Johannisfest

Johannistag Jesaja 40, 1-8 (9-11)

Johannisfest
© Dorothea Layer-Stahl

Eine namenlose Stimme … die wortgewaltig, zart, einfühlsam und deutlich, zeitlose Wahrheiten ausdrückt, Hoffnungsbilder malt und tröstet. Johannes der Täufer, eine beeindruckende Persönlichkeit, eigenwillig und herausfordernd trotzte er widrigsten Lebensumständen. Ein mutiger und verrückter Spinner, der mit seinem Mantel aus Kamelhaaren wohl nicht zu übersehen war und erst recht nicht zu überhören für den, der sich damals einen Weg zu ihm durch die Wüste bahnte. Sein Satz: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh 3,30) ist sicherlich keine Anspielung auf Gewichtsprobleme, erst recht nicht bei seiner so speziellen Ernährung mit Heuschrecken und wildem Honig!

Johannes der Täufer, einer der größten Propheten und Bußprediger am Übergang zwischen dem alten und neuen Bund. Er verweist auf die bevorstehende Ankunft von Jesus, ist der Wegbereiter für Jesus. Und so begegnet er uns im Laufe des Kirchenjahres auch gleich zweimal. Es wird an die jeweiligen Geburtstage der beiden erinnert. Zuerst zum Johannisfest an Johannes, den Täufer wie jetzt, mitten im Sommer zur Zeit der Sommersonnwende. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Abnehmen, wie das Sonnenlicht von der Sommersonnwende bis zum dunkelsten Tag des Jahres, der Wintersonnwende, zur Zeit der Geburt von Jesus. Johannes, der Täufer hat im wahrsten Sinne des Wortes den Blickwinkel ver-rückt, geöffnet, geweitet für eine neue Dimension des Göttlichen in dieser Welt.
Bereitet dem Herrn den Weg! Johannes der Täufer wiederholt damit eine Aufforderung, die bereits im Alten Testament bei Jesaja (40,1–11) nachzulesen ist.

Eine namenlose Stimme, die dazu aufruft, Gott einen Weg durch die Wüste zu bahnen. Eine Stimme, die mit Nachdruck auffordert, sein Volk zu trösten. Tröstende Worte, um die Trauer und das Leid des Volkes Israel zur Endzeit des Exils in eine positive Aufbruchsstimmung zu wenden. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.

Überraschende Worte! Ist Jesaja dieser namenlose Prophet, der so ganz neue Töne anklingen lässt? Trost als Wendepunkt in der der Geschichte des Volkes Israel. Der bisher geltende unmittelbare Zusammenhang zwischen Schuld und Strafe wird hier aufgebrochen, abgelöst. Trost als Wendepunkt vom Zorn Gottes hin zu Gottes Erbarmen, vielleicht sogar, um wieder Kraft und Mut zum Träumen zu finden und eine neue Lebensperspektive eröffnen. Ist Jesaja, ein Prophet des Alten Bundes, mit diesen Worten seiner Zeit so weit voraus? Bewerten wir womöglich einmal mehr Fakten – in diesem Fall Jahreszahlen – im Vergleich zu Erlebnissen viel zu hoch? Sind wir heute einfach viel zu kleinlich; sind doch bei Gott tausend Jahre wie der Tag, der gestern vergangen sit (Ps 90,4)?

Oder ist diese namenlose Stimme eine versteckte Vorahnung auf Jesus oder auf Johannes, den Täufer? Wobei ein solch unkonventioneller, mutiger und verrückter Spinner im Format eines Johannes des Täufers zu allen Zeiten wünschenswert wäre. Eine Person, die die Bevölkerung aus dem Exil der Vereinsamung, dem Gefängnis der Angst, dem Labyrinth der Lügen, den Kreisläufen des Hasses führt, die aufrichtet und ausrichtet, die Sorge in Mut, Verzweiflung in Tatkraft, Resignation in Hoffnung verwandelt. (Johann Hinrich Claussen)

Wer auch immer dieser namenlose Prophet sei. Er besitzt die besondere Gabe, mit Worten zu trösten. Er leitet damit einen Wendepunkt ein. Trost, eine neue Dimension im Umgang Gottes mit den Menschen. Ein Wachrütteln, um die Macht Gottes in einem neuen Licht zu sehen. Liegt doch allein bei Gott die Macht, um die unvermeidlichen Berg- und Talfahrten im Leben der Menschen zu erleichtern. Denn die vermeintliche Macht des Menschen ist – laut Jesaja – wie Gras, das verdorrt. Allein das Eingreifen Gottes bewirkt eine echte Veränderung. Das Volk kann in der Gegenwart Gottes endlich wieder aufatmen, die trostlose Zeit hat ein Ende. Alles, was bisher war, wird komplett neu. Ein Lichtblick am Ende des Tunnels, ein Weg zurück ins Leben mit neuen Perspektiven und Träumen wird möglich. Ein neuer Weg mit vielen kleinen Schritten. Ein Weg, der Geduld erfordert.

Doch was bedeutet Trost konkret? Vom Wortstamm hängt es mit Treue zusammen und bedeutet aufatmen lassen, beistehen, seelischer Halt, Zuspruch und Ermutigung.
Der Bedarf an Zuspruch, an Trost und Hoffnung ist groß, zu allen Zeiten, doch ganz besonders in Krisenzeiten, persönlichen wie gesellschaftlichen. Trost kann eine tiefgreifende Wende bewirken, wenn man Mut, Vertrauen und Geduld hat, eine Notsituation von allen Seiten zu betrachten, sozusagen in die Tiefe zu gehen. Wenn man sich Zeit lässt, so dass am Horizont Hoffnungsbilder entstehen können und etwas Neues reifen kann.

