Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.
Hiob 9,8–9
Würde ich beim Hören dieser Verse an Hiob denken? Eher nicht! Eher an Lobpsalmen. „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament … Dort hat er der Sonne ein Zelt gebaut …“ (Psalm 19, 2 u. 5b)
„Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigst. Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, das du dich seiner annimmst?“ Mit diesen Versen aus Psalm 8 kommen wir der Hiobfrage näher. Wer bist du, Gott, für uns Menschen?
Die Gestalt Hiob ist verbunden mit unsäglichem Leid, hervorgerufen durch eine Wette zwischen Gott und dem Teufel. Der Teufel provoziert Gott. Er glaubt, dass auch der frömmste Mensch wie Hiob von Gott abfällt, wenn ihn großes Leid trifft. Gott lässt sich auf diese Wette ein. Hiob wird durch grausame Schicksalsschläge, durch schwerste Krankheit geschlagen. Der Monatsspruch verführt dazu, Hiob zu missverstehen. Er benennt die großen Schöpfungstaten Gottes, aber gerade darin wird seine große Ferne zu Gott deutlich. Er versteht die Größe Gottes. Seine Worte sind Antwort auf den Versuch seines Freundes Bildad, der ähnlich wie die beiden anderen Freunde versuchen, ihn zu trösten, indem sie ihm Gottes unendliche Größe vor Augen führen. Mit vielen Worten wollen sie Hiob aufrichten. Aber Gottes Allmacht tröstet Hiob nicht. Sie erscheint zu weit weg von den Schrecknissen seines Lebens. Er sieht Gottes Güte und Barmherzigkeit nicht. Gott ist für Hiob kein liebender Gott. Er ist ein strafender Gott ohne scheinbaren Bezug zum menschlichen Elend. Stattdessen fühlt er sich unverstanden, von Gott und seinen Freunden verlassen.
Man fragt sich, was kann ein Mensch aushalten? Was ist das für ein Gott, der sich auf so eine Wette einlässt?
In der Literatur ist die Hiobgestalt sehr oft thematisiert worden, fast ausnahmslos mit der Tragik seines Schicksals. Hiob als tragische Figur schlechthin, oftmals verwoben mit der Leidensgeschichte des jüdischen Volkes. „Mit Tränen säen wir das erste Korn, und siehe, der Halm ist leer, den wir geschnitten. Was willst du, Herr, noch über Hiob schütten? – Gar tief entbrannte über uns dein Zorn …“. Verse von Mascha Kaleko. Dass Hiob sich am Ende mit Gott versöhnt und von Gott mit neuem Glück beschenkt wird, ist für uns moderne Menschen wohl nur schwer vorstellbar. Zeigt es, dass Gott willkürlich über Menschenschicksale entscheidet? Der Mensch als Wettmasse? Ein unberechenbarer Gott? Der Mensch ausgeliefert? Oder ist es ein Gleichnis dafür, ganz gleich, welches Schicksal dich trifft, Gott wird dich nicht allein lassen? Fragen sind berechtigt. Zweifel auch angesichts von Kriegen, Zerstörung und Willkür in unserer Welt. Gott wird den Menschen nicht allein lassen?
Vielleicht so: Du darfst klagen, an Gott auch verzweifeln, ihn beschimpfen, ihm den Rücken zukehren, aber lass das nicht das Letzte sein. Drehe dich wieder um, zeige Gott dein Gesicht, deinen Zorn, deine Tränen. Lass es zu, dass er auf dich zukommt. Gottes Atem ist länger als deiner. Lassen wir uns von ihm „umdrehen“.
Die Klage, der Schmerz, alles bleibt, auch das Staunen über Gott. Es ist gleichzeitig die Ergriffenheit vor der unbegreiflichen Größe Gottes und der Fluch über die Schwere des eigenen Schicksals. Ein unauflöslicher Widerspruch.
Auch wir bezweifeln, dass Gott ein Interesse an dieser Welt und ihren Zerstörungen hat. Es ist schwer, über unser Schicksal hinauszublicken. Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche, Millionen Tote. Wir klagen an: Gott, wo bist du? Und doch ist mehr da. Staunen über neues Leben. Heilung. Erwachen der Natur. Liebe unter uns Menschen.
Gottes Liebe. Ja, sie ist für uns klagende Menschen in Jesus Christus menschlich geworden und nahe. Nicht immer erkennen wir sie.
Manchmal bleiben mehr Fragen als Antworten.