4. August 2024
10. Sonntag nach Trinitatis:
Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!
Psalm 33,12
Unverhofft kommt oftmals oft. Auch beim Erben. Will ich das Erbe antreten? Oder sollte ich das Erbe ausschlagen? Eine Frage mit emotioneller Relevanz nach einem Verlust und in der Trauer und auch von strategischer und ökonomischer Bedeutung. Welche Chance und Risiken sind damit jeweils verbunden. Auf was lasse ich mich ein, wenn ich annehme oder ablehne? Menschlich wie finanziell. Dazu muss ich mich verhalten. Ich muss es durchdenken und versuchen auch emotional durchzuspielen, welche Folgen und Konsequenzen es haben könnte.
Allerdings spricht der Beter hier von dem „großem Los“ für das Volk, das Gott ausgesucht und ausgewählt hat. Also kein anrüchiges oder problematisches Erbe. Keine Hinterlassenschaft, für die ich mich zu schämen bräuchte.
Aber: Ich trete in die Erbfolge ein: Mit allen Konsequenzen. Mit „Haut und Haaren“ nennt man dies wohl.
Bei dem Erbe, von Gott ausgewählt zu sein, handelt es sich um ein Privileg, eine Ehre, ein Geschenk. Wohl um keine Auszeichnung, die ich mir verdient habe aufgrund meines Verhaltens.
Die Geschichte des Gottesvolkes ist eine bewegte Geschichte im Auf und Ab der Nähe und der Treue des Einzelnen und des Volkes zu Gott. Aus freien Stücken, in großer Freimut bietet Gott seine Partnerschaft und seine Nähe an. Herrlich und verdient.
Unverhofft kommt dies und eröffnet eine neue Sichtweise auf die Gegenwart und Hoffnung für die Zukunft. Unverhofft werde ich aufgenommen in diese Erbengemeinschaft, in die Kette, die seit Generationen uns miteinander verbindet. In den Generationenvertrag, den Gott vor Jahrhunderten beschlossen und geschlossen hat. Mit allen Konsequenzen. Eine herrliche Hinterlassenschaft. Ein grandioses Privileg verbunden mit einer riesigen Verantwortung, dem Anspruch gerecht zu werden und den Geber nicht zu enttäuschen.
11. August 2024
11. Sonntag nach Trinitatis:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
1. Petrus 5,5
Auf der Höhe der Zeit zu sein. Up to date, was brauche ich dafür? Erreichbarkeit rund um die Uhr? Umfassende Bildung? Einen stabilen Wertekompass? Durchsetzungsvermögen? oder oder.
Vielleicht hilft ein Blick zurück: Die drei Sterndeuter aus dem Orient sind aufgebrochen, sind einem Stern, einer Hoffnung gefolgt. Haben Grenzen überwunden und fanden das Ersehnte in der Ärmlichkeit des Stalles von Bethlehem. Und dann knien sie nieder, um anzubeten. Niederknien bedeutet also nicht das Gesicht oder die Würde zu verlieren, sondern im Gegenteil: Ich zeige Rückgrat und Profil. Ich bin mutig und nicht unterwürfig.
Die mir von meinem Schöpfer verliehene Würde ist unantastbar. Und auch das Grundgesetz betont: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Der Personenkern ist unbedingt zu schützen gegen Übergriffe jeglicher Art von außerhalb.
Damit ich mit erhobenem Haupt und mit Rückgrat durch Leben schreiten kann, ist eine große Portion Weisheit, Mut und Demut hilfreich, um nicht wie der Kaiser in H.C. Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ verlacht und bloßgestellt zu werden.
Die Sterndeuter waren weise, sie brachen auf.
Die Sterndeuter waren weise, sie beugten sich vor dem Kind.
Zu dieser Weisheit braucht es Mut, sowohl zum Aufbruch als auch zum Niederknieen.
