Um was für einen Schatz geht es denn hier? Wenn ich die Geliebte mit „Schatz“ liebevoll anspreche, dann ist ja klar: Da, wo sie ist, da ist auch mein Herz. Frei nach dem Motto: „Mein Herz gehört ganz dir, mein Schatz!“ Allerdings hat Jesus, von dem dieser euer Trauspruch stammt, gar nicht die Geliebte gemeint, wenn er vom Schatz hier spricht. Es geht vielmehr um die Dinge, die wir sammeln und besitzen, für die wir uns einsetzen, die wir uns etwas kosten lassen. Und es geht Jesus darum, dass wir uns nicht Schätze in diesem Leben sammeln, die alle gestohlen oder vernichtet werden können. Vielmehr sollen wir uns Schätze im Himmel sammeln. Das klingt auf einmal gar nicht nach Liebe und Hochzeit.
Und doch hat der Trauspruch mit der Liebe ganz viel zu tun. Um dies zu zeigen lade ich alle zu einer kleinen Reise mit drei Stationen ein. Und ich beginne auch gleich:
„Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der Bäume wegen, … sondern wegen der Leute“. So beginnt eine Erzählung von Wilhelm Hauff. Das fast 200 Jahre alte Märchen erzählt vom Gegenteil dessen, was euch verbindet. Ihr habt heiße Herzen, leidenschaftlich glücklich miteinander. „Das kalte Herz“ aber erzählt von einem jungen Burschen, der eine harte, schmutzige Arbeit als Köhler hat und kaum etwas verdient. Er hat ein großes Ziel: Er will reich werden und die ganze tägliche Schufterei hinter sich lassen. Mit Hilfe eines Waldgeistes gelingt es ihm. Als ihm das nicht mehr reicht, findet er einen anderen, einen bösen Geist, der ihm Geld ohne Ende gibt. Allerdings muss er dafür sein menschliches Herz hergeben und bekommt ein steinernes Herz eingesetzt. Er wird unermesslich reich, heiratet die schönste Frau im Schwarzwald. Sie hat noch ein barmherziges Herz. Er aber ist nur noch gierig, bösartig und geizig. Er empfindet weder Liebe noch Glück. Für seine Mutter hat er nichts mehr übrig, seine Frau schlägt er nieder, als sie einem Armen etwas von seinem Reichtum gibt. Und sie stirbt. Da endlich wacht er auf. Seine Frau hat sich einen Schatz im Himmel gesammelt. Er aber ist bei allem Reichtum ein todunglücklicher, bitterarmer Mensch. Es gelingt ihm schließlich, sein menschliches Herz zurück zu bekommen. Seine Frau kommt wieder zum Leben und er hat keinen finanziellen Reichtum mehr. Aber er ist wieder ein Mensch, der Glück und Liebe empfinden kann. Liebe zu schenken und geschenkt zu bekommen ist so viel mehr, als materieller Reichtum. Davon erzählt „das kalte Herz“. Und wir spüren, wie recht Jesus hat, wenn er sagt: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“
Wir reisen weiter nach Schweden. Dort im Süden gibt es die Ortschaft Vimmerby in Sma(o)land. Astrid Lindgren wurde dort geboren und hat dort ihre Kindheit mit ihren Eltern und drei Geschwistern verbracht. Diese einzigartige Kinderbuchautorin von „Pippi Langstrumpf“ und vielen anderen Geschichten hat auch ein Buch für Erwachsene geschrieben: „Das entschwundene Land“. Da erzählt sie, wie wunderlich es mit der Liebe ist. Sie erzählt von der Liebe ihrer Eltern, Samuel August und Hanna Erikson: „Vor allem hing er mit großer Liebe an Hanna, habe ich das schon erwähnt? Er selbst erwähnte es oft. Fast täglich, solange er lebte. Nie wurde er müde, ihr zu zeigen, wie glücklich er über sie war und wie staunenswert er es fand, dass es sie in seinem Leben und in seinem Haus gab … ein kluger Mann hat einmal gesagt, es täte Kindern gut, zuzusehen, wenn ihre Eltern sich herzen. Samuel August hätte seine volle Sympathie gehabt, das steht fest. Einen zärtlicheren Bauern hat er nie gegeben. … Wir Kinder waren es gewohnt, tagtäglich zuzuschauen, wie unser Vater … unsere Mutter