5. Februar 2023
3. Sonntag vor der Passionszeit: Septuagesimä
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18b
Daniel! Lange führte dieser Name die Hitliste der männlichen Vornamen an. So kommt es, dass viele Männer im mittleren Alter Daniel heißen. Dass Daniel mehr ist als nur ein Name, zeigt das gleichnamige biblische Buch. Es erzählt von einer idealtypischen Gestalt namens Daniel. Und wie alle in der Bibel genannten Namen ist auch Daniel mehr als „Schall und Rauch“, vielmehr steht auch hinter diesem Wort ein Lebensprogramm. Daniel ist einer, der darauf vertraut, dass „Gott Recht schaffen wird“. Ein kurzer Blick auf die biblische Biografie soll dies zeigen. Daniel kommt in jungen Jahren nach Babylon. Er gehört zu der vom babylonischen König weggeführten judäischen Oberschicht. Dass Daniel ein kluger Junge ist, bleibt dem babylonischen König nicht verborgen. So wird dem jungen Judäer schon bald eine große Verantwortung innerhalb des heidnischen Königshauses übertragen. Der Gefahr, seinen Gott zu vergessen, begegnet Daniel, indem er täglich dreimal niederkniet, betet und seinen Gott lobt und preist. Sein Gebet verrichtet er bei offenem Fenster mit Blick nach Jerusalem. Mit dieser Öffentlichkeit setzt Daniel sich vielen Gefahren aus. Trotzdem bleibt er unversehrt.
Wenn Daniel für die Rettung seines Volkes und dessen Rückkehr in die judäische Heimat betet, dann behält er die Heiligkeit und Barmherzigkeit Gottes im Blick. Die Schuld an der Misere seines Volkes sucht Daniel bei den Menschen und nicht bei Gott. Sein Gebet beginnt er mit einem Schuldbekenntnis. Im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit bringt er die Sünden und das Unrecht seines Volkes vor Gott. Daniel weiß, den Neuanfang und die heile Zukunft kann nur Gott bewirken. Es ist Gottes Barmherzigkeit, die Leben erhalten und dem Tod wehren will. Menschen kommen mit ihrem Streben nach Gerechtigkeit an ihre Grenzen. Gottes Gerechtigkeit aber ist grenzenlos. Damit die göttliche Gerechtigkeit sich auf dieser Welt durchsetzen kann, müssen Menschen ihre Schuld vor Gott tragen und im Vertrauen auf ihn ihr Leben wagen.
Wie würde unsere Welt aussehen, wenn alle „Daniels“ – und nicht nur sie – dem Beispiel der idealtypischen biblischen Gestalt folgen und im Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit für das Heil dieser Welt beten würden?
12. Februar 2023
2. Sonntag vor der Passionszeit: Sexagesimä
Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht.
Hebräer 3,15
In meiner Jugend klang dieser Vers für mich bedrohlich. Vielfach fragte ich, ob die Stimme des Pfarrers oder der Jugendleiterin tatsächlich die Stimme Gottes sei, oder ob diese mich mit dem Hinweis auf Gottes Stimme zu etwas bewegen wollten, was ihrer Vorstellung für mein Leben entsprach. Woran erkenne ich, ob Menschen sich der Stimme Gottes bedienen, um andere zu manipulieren, oder ob Gott zu mir spricht? Lässt sich die Stimme Gottes eindeutig identifizieren?
Im Verlauf eines Tages dringen viele Stimmen an mein Ohr. Während ich diesen Wochenspruch auslege, wollen mir viele sagen, was ich zu tun habe, damit die durch den Ukraine-Krieg verursachte Energiekrise gemildert werden und der Winter uns nicht zu hart treffen kann. Es sind ethisch-moralische Appelle, die meist ganz vernünftig klingen. Obwohl viele dieser Ansagen mir einleuchten, lösen sie dennoch mehrfach Widerstand in mir aus und lassen mich fragen: Warum müssen andere mir sagen, was ich zu tun habe? Warum vertrauen Politiker und Politikerinnen nicht darauf, dass vernunftbegabte Menschen vernünftig entscheiden können?
