3. Dezember 2023
1. Advent
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.
Sacharja 9,9
Das sangen wir doch gerade im zweiten Vers des wohl bekanntesten Adventsliedes „Macht hoch die Tür“ (EG 1): „Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein Gefährt …“. Hier wird das traditionelle Bild eines starken, kraftvollen und mächtigen königlichen Herrschers, der siegreich Kriege führt, gebrochen. Diesen König prägen andere Qualitäten. Er ist „ein Gerechter und ein Helfer“.
So ein Messias wurde dem Volk Israel von dem Propheten Sacharja verheißen. Wann genau Sacharaja diese Verheißung aussprach, wissen wir nicht genau (höchstwahrscheinlich um 500 v. Chr.). Sicher sind jedoch zwei Dinge:
Für den jüdischen Glauben steht die Hoffnung auf den kommenden Messias im Zentrum. Wenn er denn kommt, dann wird alles gut. Erst dann. Dann aber wirklich. Jetzt ist die Zeit des Wartens.
Für den christlichen Glauben kam mit Jesus der Messias. Er ist der Messias. Schon in seinem Namen kam das zum Ausdruck: Jesus ist der Christos (der Gesalbte). Jesus half vielen. Er war gerecht und gut. Er vollbrachte Wunder. Aber ausnahmslos allen half er nicht. Und ausnahmslos alle konnte er nicht überzeugen. Was nun?
Der Liederdichter bezeugt von Jesus am Ende von V. 2 „all‘ unsere Not zum End er bringt“. Ist es nicht wie damals? Alle erleb(t)en das nicht. Nicht immer und nicht sofort half/hilft er. Aber dass Jesus auch noch heute hilft, das glauben wir und das erfuhren sehr viele. Dies ist das zweite Kommen Jesu. Und genau darum dürfen wir mit dem Liederdichter im letzten Vers von „Macht hoch die Tür“ bitten: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.“
Zuletzt dies: Mit Juden und vielen anderen Menschen erwarten, erhoffen, ersehnen und erbitten wir als Christen das dritte Kommen Jesu. Maranatha! „Unser Herr, komm!“
10. Dezember 2023
2. Advent
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Lukas 21,28
„Seht auf und erhebt eure Häupter“, das heißt doch: Lasst euren Kopf nicht hängen! Gebt nicht auf!“ Je schlimmer jemand drinne hängt (wenn etwa jemand denkt und/oder sagt „Mir kann niemand mehr helfen. Ich bin am Ende.“), desto wichtiger ist solch’ ein Weckruf. Oder wenn es in den Köpfen von Menschen oder in der Welt drunter und drüber geht.
So eine Zeit herrschte um die Zeitenwende herum. Und so sieht Jesus auch die Endzeit, wenn er sagt: „Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“ (Luk 21,25–27)
Schaut man in unsere Zeit hinein, dann könnte man vielleicht sagen: „Wir leben in der Endzeit. Schau doch dahin oder dorthin. Es geht zu Ende. Oder: Es ist zu Ende.“ Dazu in Klammern gesagt: laut einer internationalen Umfrage von 2021 glauben 56 % der befragten Jugendlichen, dass die Menschheit „dem Untergang geweiht“ ist (NZZ 2.8.2023). Man glaube, was man wolle. Ich halte drei Dinge für wichtig:
Erstens werden wir heute wie die Menschen damals dazu aufgerufen, wachsam zu sein, also nicht einzuschlafen, sondern Augen und Ohren offen zu halten. Irgendwo las ich einmal folgenden Satz: „Lebe jeden Tag so, als ob er der letzte wäre. Und lebe so, als würdest du ewig leben.“
Zweitens fiel mir ein Satz aus Friedrich Hölderlins berühmter 15-strophigen Hymne „Patmos“ ein. Dort heißt es: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch“. Schön, wenn jemand Rettendes erfährt. Und sehr schön, wenn jemand Gottes Hilfe erfährt. Darum bitten darf man. Jederzeit.
