Der Hamburger Rock-Barde Udo Lindenberg singt:
„Hinterm Horizont geht’s weiter
ein neuer Tag
Hinterm Horizont immer weiter
zusammen sind wir stark
Das mit uns ging so tief rein
das kann nie zu Ende sein
So was Großes geht nicht
einfach so vorbei
Du und ich das war einfach
unschlagbar
ein Paar wie Blitz und Donner
Zwei wie wir die können sich nie verliern
Hinterm Horizont geht’s weiter ein neuer Tag
Hinterm Horizont immer weiter zusammen sind wir stark
Das mit uns ging so tief rein das kann nie zu Ende sein
So was Großes geht nicht einfach so vorbei
Ahhhhhhhhhhh“
Was ist der Horizont unseres Christsein?
Ist es das Meer in der spätabendlichen Sonne?
Ist es das Lied über Gräbern?
Ist es der Muntermacher für stöhnend-wandernde Kinder?
Ist es das Licht am Ende eines langen Tunnels?
Ist es das „weiter so“ aus dem Fitness-Center?
Ist es die zugesprochene Vergebung vor dem Abendmahl?
Ist es der Blick bei gutem Wetter auf den 40 km entfernt liegenden Dom?
Ist es die uns einfach als Menschen in die Wiege gelegte Sehnsucht?
Nichts trifft es, und dennoch sind alle Bilder richtig.
Wenn Jesus sagt: „Werft die Netze aus“, dann meinte er nicht: „Lasst sie vor dem Boot langsam sinken.“ Der „Horizont“ hat immer die Weite im Blick.
Mich hat immer schon fasziniert, wie Menschen ihren Glauben über die Horizontline werfen. Ob sie nun schon wussten oder ahnten wie Vasco da Gama oder Columbus oder die frühen Wikinger, dass es „hinterm Horizont“ weiter geht.
Ob sie spürten, was wir in dem alten Gebet von Rudolf Alexander Schröder beten (EG 487):
„Wenn dein Aug ob meinem wacht,
wenn dein Trost mir frommt,
weiß ich, dass auf gute Nacht
guter Morgen kommt.“
Mir war das noch nie ein Rätsel. Mir geht es beim Horizont so, wie dem jungen Jörg Zink die Hügel und Bäume der schwäbischen Alb „durchsichtig“ schienen. Keiner, der „ahnte“, war mir fremd, bis auf einen, der mir unbedingt das Todesdatum meiner Mutter nennen wollte. Ihn habe ich kurzerhand aus meinem Pfarrbüro hinauskomplimentiert.
Wenn der Horizont keine Grenze ist, dann wartet kein Todestag oder ein anderes „böses“ Schicksal. Angesichts der einigen Milliarden Jahr, die unserem Planeten noch bevorstehen, werden wir wohl die „letzte wie die erste Reise“ antreten, um mit der Erde, mit Gott und seinem Geist eins werden.
Jürgen Moltmann, und das gebe ich weiter an alle, die von seinen großartigen Erkenntnissen, seiner Arbeit für uns und seinem Glauben leben, schrieb mir Anfang des Jahres:
„Ich bereite mich jetzt vor auf das Sterben und Auferstehen, denn ich bin überzeugt, dass wir nicht aus den Gräbern auferweckt werden, sondern in unserer Todesstunde. Darüber begrüße ich jeden neuen Tag mit Lebensfreude. Jeder neue Tag ist einer Antizipation des Auferstehungstages.“ Er hatte in seinem aufregend tröstlichen Buch „Auferstanden in das ewige Leben, Gütersloh 2020“ schon geschrieben: „Darum sollten Christen sauf den Grabstein schreiben: geboren am –, auferstanden am -. (S. 87) Und er zitiert Marie Luise Kaschnitz bestätigend:
„Denn ein Totenbett
ist ein Totenbett mehr nicht.
Einen Freudensprung
Will ich tun am Ende
Leicht wie der Geist der Rose.“
Mir ist das der entscheidende Blick über den Horizont hinaus.
Dieser Blick kann anhalten an einer Straße, an einem Baum, an einer Horizontlinie am Meer, an einem letzten Buch, an einem Kreuz, in einem lieben Gesicht, an einem letzten Gedanken … Alles, was wir sehen, weist über sich hinaus. Nichts bleibt verharrt. Nichts begnügt sich mit sich selbst. Nichts und niemand ist sich genug.
Ob sich Gräber öffnen oder Bilder bewegen, ob sich Wege auftun oder Felsen weichen: Ich kann nur raten: Seid nicht „kleingläubig“, starrt nicht auf negative Zahlen, seid „weitgläubig“ und seid ein Segen.
Ich lade alle in unserer Kirche ein zu einer „Sehnsuchtskultur“. Pflegt sie, erarbeitet sie mit Konfirmandinnen und Konfirmanden, erlebt sie an Gräbern, feiert sie am Taufbecken, hütet diese „Weite“ als Kleinod, das uns bei allem Elend nicht verloren gehen darf.
Aus dem Redaktionsbeirat der PASTORALBLÄTTER gibt es Neues:
Aus gesundheitlichen Gründen muss leider Pastor Tobias Götting aus dem Redaktionsbeirat ausscheiden. Er wird aber als „privilegierter Autor“ – wie auch in dieser Ausgabe – weiter in den PASTORALBLÄTTERN mit gewohnt hervorragenden Beiträgen vertreten sein. Ihm gelten alle unsere guten Wünsche und Gebete.
Nach langem Überlegen bin ich mit dem Verlag übereingekommen, den „Horizont zu erweitern“ und zwei junge Mitarbeitende für den Redaktionsbeirat zu gewinnen; beide sind aus dem Predigtpreis für junge Pfarrerinnen und Pfarrer hervorgegangen.
Ich freue mich, Ihnen Frau Pfarrerin Nele Kaiser und Pastor Dr. Jan Holzendorf als neue Mitglieder im Redaktionsbeirat vorstellen zu können.
Ich freue mich über die Bereitschaft beider und erhoffe mir neben inhaltlichen Beiträgen eine große Unterstützung beim Verstehen der Erwartungen der jungen Generation in unseren Pfarrämtern. Auch hier gilt: Hinterm Horizont geht’s weiter …
Gerhard Engelsberger