Die Wochensprüche im April 2024

7. April 2024
Quasimodogeniti

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.

1. Petrus 1,3

Schlimme Überschwemmungen hatten in der Weihnachtszeit unser Land heimgesucht. Häuser beschädigt, Gärten zerstört. Menschen wurden evakuiert. Wenn man nun durch die Gärten geht, sieht man trotziges Gelb und fröhliches Rot. Manche Spuren der Überschwemmung sind noch nicht beseitigt. Aber gerade diese Spuren des Schlimmen lassen die Farben der Blumen noch leuchtender scheinen. Als sei uns die Kostbarkeit dieses Geschenks viel zulange verloren gewesen, es war ja alles so selbstverständlich. Nun nimmt man jeden Strauch, jede Blüte wahr, die in diesen Apriltagen vom neuerwachten Leben erzählen.
Muss das eigentlich immer so sein? Muss immer erst eine Überschwemmung kommen, ein Krieg, ein Unfall?
So besehen scheint es geradezu notwendig, dass in einem jährlich sich wiederholenden Drama die Kirchen mitten in die aufbrechende Freude der Natur hinein, mitten hinein in das Aufatmen der Menschen nach einem langen Winter noch einmal diese lange Passionszeit begehen. Die Passionszeit legt sich so quer, wo alles doch fröhlich sein will. Wo jeder das neuerwachte Leben atmen, mit Händen greifen kann. Da tragen die Kirchen vor der Zeit der Freude noch einmal Trauer.
Ich glaube, nur Freude, die sich der Gefährdung bewusst ist, überdauert. Nur Liebe, die auch mit dem eigenen Versagen rechnet, ist echt. Nur ein Glaube, der mit Leib und Seele begreift, auf wessen Kosten das Leben siegt, hält dem stand, was die Augen tagtäglich sehen, wenn sie bereit sind, zu sehen.
Quasimodo geniti, Christen sind wie Neugeborene. Dies verdanken sie dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi.
In der jüdischen Auslegung, im Midrasch, gibt es folgende Geschichte: „Ein König besaß einen Garten mit Weinstöcken, Feigen- und Granatapfel und anderen Früchten. Er beschloss, den Garten einem Pächter anzuvertrauen. Nach Jahren kam er an seinem Besitz vorbei. Alles war von Disteln und Unkraut überwuchert. Rasch entschlossen wollte er die Bäume umhauen lassen und brachte Holzfäller herbei. Doch da sah er zwischen den Disteln eine Lilie blühen. Er nahm sie an sich und roch ihren wunderbaren Duft. Sogleich war er versöhnt.“ (R. Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen, Bd. 2, S. 138)
Für uns Christen ist Christus die Lilie Gottes in unserem Unkrautgarten. Da gibt es mitten unter wilden und fruchtlosen Reben einen Weinstock, der Gottes Erwartung nicht enttäuscht. Wir werden Gott enttäuschen. Der Duft der Lilie und die Freude an diesem Weinstock wiegen mehr als unser durcheinandergeratenes Leben. Das Paradies ist nicht verschlossen, der Schlüssel nicht verloren. Der Garten Gottes ist bewohnbar, weil Gott seine Freude an diesem Weinstock hat.
Neugeburt ist nicht einfach noch einmal ein zweiter Versuch, nachdem der erste schiefgegangen ist: Osterfreude und Passionsgedächtnis sind eine Einheit. Die Neugeburt hat eine Vorgeschichte. So wie die abgeschnittene Lilie den ganzen Garten rettet, so rettet Jesus Christus, der sein Leben lässt, die Menschen.

14. April 2024
Miserikordias Domini

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.