umarmte und sie „herzte“. (S. 43) „Ich lebe immer mit dir, in meinen Gedanken und Taten, ja ich möchte stets ganz für Dich leben“, schrieb Samuel August an einem Apriltag 1903 bald nach dem Abend unter der Traueresche. Und dieses Versprechen hat er gehalten … ihr ganzes Leben hindurch blieb Hanna seine „Kleine Inniggeliebte“. Sie alterte, beide alterten, doch das änderte nichts. Nachdem sie abends zu Bett gegangen waren, unterhielten sie sich immer noch eine Weile. Dann sang Hanna ein Kirchenlied oder sagte es auf, und danach sprach Samuel August … das Vaterunser und den Segen.“ (S. 48) … Er hatte ein wunderliches Vertrauen in das Leben, eine Lebensfreude und die tröstliche Gewissheit eines künftigen Lebens, und deshalb konnte nicht einmal Hannas Tod ihn zerbrechen. Er fuhr fort, sie zu lieben und von ihr zu sprechen und all ihre Tugenden zu preisen.“ (S. 49) Eindrücklich und bewegend erzählt Astrid Lindgren, wie die Herzen leidenschaftlich heiß bleiben ein ganzes Leben lang. Und wie schön es ist, wenn trotz aller Arbeit die Liebe zueinander der Schatz ist, der gehegt und gepflegt wird.
Zurück aus Schweden lade ich ein, noch eine dritte und letzte kleine Reise zu machen. Wir sind auf einer Wanderung, jeder, wo er will, in seinen Gedanken. Nach längerer Wanderung kommen wir ziemlich nassgeregnet und kalt gefroren in ein schönes Haus hinein. In meiner Fantasie ist es mein kleines Ferienhäuschen im Hochschwarzwald. Dort ist schon längst der große Ofen angeheizt.
Er speichert die Hitze über viele Stunden und verbreitet eine wunderbare Strahlungswärme. Es gibt nichts Schöneres, als die nassen Klamotten abzulegen und nun an dem herrlich heißen Ofen die Wärme zu genießen. Viele von uns kennen solche Orte, wo sie sich wohlfühlen. Von Martin Luther gibt es ein eindrucksvolles Gleichnisbild, das dies aufnimmt. Er sagt: Gott ist wie ein glühender Backofen voller Liebe. Er strahlt also nicht die Wärme aus, sondern die Liebe. Und das ungeheuer intensiv – eben ein glühender Backofen voller Liebe. Viele Menschen haben entdeckt: Es gibt manche Schätze im Leben. Es gibt die materiellen Schätze, denen man keine zu große Bedeutung geben sollte, damit man nicht am Ende ein kaltes Herz hat. Es gibt den Schatz, den ich liebe, wie keinen anderen Menschen. Das ist das, was ihr an eurem Hochzeitstag heute feiert. Und wie schön, dass ihr eure Herzen so beieinander habt. Und es gibt einen dritten Schatz, also etwas weiteres unglaublich Wertvolles: Das ist Gott. Viele Menschen haben ihr Herz bei diesem Schatz. Sie denken an ihn, sie reden mit ihm; wir sagen beten dazu. Sie sind in ihrem Herzen mit ihm in Kontakt. Glaube nennen wir dies. Und genau betrachtet ist echter Glaube nichts anderes als Gott lieben von ganzem Herzen und durch ihn auch den Nächsten lieben, wie sich selbst. Aber was noch wichtiger ist: Sie lassen sich immer wieder aufwärmen und durchwärmen bei ihm, der wie ein glühender Backofen voller Liebe ist. Das brauchen wir; das tut uns gut. Denn unser Herz ist ja nicht jeden Tag so froh gestimmt, wie an den glücklichen Tagen des Lebens. Unser Herz, das gerne mit seiner ganzen Freude und Leidenschaft bei unserem Schatz ist, ist manchmal verzagt, unterkühlt, durchnässt, bedürftig. Und da ist es so gut, wenn es von Gottes Liebe durchwärmt wird. Dann kann es auch wieder anderen Liebe schenken und sich selbst liebhaben.
So schaut nicht zu sehr nach den materiellen Schätzen. Bewahrt eure Herzen beieinander, bei eurem geliebten Schatz, so wie die Eltern von Astrid Lindgren. Und sucht immer wieder den Schatz, den wir Gott nennen. Seine Liebe möge eure Herzen immer wieder intensiv durchwärmen.