18. August 2024
12. Sonntag nach Trinitatis:
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Jesaja 42,3
Ein paradoxes Bild: Das Beschädigte und das Kleine und Unscheinbare soll Bestand haben. Nicht der Zerstörung preisgegeben werden und auch nicht „das Licht ausgeblasen bekommen“. So kann wohl nur Gott sprechen und handeln: Tröstlich und tröstend; aufbauend und ermutigend; konstruktiv und nicht destruktiv.
Zerstörerisches gibt es genügend und viele Trümmer und Torsen sind zu beobachten. Vielleicht haben ja auch Fragmente ihren Reiz. Das Unvollendete regt meine Phantasie an, wie das Ganze wohl ausschauen könnte. Die Erneuerung nach einer Katastrophe ist das bestimmende Thema des zweiten Teils des Prophetenbuches. Hoffnungsbilder für die Gegenwart und Zukunft. Resilienz für die Gegenwart.
Phantasie für jenes, was werden und entstehen könnte, gerade aus den Trümmern.
„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“ so klang es vor vielen Jahrzehnten.
Mut zum Anpacken und dabei nicht zu „verzagen, uns fröhlich plagen und unsere Steine tragen aufs Baugerüst“ (N. Zinzendorf, EG 254,1). „Die Liebe wird uns leiten, den Weg bereiten und mit den Augen deuten auf mancherlei“ (EG 254,2) und dabei zufrieden sein und den Weg in Frieden und mit Liebe zu gehen. Getragen und motiviert von Gottes Verheißung, dass das offensichtlich Zerstörte und Verwundete, das Kleine und Unscheinbare in Gottes Augen eine Zukunft hat. Herrliche Aussichten für das Torso, weil Gott handelt. Der Gott, der Bund und Treue hält ewiglich und das Werk seiner Hände nicht fahren lässt.
25. August 2024
13. Sonntag nach Trinitatis:
Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Matthäus 25,40
„Wege nach Innen“ und „Wege nach Außen“ gehören zusammen.
Davon spricht der Wochenspruch und viele Literaten haben dies getan.
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, so hat es schon Erich Kästner formuliert. Auch der Dichterfürst J.W. von Goethe hat es schon in Worte gefasst: „Es genügt nicht zu wissen - man muss es auch wollen. Es genügt nicht zu wollen, man muss es auch tun!“
Das biblische Motiv: Dass das Tun dem Wort folgt. Dass das Handeln zum Reden passen muss, scheint eine allgemeine und damit verbreitete Sichtweise zu sein. Es geht um einen gelebten Glauben. Meine Überzeugungen wollen Gestalt annehmen im Tun und auch im Lassen. Glaube mit Hand und Fuß.
Die Verinnerlichung, die Durchdringung der biblischen Botschaft in mein Denken, Reden und Tun. Aber nicht nur Verinnerlichung, sondern auch danach handeln. Der Glaube zieht eine Entsprechung im Agieren nach sich: „Die Wege nach außen“.
Sowohl der Wochenspruch wie auch die Zitate zielen auf diese Entsprechung ab. Es scheint wohl einen Missstand oder ein Missverständnis dabei gegeben zu haben und wohl auch noch immer zu geben, dass Christenmenschen nicht gemäß der biblischen Botschaft handeln, die sie im Munde führen. Es geht damit um Kern um unsere Glaubwürdigkeit, um meine Erkennbarkeit als Nachfolger Christi. Um erkennbar und profiliert zu leben.
Verinnerlicht kann man als hörbereites Herz begreifen, welches sich ansprechen und berühren lässt. Und aus dem Angesprochen-Sein folgt das Handeln.
Vielleicht ja auch so – wie es wieder ein Schriftsteller schrieb: „Fühle mit allem Leid der Welt, aber richte deine Kräfte nicht dorthin wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du helfen kannst, den du lieben und erfreuen kannst.“ (Hermann Hesse).
Es gilt: „Wege nach Innen“ und „Wege nach Außen“ zu beschreiten, um mich nicht selbst zu richten oder gerichtet zu werden, sondern aktiv und glaubwürdig zu sein.