Drittens finde ich es tröstlich zu wissen, dass Erlösung naht. Auch wenn niemand weiß, wann Jesus (wieder-)kommt, es ist doch gut zu wissen, wer da kommt.
17. Dezember 2023
3. Advent
Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig.
Jesaja 40, 3.10
Dritter Advent ist schon. So schnell ging es wieder. In einer Woche ist der vierte – und gleichzeitig Heiligabend. Man fragt sich: Woran muss ich noch denken? Was darf auf keinen Fall vergessen werden?
Feierlich und schön soll Weihnachten doch wieder werden.
Aber: Ist es so die richtige Art und Weise, an Advent und Weihnachten heranzugehen? Was ist das für ein Christuskind, das ritualisiert und termingemäß „alle Jahre wieder auf unsere Erde niederkommt“?
Lassen wir uns von dem Liederdichter Valentin Thilo und seinem Adventslied „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 5) an die Hand nehmen. Entstanden ist es in dunklen Zeiten, nämlich während dem 30jährigen Krieg. Feiern und Fröhlichkeit waren zu jener Zeit fern, sehr weit fernab. In keinem einzigen der vier Versen ist irgendetwas Freudvolles oder Fröhliches zu spüren, ganz am Ende, in V. 4, steht nur „dankbar sein“. Das Lied beginnt bezeichnenderweise mit den beiden Worten „mit Ernst“.
In der zweiten Zeile findet sich dann das entscheidende Wort Herz; gleich sechsmal steht es in den vier Versen. Valentin Thilo sieht offenbar das Herz als Schlüssel zu Weihnachten. Und wissen wir das nicht auch sehr genau? Denn was bedeutet aller äußerer Pomp, alles Geld und aller äußerer Glanz, wenn es dabei herzlos abgeht, wenn die Gefühle fehlen?! Nichts. Da kann man drauf verzichten.
In diesem Sinne wünsche ich allen, Kleinen und Großen, jungen und alten Leuten, euch Männern und euch Frauen, gefühlige Tage vor dem Fest, am Fest und vor allem danach.
24. Dezember 2023
4. Advent
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!
Philipper 4,4–5
Was für ein Tag heute. Der vierte Advent und gleichzeitig Heiligabend. Für die meisten also schon Weihnachten. Da gibt‘s gewiss kein passenderes Stichwort als ebendies: Freude.
Freude hat ja sehr viele Facetten. Vieles vermag uns zu erfreuen. Vielleicht denken Sie an den vorweihnachtlichen Stress – und freuen sich jetzt, dass alles geschafft ist und die ruhigen, stillen Tage anbrechen, an denen Feiern und Fröhlichsein angesagt ist.
Wir wissen: Wichtiger als die kleinen Freuden oder billigen Vergnügungen sind die tieferen Freuden, z. B. die Freude über von Herzen kommende oder in Liebe gemachten Geschenken. Das spürt man doch ganz genau. Und am allertiefsten ist die Freude, die alle Stolpersteine der Freude überwindet. Solche gibt es ja zuhauf.
Paulus wusste um das Evangelium. Übersetzt heißt Evangelium frohe Botschaft. Der Kern des Evangeliums ist nicht eine neue Theorie oder ein Programm für eine bessere Welt. Der Kern des Evangeliums ist Jesus Christus. Er ist das Evangelium in Person. Und er ist die Quelle der Freude. Paulus schrieb den Brief an die Philipper aus einem Gefängnis. Er hätte allen Grund, den Kopf hängen zu lassen und Trübsal zu blasen. Im Gegenteil!
Er ruft zur Freude auf. Und so klingt es in sehr vielen Liedern nach und weiter. Da ist einmal das Lied „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden“. Und dann das Weihnachtslied
„Freuet euch, ihr Christen alle, freue sich, wer immer kann; Gott hat viel an uns getan. Freuet euch mit großem Schalle, dass er uns so hochgeacht, sich mit uns befreundt gemacht.“ Deshalb: Freut euch!