Johannes 10,11.27.28

Der alte Mann heißt Daniel. Er lebt in einem afrikanischen Dorf. Daniel ist klug und weise. Die Leute schätzen das an ihm. Sie holen sich gerne Rat und Auskünfte bei ihm ein. – Eines Tages fragt ihn jemand: „Sag mal, Daniel, ob es Gott wohl gibt?“ – „Woran erkennst du, ob nachts ein Leopard um deine Hütte geschlichen ist?“ – „An den Spuren natürlich“, antwortet der Frager. – „Siehst du“, meint daraufhin der alte Daniel, „dass es Gott gibt, erkennst du an den Spuren in deinem Leben.“
Wenn wir uns da so sicher wären. Wenn wir so deutlich unterscheiden könnten zwischen Gottes Spuren und der Menschen Spuren, zwischen eigenem und fremdem, zwischen Jesus und meinen Wunschträumen!
Das scheint mir gerade ein Dilemma zu sein, dass so viele sich der Fährten nicht sicher sind. Der Fährten nicht und der Gefährten nicht.
Vereinzelt gehen wir in die Irre wie Schafe, jeder sieht auf seinen Weg. Auch die Kirche bedient immer mehr die Interessen einzelner; es will uns immer weniger gelingen, Menschen zusammen auf einen gemeinsamen Weg zu bringen. Die gemeinsamen Wege werden immer kürzer, damit auch die Chance, dass ich mich bei dem und jenem versichere, dass die „Himmelsrichtung“ noch stimmt; oder gegebenenfalls durch einen freundlichen Hinweis korrigiert werde.
Dabei ist der evangelische, der protestantische Weg schon an diesem Punkt richtig, dass der Einzelne gefragt und der Einzelne mündig ist.
Der Hirte, von dem wir reden, Jesus Christus, hinterlässt auch nicht eine immer breitere Spur, eine Menschenmasse, die ihm nachfolgt.
Er hat gepredigt und ist dann gegangen, hat in Selbständigkeit zurückgelassen.
Er hat geheilt und ist dann gegangen, hat in Gesundheit zurückgelassen.
Er hat aufgerichtet und ist dann gegangen, und hat Menschen zurückgelassen, denen er eigene Wege zugetraut hat.
Dieser Hirte trägt, heilt, richtet auf – und mutet uns dann zu, den eigenen Weg, der uns jetzt wieder ermöglicht ist, selbst zu gehen. Verspricht, uns bei Irrwegen nachzugehen und in Nächten bei uns zu sein.
Der evangelische Glaube ist anspruchsvoll. Ich kann mich nicht „vertreten“ lassen. Jesus Christus traut den Menschen, mutet den Menschen eine Menge zu. Evangelischer Glaube ist anspruchsvoll. Ist ganz anders als das religiöse Verständnis eines Sektenmitglieds.
Evangelische Kirche lebt von der Eigenverantwortung, vom Priestertum aller Gläubigen, von deiner und Ihrer Meinung, von deinen und Ihren Gaben. Eher vom kritischen Widerspruch als vom gefügigen „Ja“.
Und jeder von uns merkt, wie schnell der Weg zum Kreuzweg wird, wenn ich mich an der Lügenwelt nicht beteilige, wenn ich den Mund aufmache, wenn ich den Verstand gebrauche, wenn ich nicht nur meinen, sondern auch der anderen Weg sehe, wenn ich nicht konform bin mit dem Interesse der Geldgeber. Jeder von uns erlebt täglich solche Entscheidungssituationen.
Jesus nachfolgen heißt, jede dieser Entscheidungssituationen auch bewusst durchleben und mich nicht herumkriegen, mich nicht kaufen lassen.
Wer sich kaufen lässt, um anderen zu gefallen, fällt. Trägt das Kreuz nicht als Siegeszeichen, sondern als Demütigung.
Wer aufrecht geht, hat einen Horizont. Wer kriecht, hat den Horizont verloren.
Wer Jesus Christus nachfolgt, sieht in die Weite und feiert den Sieg des Lebens nicht nur an Ostern. Evangelisch sein, Christ sein ist nicht billig zu haben. Es ist teuer erkauft und verlangt ein mutiges Leben.

