6. Januar 2023
Epiphanias
Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon.
1. Johannes 2,8b
Mit neun Jahren war sie bereits für ein dreiviertel Jahr im Krankenhaus. Leukämie war die Diagnose. Ein Kampf, eine so schwere Zeit. Lisa hatte es geschafft, als Familie hatten sie das miteinander durchgestanden.
Vier Jahre später das Rezidiv. Wieder Krankenhaus, wieder Chemo. Wieder Nebenwirkungen, dieses Mal noch viel heftiger als noch vor einigen Jahren. Das ganze Programm moderner Krebstherapie. Rettend und heilend und voller Abgründe.
Jede Woche telefonierten wir mit ihren Eltern oder schickten uns Nachrichten. Was schreibst du da Woche um Woche? Was sagst du? Ein „Alles wird gut“, obwohl man Heilungsstatistiken kennt? Wenn wieder eine Woche ist, in der die Therapie nicht fortgesetzt werden kann, weil die Werte noch nicht okay waren. Nur Durchhaltesätze, so kommt es einem manchmal selber vor. Was trägt mich, auch als Worte, in so viel Verzweiflung? Was kann ich weitergeben?
„Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon.“ Nicht ein vielleicht und kein hoffentlich purer Indikativ ist das, voller Klarheit. Nicht das, was ich selber sagen kann, sondern, was mir zugesprochen wird. Was ich weitersagen kann.
Für Lisa und ihre Familie ist dieser Satz. Für uns alle steht er am Anfang dieses Jahres. „Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon.“ Das gilt. Für unser Leben und für dieses Jahr.
8. Januar 2023
1. Sonntag nach Epiphanias
Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
Römer 8,14
Was haben sie vor zwei Jahren noch für Schlagzeilen gesorgt – die „Querdenker“. Auf ihren Demonstrationen trafen sich die Alt-Linken und die Esoterikerinnen, die Rechtspopulisten, denen „die da oben“ eh verdächtig sind, und die, deren Sorgen sich nicht durch Kommissions-Empfehlungen so einfach besänftigen ließen. Eine bunte Mischung, von wahrscheinlich nicht nur einem Geist bewegt.
Wie werden sie weitergehen – die Fridays for Future-Demonstrationen? Jugendliche erkannten, dass es so nicht weitergehen kann. Erkenntnis und Handeln fallen angesichts der globalen Erderwärmung völlig auseinander. Gerade 2019 setzen sie so viele Menschen quer durch alle Generationen in Bewegung. Dann kam Corona. Die Klima-Krise bleibt nicht nur, sie spitzt sich zu. Nimmt die Politik das wirklich so ernst, wie Politikerinnen und Politiker sagen?
Zwei völlig verschiedene Bewegungen sind das, die ich hier hintereinander nenne. Gemeinsam ist, dass Menschen sich zusammentun und für ein Ziel auf die Straße gehen. Was setzt mich in Bewegung? Wo werde ich so „getrieben“? Und wo ist es der Geist Gottes, der diese Dynamik bewirkt?
Für mich ist der Wochenspruch so etwas wie eine Aufforderung und Anleitung zum Demonstrieren. Durch den Geist erkennen, wo es in der Welt brennt. Mich davon bewegen lassen, weil mich Not und Bedrohung nicht kalt lassen können. Mich mit anderen Menschen verbünden. Dabei im Blick haben, dass wir alle Gottes Kinder sind und ich mit und für andere auf die Straße gehe, nicht nur für meine eigenen Interessen. Beharrlich und klar die Stimme erheben.
15. Januar 2023
2. Sonntag nach Epiphanias
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16
Nein, vernünftig ist es nicht: das dritte Stück Kuchen, der Nachschlag beim Pudding. Nicht als Kind und schon gar nicht als Erwachsener. „Du bekommst Bauchschmerzen.“ „So viel Süßes schmeckt doch gar nicht.“ „Du musst auf deine Linie achten.“ Vernünftig ist es nicht, aber wunderbar.
Als Kinder durften wir beim Geburtstagsausflug in die Eifel in dem altmodischen Café, in dem wir zur Feier des Tages einkehrten, so viel Kuchen essen, wie wir wollten. Einmal im Jahr. Mehr als drei oder vier Stücke waren es auch an dem Tag nicht, auch wenn man sich vorher die Mengen an Torte ausgemalt hatte, die man essen wollte.
Die Fülle haben. Ob mein Vergleich mit dem unbegrenzt Kuchenessendürfen nicht zu schlicht ist? Fülle hat doch nichts mit Völlerei zu tun, werden Sie vielleicht einwenden. Vielleicht ist der Vergleich wirklich etwas schlicht. Aber vielleicht trifft er deshalb den Kern.