25. Dezember 2023
Christfest
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
Johannes 1,14a
So lautet der biblische Hauptsatz fürs Christfest und die Tage danach. Der Evangelist Johannes drückte damit das Wunder aller Wunder aus. In dem Baby Jesus ereignete sich nämlich das Wunder der Menschwerdung des ewigen, des göttlichen Logos. Die Weihnachtslieder werden nicht müde, das zu besingen. Schon im ersten (dem ältesten) lautet der zweite Vers so:
„Des ew’gen Vaters einzig Kind
Jetzt man in der Krippen findt,
In unser armes Fleisch und Blut
verkleidet sich das ew’ge Gut.
Kyrieleis!“
Mit der Geburt des Göttlichen im Menschlichen ist etwas Unvorstellbares geschehen. Etwas vorher nie Dagewesenes. Wir sind das sehr gewohnt, zu gewohnt. Stellen wir uns einen Augenblick lang vor, wir wären religiös gesehen noch Germanen. Dann würden wir an eine Vielzahl von Göttern glauben. Und die ganze Natur wäre beseelt. Magie und Geisterglaube gehören ebenso zu den Merkmalen germanischer Religiosität. Da gab es also Gott nicht im Singular, sondern nur im Plural. Überall wäre ein kleiner Gott. Aber niemals Gott in einem Baby, überhaupt in einem einzigen Menschen konzentriert.
Ohne das Wunder des Heiligen Abends gäbe es keine letzte Offenbarung. Denn da beginnt etwas Neues in Gottes Geschichte mit der Menschheit. Es ist so, wie wenn aus einem Paar durch die Geburt ihres Kindes nun eine Familie wird.
Jesus war und ist die uns Menschen zugewandte Seite Gottes. „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9), das wird Jesus ungefähr drei Jahrzehnte später seinem Jünger Philippus sagen. Oder dies: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh 10,30) Diese und andere Worte Jesu gelten uns und aller Welt.
31. Dezember 2023
1. Sonntag nach dem Christfest
Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,14b
„Wir sahen seine Herrlichkeit“, so beginnt der Wochenspruch. Lassen Sie uns kritisch nachfragen: Stimmt das wirklich? Ganz so eindeutig und unumstritten „herrlich“ war doch Jesus gar nicht! Geboren wurde er nicht in einem Palast, sondern in einem Stall. Wir hörten es vor wenigen Tagen: „in Windeln gewickelt und in einer Kippe liegend“.
Also nicht herrlich, prächtig oder irgendwie glanzvoll. Nicht einmal „klein, aber fein“, sondern: nur ein Flüchtlingskind. Gewiss, als Erwachsener sagte Jesus erstaunliche Dinge. Und er tat Ungeheuerliches. Aber ist es nicht viel zu viel, was Johannes da von Jesus aussagt?
Gewiss: Dem Evangelisten Johannes drängte sich als Haupt- und Leitwort das aus dem AT stammende Wort Herrlichkeit auf. Mit dem hebräischen Grundwort bezeichnete man im Alltag schwere, gewichtige Dinge. Bezogen auf Gott wird damit die göttliche Pracht, Glanz, Schönheit, Stärke, Kraft, Größe, Hoheit oder Majestät ausgedrückt. Und das alles wird nun auch für Jesus in Anspruch genommen. Eigentlich unerhört. Kein Wunder, dass das nicht jedermann glaubte. Ganz neutral kann gefragt werden: War Jesus wirklich mehr? Mehr als je ein Mensch, der vor oder nach ihm lebte?
Ein jüdischer Witz gefällt mir hier sehr gut: „Itzig, warum hast du eine so hässliche Frau genommen?“ Itzigs Antwort. „Weißt du, innerlich ist sie schön.“ Sein Freund dann: „Nu, lass‘ sie wenden.“
Die beiden Freunde müssen diesen Schönheits-Gegensatz wohl einfach aushalten. Wir aber dürfen im Blick auf Jesus dankbar sein für das, was wir in 2023 an Gnade und Wahrheit erfuhren. Und wir dürfen hoffen und bitten, dass ER uns und vielen anderen in 2024 seine Herrlichkeit fort und fort offenbart.