21. April 2024
Jubilate

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

2. Korinther 5,17

Ich fühle mich wie neugeboren! Sie kennen das Gefühl. Wie neugeboren!
Nein, nach langen Durststrecken und Besuchen im Totenreich meldet man sich nicht mit lauten Tönen ins Leben zurück. Gibt es keine Freudengesänge in Opernbesetzung. Eher zurückhaltend zeigt sich die Freude nach durchstandener langer Nacht. Eher noch misstrauisch schauen die müden Augen in das Licht. Zu vieles ist geschehen, als dass man auf einen Schlag alles vergessen könnte. Alle Verletzungen und Erniedrigungen.
Sie sitzt mir gegenüber und spricht nicht mehr. Schaut mich mit tiefliegenden Augen lange an. Sie hat mir die Torturen der letzten Jahre erzählt. Krankenhaus A, Krankenhaus B, Krankenhaus C. Arzt 1, Arzt 2, Arzt 3. So viele aufkeimende Hoffnungen, so viele zerschlagene Träume. Jetzt endlich scheint die Nacht überwunden. Aber noch längst ist sie nicht die Alte. Die Spuren werden bleiben, auch wenn man eines Tages ihrem wieder aufrechten Gang nicht mehr anmerken wird, wie tief unten sie war. Sie sitzt mir gegenüber und spricht nicht mehr. Es reicht zu einem „Gott sei Dank“. Zu einem langen, schweigenden Blick.
Du kannst die schlechten Erfahrungen nicht ausziehen wie einen Wintermantel im Frühling. Du wirst den Mantel vielleicht tragen bis in den Sommer. Du wirst die Narben vielleicht manchmal vergessen, für kurze Zeit, aber wenn du in den Spiegel schaust, trifft dich doch wieder der Schmerz. Vielleicht kürzer und weniger heftig. Aber dieser Schmerz gehört zu deinem Leben.
Nun gehe und lebe …
Geheilt entlassen? Mit guter Prognose entlassen? Mit gestundeter Schuld?
Paulus meint – und das gilt es lebensnah durchzubuchstabieren – auch nicht nur „von guten Mächten wunderbar geborgen“, sondern versöhnt und erlöst.

28. April 2024
Kantate

Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.

Psalm 98,1

Ab und zu dürfen Menschen in Visionen, in Offenbarungen oder Träumen, Gottes Herrlichkeit begegnen in einer „Welt, die einen Schritt weiter ist als die Welt jetzt“. Und wenn sie davon erzählen, dann wird das missverständlich.
Auf dem Sterbebett erzählt der Bauer Ambros Diem dem Seelsorger Fridolin Stier von solchen Erfahrungen:
„Weißt Du, wenn ich daran denke: Sommerfrühe, Sense auf dem Buckel, Mostkrug in der Hand, hinaus, Sonne, glitzernder Tau im Gras, singende Vögel, Himmel und Wald … Und denn sagt er: ,do hätt‘ i denn grad juzga kenna!‘ Und: ,Do hon e gmerkt, dass do no ebbes ischt.‘“
Do hätt i denn grad juzga kenne. Juzga – jauchzen. Mitten im beschwerlichen Alltag – juzga, jauchzen vor Freude über die maßlose Fülle des Schönen, das Gott uns schenkt. „Do hon e gmerkt, dass do no ebbes ischt.“
Das ist noch kein christlicher Glaube, ich weiß. Da ist noch nicht die Rede von dem, was Gott dieses Geschenk gekostet hat.
Von Anbeginn der Welt ist da eine Kraft, die Widerrede hält gegen dieses Jauchzen, die die Freude verdirbt und Geschöpf gegen Geschöpf aufbringt. Die Bibel erzählt eine Fortsetzungsgeschichte dieses Widerstandes gegen Gott, gegen das Schöne. Und die Bibel erzählt auch, dass Gott seinen Sohn gibt. Sie erzählt auch vom Leiden Gottes an dieser Welt, von Kampf und Überwindung und spärlichem Missionserfolg.
Die Sonntage, die wir in diesen Wochen feiern, – Jubilate, Kantate – laden uns ein, nun nicht immer wieder neu bei Null oder bei Minus zu beginnen. Ostern ist geschehen. Christus ist auferstanden.
Wunderbar die Musik. Sie erreicht über die Ohren die Tiefe unseres Lebens. Gott ist zu mir unterwegs. Heilen will er mich. Das ist nach meiner Erfahrung nur in Klängen möglich, die Dissonanzen aufheben. Da bleibt eigentlich nicht mehr, als dass ich ja sage. Menschen, denen es geschenkt ist, Musik machen zu dürfen, sind deshalb einen Schritt weiter. Immer wieder „durchklingt“, „durchheilt“ sie dieses Glücksgefühl.
Es ist eine Erfahrung der letzten Jahre, dass die Kirchenmusik bei Konzerten in volle Kirchen führt. Leider „klingen“ die Predigten und Gebete ansonsten weniger „herzlich“ und „einladend“.
Und wenn uns das bliebe? Die Lieder und die Kirchenmusik? Dann lasst uns nicht mosern, sondern mit offenem Herzen hören. Gott schenkt uns einen Klang, der sich gehört! Es müssen nicht Worte sein, die aufrichten. Die Mutter hat auch am Krankenbett des Kindes, das nicht einschlafen wollte, gesungen.
„HERR, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz. Ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind. Ja, ich ließ meine Seele still und ruhig werden; wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.“ (Psalm 131,1–3)

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