Gäbe es zwischen Gottes guter Schöpfung und der gegenwärtigen Welt keinen Bruch, bräuchten Menschen keine Entscheidungshilfen, um den rechten Weg zu erkennen. Gottes unmittelbare Gegenwart wäre Wegweisung genug. Mit der Übertretung von Gottes Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen, gaben die ersten Menschen Gottes unmittelbare Gegenwart preis.
Aus unergründlicher Liebe zu seinen Geschöpfen schenkte Gott einen neuen Wegweiser. Durch Mose gab er der Menschheit seine Gebote. Aber obwohl die Gebote dem Leben dienen und Zukunft eröffnen, ignorieren Menschen sie häufig. Gottes Güte aber ist größer als alles menschliche Versagen.
In seiner unermesslichen Barmherzigkeit sandte er seinen Sohn Jesus Christus. Was alle anderen Menschen nicht vermochten, vermochte Jesus. Er erfüllte Gottes Gebote vollkommen. In seiner Nachfolge können Menschen fortan der Stimme Gottes folgen. Trotzdem lässt sich Gottes Stimme vom Gewirr menschlicher Stimmen nicht ohne Weiteres unterscheiden. Dazu bedarf es der Leitung durch Gottes Heiligen Geist. Die von Gottes Geist gewirkte Erkenntnis ist allen ethisch-moralischen Appellen überlegen. Von Gottes Geist geleitet, lernen Menschen Gottes Stimme so zu identifizieren, dass sie ihr in Freiheit folgen können.
19. Februar 2023
Sonntag vor der Passionszeit: Estomihi
Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.
Lukas 18,31
„Nachfolge“ hat Dietrich Bonhoeffer eines seiner frühen Bücher überschrieben. Im Zentrum dieses bis heute viel gelesenen Textes steht die Nachfolge Jesu. Nachfolge ist auch das Thema der mit dem heutigen Sonntag beginnenden Woche. Einer anderen Person nachzufolgen, scheint einem selbststimmten Leben entgegenzustehen und nicht nur das. Geschichte und Gegenwart zeigen, was geschehen kann, wenn Menschen einem selbstgewählten Vorbild gedankenlos nachfolgen. Trifft das auch auf die Nachfolge Jesu zu? Dietrich Bonhoeffer verneint das, wenn er in seinem Vorwort schreibt: „Wenn die Heilige Schrift von der Nachfolge Jesu spricht, so verkündigt sie damit die Befreiung des Menschen von allen Menschsatzungen.“
Was unterscheidet Jesus von möglichen anderen Vorbildern? Seine Biografie zeigt einen tiefgläubigen Juden, dem die Kenntnis der Heiligen Schrift über alles geht und der doch mit dem Inhalt der Schrift selbstbestimmt umgeht. Bereits bei seinem ersten Besuch in Jerusalem ist ihm der Gehorsam gegenüber Gott wichtiger als der Gehorsam gegenüber seinen Eltern. Sein Verweilen im Tempel begründet er mit den Worten: „Wusstet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Durch die Schrift lernt er die Propheten kennen. Ihre kompromisslosen Wege werden ihm zum Vorbild. Ihre Biografien zeigen ihm aber auch, dass konsequentes Eintreten für Recht und Gerechtigkeit das Leben kosten kann. Trotzdem geht er seinen Weg in ihren Spuren. Aus den Prophetenbüchern erfährt er, dass auch sein Leben auf ein vom Vater gesetztes Ziel zugeht. Die Kenntnis der Schrift schenkt ihm die Gelassenheit, frei von Menschenfurcht einen Weg zu gehen, den die religiöse Obrigkeit seiner Zeit vielfach mit Missfallen betrachtet.
