem Strohhalm Blasen. Diese können dann ein im Ultraschallbereich messbares Knallen hervorrufen. Das Jubeln sollte also kein Knallen sein, sondern ein erleichtertes Durchatmen der Bäume. Dass sie genug Wasser haben. Und manche besonders feinfühlige Menschen erzählen davon, dass sie Bäume hören können. Wie sie miteinander sprechen. Ohne Sprache im eigentlichen Sinne, sondern über Signale im „wood wide web“.
David geht es um ein globales Denken. Nicht ein einzelner Baum soll jubeln, sondern alle Bäume im Wald. Und das Meer und was darinnen ist. Und das Feld samt allem, was darauf ist. Also: die ganze Schöpfung. Eiche, Buche, Fichte, Kiefer, Lärche in den Wäldern genauso wie Plankton, Garnelen, Muscheln, Quallen, Seetang, Seesterne und Hunderte von Fischsorten im Meer. Und auf den Feldern: Weizen, Roggen, Hafer, Hirse, Möhren, Kartoffeln, Lauch wie auch Melonen und Kürbisse, nicht zu vergessen Ameisen, Mäuse, Spinnen bis hin zu Kellerasseln und Tausendfüßlern. Alles ist alles. Wie würde sich das wohl anhören, wenn wir Ohren hätten, dies zu hören? Ein vielstimmiger Chor, noch mächtiger als die achtstimmigen Gesänge von Brahms oder gar eine vierundzwanzigstimmige Psalmmotette von Josquin des Prez …
David ist Dichter und verdichtet seine Hoffnung zu einer umfassenden Sprache. Alles ist alles. Es gibt dann keine Sieger und keine Verlierer. Und natürlich stehen diese Bilder für uns Menschen! Biblische Sprache ist Hoffnungssprache. Sie lädt uns ein, eingefahrene Denkmuster zu überwinden. Und auf Gott zu hoffen, dass er kommt, um zu richten. Aufatmen würden die Wälder. Und dann auch wir. Denn ohne Wald können wir nicht dauerhaft überleben.