Fülle ist großzügig. Sie ist unvernünftig. Sie setzt keine Grenzen. Sie hat nicht Ordnung und Maß. Deshalb ist Fülle göttlich. Je sparsamer man als Kind groß geworden ist, umso mehr kann man das vielleicht empfinden.
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Gott hat noch einen Nachschlag für dich bereit. Du darfst zugreifen.
22. Januar 2023
3. Sonntag nach Epiphanias
Er werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
Lukas 13,29
„Willkommenscafé“ – so hatten wir in der Gemeinde den Sprachtreff für die ukrainischen Flüchtlinge genannt. Als niedrigschwelliges Angebot gerade für die, die in dem neuen Zeltdorf nur wenige hundert Meter von unserer Kirche untergebracht waren. Rauskommen aus der provisorischen Unterkunft, Deutsch lernen, Raum für einfache Gespräche haben.
Zahlreiche Ehrenamtliche fanden sich zum Mittun. Der Aushang mit den Infos war in Ukrainisch und Russisch, auf Deutsch und Englisch. Das Angebot wurde aus dem Stand nachgefragt. Ukrainische Frauen mit und ohne Kinder kamen. Wie gut, dass wir eine sinnvolle Möglichkeit zur Unterstützung gefunden hatten.
Und dann kamen auch noch ganz andere. Die iranische Familie, die neu in Aachen eingewiesen worden war. Der junge Mann aus Somalia, der mit seinen bisherigen Sprachkursen nicht zurechtgekommen war. Die Frau aus Guinea mit ihrem kleinen Kind, die schon mehr als ein Jahr in dem bunten Containerdorf nur wenige weitere hundert Meter weit weg wohnte.
Die Ukrainerinnen hatten wir auf dem Schirm – natürlich. Die Nachrichten waren ja randvoll mit dem Krieg. Gemerkt haben wir, wie sehr wir die anderen Flüchtlinge kaum noch wahrgenommen hatten. Als Gemeinde, die sich vor einigen Jahren noch ganz intensiv und im Netzwerk mit anderen für Flüchtlinge engagiert hat, Patenschaften aufgebaut hatte und manches mehr. Als Gemeinde, in der besonders die iranische Community jeden Sonntag deutlich machte, wie sehr Flucht den Lebensweg prägen kann. Dass auf dem früheren Fußballplatz mit den bunten Containern in den ganzen letzten Jahren Flüchtlinge lebten, war uns aus dem Blick geraten.
„Von Osten und Westen, von Norden und von Süden“ kommen sie und öffnen uns die Augen für die Weite der Welt und für ihre Not. Mit allen sind wir eingeladen zum Mahl am Tisch im Reich Gottes.
29. Januar 2023
Letzter Sonntag nach Epiphanias
Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Jesaja 60,2b
Wie die Sonne am Morgen in ihrer Kraft. Wie der Sternenhimmel in der Nacht mit seiner Größe. So geht Gott auf über dir und so erscheint seine Herrlichkeit in deinem Leben. Der Vers aus dem Prophetenbuch des Jesaja bringt uns die Grundidee der Epiphaniaszeit nah. Gott erscheint in dieser Welt. Sein Licht scheint in die Dunkelheit.
Wir nehmen Verse wie die des Jesaja und deuten sie auf Jesus hin. Auf die Erzählung von seiner Verklärung wie im Evangelium von dieser Woche. Vor allem aber lesen wir sie von Weihnachten her. Der große Gott kommt mir im kleinen Kind ganz nah.
Die Sonne geht auf. Langsam färbt sich der Horizont hell. Gelb, orange, rot – der Himmel schmeckt Farben. Wie eine Scheibe steigt sie auf. Dann wie ein Ball, den Gott mir in den Tag hinein zuwirft. Die Sonne wird größer und größer, Helligkeit erfüllt die Welt. Der Tag beginnt.
Ich schaue in den Himmel in der Nacht. Sterne leuchten. Ab und zu wischt eine Wolke darüber. So weit, so bergend ist dieser bestirnte Himmel über mir. Ich bin ein Teil des Kosmos.
„Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Gott ist Licht. Seine Kraft, seine Energie erfüllt Himmel und Erde, die ganze Schöpfung. Ich werde durchwärmt, von Licht erfüllt, verbunden mit seiner Kraft. Sonnengewand, Lichtmantel ist er für mein Leben. Voller Größe, ganz nah.