Das Wissen, ganz in Gottes Hand zu ruhen, leitet ihn auch auf seinem letzten Weg nach Jerusalem. Die ihn begleitenden Jünger und Jüngerinnen begreifen seine Vorhersagen nicht. Sie werden erst nach seiner Auferstehung verstehen, dass er nach Jerusalem gehen musste, damit sich alles erfüllen konnte, was die Propheten vorhergesagt haben. Jesus hätte dem Weg nach Jerusalem ausweichen können. Er hätte die Spur der Propheten verlassen und den Weg des geringsten Widerstandes gehen können. Er hätte dem Leiden aus dem Weg gehen und seinen Auftrag verraten können. Indem er aber standhielt, hat er gezeigt, dass Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters das Leben und nicht den Tod zum Ziel hat
Jesus nachfolgen heißt, frei von Menschensatzungen im Gehorsam gegenüber Gott den eigenen Weg zu gehen.
26. Februar 2023
1. Sonntag der Passionszeit: Invocavit
Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
1. Johannes 3,8b
An den Teufel glaubt heute doch niemand! Wer damit eine schwarz gekleidete Gestalt mit Hörnern meint, mag zumindest vordergründig recht haben. Blickt man jedoch etwas tiefer, so kommt der Teufel sehr wohl im ganz gewöhnlichen Alltag von Menschen vor. Die Werbung setzt das Wort Teufel in seinen unterschiedlichen Wortarten sehr gerne und geschickt ein. Da gibt es teuflische Getränke, teuflische Motorräder, teuflische Autos und vieles andere mehr. Gemeint sind dabei immer Gegenstände und Rauschmittel, die Menschen zum Kauf und Genuss von Dingen anreizen sollen, die kurzfristig Hochgefühle erzeugen, die bei unkontrolliertem Gebrauch aber mehr Schaden als Nutzen anrichten können.
Es ist aber nicht nur die Werbung, auch in der Jugendkultur und unter manchen Musikgruppen ist der Begriff Teufel kein Fremdwort. Verbunden werden damit Gefühle, mit denen Menschen außer sich geraten und übersteigerte Glücksgefühle empfinden können. Das Teuflische daran ist, dass die Ernüchterung selten lange auf sich warten lässt.
In der Bibel kommt der Teufel bereits bei der Erschaffung der Menschen vor. Von Anfang an tritt er als Gegenspieler Gottes auf. Mit bedenkenswerten Worten sät er Zweifel in das menschliche Herz und verführt Adam und Eva zur Rebellion gegen Gott. Auch hier folgt die Ernüchterung auf dem Fuß. Die beiden verlieren Gottes unmittelbare Nähe und müssen, fortan auf sich gestellt, ihr Leben mit eigener Kraft bestreiten. Auch Jesus macht zu Beginn seines öffentlichen Wirkens Bekanntschaft mit dem Gegenspieler Gottes. In der Einsamkeit der Wüste versucht ihn der Teufel. Mit drei besonders attraktiven Angeboten will er Jesus vom Gehorsam gegenüber dem Vater abbringen. Jesus aber widersteht. Den verlockenden Angeboten des Teufels begegnet er mit Worten aus den Psalmen. Letztendlich sind es die Gebote Gottes, mit denen Jesus den Angriffen des Teufels verwehrt, Herrschaft über ihn zu bekommen. Sein Gehorsam gegenüber dem Vater nimmt dem Teufel den Wind aus den Segeln. Jesus hat damit einen Weg gebahnt, auf dem alle Menschen den Verführungskünsten des Teufels entgegentreten und sie abwehren können.
Auch wenn gegenwärtig niemand mehr an den Teufel glaubt, so sind seine Verführungskünste bis heute präsent. Sie können aber nur dann dauerhaften Schaden anrichten, wenn Menschen sich von ihnen verführen lassen. Seit Jesus dem Teufel widerstanden hat, gibt es auch eine andere Möglichkeit. Es gibt den Blick auf Jesus und das Vertrauen in das Leben schaffende Wort Gottes. Mit Gottes Wort hat Jesus dem Teufel widerstanden. Mit ihm können Menschen auch heute den Leben zerstörenden teuflischen Mächten widerstehen.