Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Psalm 42,3
Durststrecken im Leben. Jeder kennt sie. Manch einen trifft es besonders hart. Eine tiefe Krise, ein schwerer Schicksalsschlag wirft ihn aus der Bahn. Eine schwere Krankheit, der Verlust eines lieben Menschen, die Kündigung des Arbeitsplatzes. Manch einer fühlt sich vom Alltagsstress überrollt. Ein voller Terminkalender. Auf dem Schreibtisch türmen sich unerledigte Dinge. Völlige Übermüdung. Dazu all die täglichen Krisenmeldungen in den Nachrichten. Manch eine spielt in fernen Ländern, manch eine direkt vor der eigenen Tür. Manch eine berührt uns mehr, manch eine weniger. Es bleiben stets Krisen.
Durststrecken im Leben. Jeder kennt sie. Jeder hat Erfahrungen damit. Jeder kennt dieses Gefühl, das dann laut wird: das Gefühl von Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Gesundheit, nach gemeinsamer Zeit mit geliebten Menschen, nach finanzieller Sorglosigkeit, nach ein bisschen Freizeit und Erholung in all dem Stress. In Zeiten von Corona: die Sehnsucht nach sorglosen Begegnungen mit Freunden und Familie, nach unbekümmerten Feiern, nach einem normalen Gottesdienst.
Durststrecken im Leben. Jeder kennt sie. Jeder hat Erfahrungen damit. Erschöpfung macht sich breit. Das Ziel scheint in weiter Ferne. Zweifel werden laut: Lohnt sich der Weg überhaupt, all die Anstrengung und Mühe? Wird das Ziel je erreicht?
Auch die Bibel erzählt von Menschen, die mit Durststrecken im Leben kämpfen. Sie erzählt nicht nur von Highlights, nicht nur von denen, bei denen alles glattläuft. Ganz im Gegenteil: Sie berichtet gerade auch von verzweifelten Menschen – und von ihren Sehnsüchten. Ein solcher Mensch begegnet in Psalm 42. Der Psalmbeter erlebt eine Durststrecke. Er ist zutiefst betrübt. Er klagt: Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht. (Ps 42,4) Gleichzeitig blitzt mitten in seiner Verzweiflung eine besondere Sehnsucht auf. Er spürt eine tiefe Sehnsucht nach Gott: Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. (Ps 42,3) Der Psalmbeter ist zutiefst betrübt. Er hat das Gefühl, dass Gott ihn vergessen hat. Auch die Leute verschmähen und verspotten ihn täglich. Sie fragen: Wo ist nun dein Gott? Doch der Psalmbeter gibt nicht auf. Er trotzt all dem Spott und Hohn. Er verzweifelt nicht. Seine Sehnsucht nach Gott ist stärker. Er erinnert sich an frühere Zeiten. Damals konnte er Gottes Nähe spüren. Zusammen mit anderen ist er singend und betend zum Tempel gezogen und hat gefeiert. Er ermutigt sich selbst: Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst. Wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern. (Ps 42,5) Diese Erinnerung schenkt ihm Halt und Zuversicht. Er vertraut darauf, dass Gott sich zeigen und ihm helfen wird. Der lebendige Gott, der Leben schenkt: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft. (Ps 42,6.12)
Der Psalmbeter verspürt eine tiefe Sehnsucht nach Gott. Kennen wir diese Sehnsucht? Oder sind wir Standby-Christen? Laufen wir Gefahr, es uns allzu bequem einzurichten? Irgendwie gehört das Christsein dazu. Wir machen schließlich sogar mehr als viele andere. Wir beten ab und zu. Wir gehen hin und wieder in die Kirche. Wir engagieren uns sogar an der ein oder anderen Stelle in der Kirchengemeinde. Aber warum? Aus Gewohnheit? Weil es einfach dazugehört? Haben wir es uns im Standby-Christentum bequem eingerichtet? Oder meinen wir es wirklich ernst? Verspüren wir dieselbe tiefe Sehnsucht nach Gott wie der Psalmbeter? Gott möchte mehr als Standby-Christen. Er will Teil unseres Lebens sein. Er will in unser Leben hineinwirken. Er will uns helfen. Gerade bei Durststrecken. Gerade dann, wenn wir erschöpft sind. Wenn wir keinen Ausweg sehen. Wenn das Ziel fern scheint. Gerade dann will Gott uns helfen. Aber er will nicht nur gerufen werden, wenn wir ihn mal brauchen. Er will mehr als Standby-Christen. Er will, dass wir es ernst meinen. Dass wir voller Überzeugung mit dem Psalmbeter einstimmen: Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. (Ps 42,3) Wenn wir uns mit dem Psalmbeter ernsthaft Gott zuwenden, dann können wir Gottes Nähe spüren. Vielleicht nicht sofort. Vielleicht nicht so, wie wir es erwarten. Aber er wird sich zeigen. Wir dürfen getrost und voller Zuversicht in die Worte des Psalmbeters einstimmen und auf Gottes Hilfe vertrauen. Er will uns durch die Durststrecken des Lebens hindurch begleiten.
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft. (Ps 42,6.12)