Warum fehlt es überall an Tröstlichem, an solchen Hoffnungsbildern, obwohl sich so viele danach sehnen?
Liegt es daran, dass wir im Innersten doch die weltlichen Mächte für bedeutsamer halten als die göttliche Macht, weil wir sie nicht sehen, sondern nur erleben können? Doch gerade Krisenzeiten können eine Chance zum Umzudenken sein. Die Unzufriedenheit mit dem Handeln oder Nicht-Handeln der Regierungsverantwortlichen ist weltweit groß. Viele Verantwortliche scheinen in ihrem eigenen Exil bestehend aus Sachzwängen, irgendwelchen Ideologien oder dem eigenen Ego gefangen zu sein. Es gibt kaum jemand, der Mut macht, Zuversicht und Hoffnung vermittelt. Vielmehr werden wir täglich konfrontiert mit unzähligen Warnungen, versteckten Drohungen, „Wenn-dann-Sätze“, die mit sorgenvoller Miene vorgetragen werden. Als ob Schweres in Wort und Bild gewichtiger und damit wichtiger wäre, Fehlanzeige – im Gegenteil! Ängste und Sorgen werden durch die Flut an Negativem noch verstärkt, Lebensenergie, Zuversicht und Lebensfreude schwinden zunehmend.
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? (EG 7,4)

Ein Wendepunkt, ein Blickwechsel nach oben wäre dringend notwendig, um die ein oder andere Not zu wenden. Kein billiger Trost, kein Vertrösten oder leere Versprechungen. Wie gesagt, Jesaja bringt es auf den Punkt, menschliche Macht ist wie Gras, das verdorrt! Die Herausforderung besteht darin, die Weite Gottes der Enge unseres Lebens gegenüberstellen. Gott möchte unser Leben, das durch äußere Probleme bedroht ist, mit einer inneren Hoffnung erfüllen, die erst ein erfülltes Leben möglich macht. Im Vertrauen auf Gottes Wirken können Worte des Trostes helfen, trotz Not, Verlust oder Trauer wieder einen neuen Lebenssinn zu finden. Tröstende Worte können Mut machen, Vergangenes abzuschließen, wieder nach vorne zu schauen. Offen zu sein für etwas Neues, das anders sein wird und auch anders sein darf, sein muss als das Vergangene. Träume von einem neuen Leben können entstehen, und damit eine neue Lebendigkeit und Kreativität. Trost als Brücke zwischen der Krise und der Verheißung von etwas Neuem.

Einander zu trösten, mit Worten zu umarmen, das brauchen nicht nur Kinder. Einfühlsam zuzuhören, einander Raum zu geben, ohne durch zu viele Ratschläge den Raum eines anderen zu verletzen. Einfach da sein, auch wenn das oft gar nicht so einfach ist. Es ist für jede und jeden ein ganz besonderes Geschenk, wenn jemand zuhört, einen aufbaut, ermutigt und tröstet. So kann eine neue Hoffnung auf einen neuen, wenn auch anderen Lebenssinn aufkeimen. Denn, wie es Christian Morgenstern formuliert hat:

Wir brauchen nicht so fortzuleben,
wie wir gestern gelebt haben.
Macht euch nur von dieser Anschauung los,
und tausend Möglichkeiten
laden uns zu neuem Leben ein.

Jesajas Worte sind eine Einladung der besonderen Art, sich immer wieder
neu Gott einzulassen und so die unsichtbaren Geschenke des Himmels,
wie Glaube, Liebe, Hoffnung und Trost neu zu erleben.

Oder um es mit Worten von Jesaja auszudrücken:

Lesen: Jesaja 55,8–13

Gebet:
Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still.
Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist,
ich wurde Hörer.
Ich meinte erst, Beten sei Reden.
Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist,
sondern hören.
So ist es:
Beten heißt nicht, sich selbst reden hören.
Beten heißt still werden und still sein und warten,
bis der Betende Gott hört.
(Sören Kierkegaard)

Fürbitten:
Ewiger Gott,
sei bei jeder und jedem von uns in diesen Krisenzeiten. Erfülle uns mit neuer Hoffnung. Lass die Krise zur Chance werden für ein neues Miteinander.
Ewiger Gott,
So bitten wir dich, stärke uns im Zuhören, Dasein, im Trösten für andere. Wir bitten dich um Trost für uns selbst. Lass uns neue Wege finden, Trostgeschenke zu verteilen und zu empfangen. Öffne uns für die vielen Trostgeschenke an jedem Tag, die man so leicht übersehen kann. Ein liebes Wort, eine Berührung, eine gemeinsame Tasse Kaffee. Hat doch der Trost so viele Gesichter
Ewiger Gott,
wir bitten dich für unsere Welt, in der so viel Sichtbares ins Wanken geraten, unsere Augen, Ohren und Herzen für das Unsichtbare zu öffnen. Lass in unserer Welt Glaube, Liebe, Hoffnung und Trost wachsen. Lass uns die Macht des Göttlichen an jedem Tag erfahren.

Psalmvorschlag:   Psalm 92
 Evangelium:   Lukas 1,57–66
 Lesung:  Apostelgeschichte 19,1–7 
 Liedvorschläge:   452 (Er weckt mich alle Morgen) 
   645 (Wenn die Last der Welt dir zu schaffen macht)
   398 (In dir ist Freude) 
   503,1.8.13–15 (Geh aus mein Herz und suche Freud) 
    482 (Der Mond ist aufgegangen)
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