7. Juli 2024
6. Sonntag nach Trinitatis
So spricht der HERR, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
Jesaja 43,1
Seit einiger Zeit schreibe ich an meiner Ahnentafel. Inzwischen habe ich die Namen von über 1000 Menschen herausgefunden. Zu einigen habe ich Geschichten erzählt bekommen, aber bei den meisten weiß ich nur den Namen, Geburtstag und Todestag. Manchmal sitze ich nachdenklich vor diesen Daten: wenn ich sehe, dass in einer Familie im 19. Jahrhundert 7 von 9 Kindern ganz klein gestorben sind. Oder wenn bei manchen Männernamen dabeisteht, in welchem Krieg dieser Mann umgekommen ist.
Über 1000 Menschen, die zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten gelebt haben. Über 1000 Menschenschicksale. Von vielen ist den eigenen Nachfahren nichts mehr bekannt.
Manchmal lese ich in der Zeitung auf den Todesanzeigen Sätze wie: „Tot ist nur, wer vergessen ist. Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, ist nicht tot.“ Aber ich merke, das Gedächtnis unserer Lieben dauert höchstens drei oder vier Generationen. Und dann?
In der Bibel heißt es, dass Gott jeden Menschen kennt und beim Namen gerufen hat. Das kleine Kind, das im 19. Jahrhundert nur ein paar Tage alt geworden ist, den jungen Mann, der mit 18 in irgendeinem Krieg gefallen ist, die alte Dame, die jahrelang bettlägerig war. Und mich auch.
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!“ Manche Eltern suchen ihrem Kind diesen Bibelvers als Taufspruch aus. Sie finden diese Botschaft wichtig: Gott kennt dich. Er kennt deinen Namen, deine Lebensgeschichte und wer du bist. Für ihn bist du wichtig – egal ob du im Leben eine wichtige Rolle spielst oder eher unauffällig im Hintergrund bleibst. Und egal, wie lange sich Menschen noch Geschichten von dir erzählen.
Bei Menschen gerate ich früher oder später in Vergessenheit. Aber in Gottes Gedächtnis bin ich für immer und ewig. In seinem Gedächtnis und in seinem Herzen. Niemand muss Gott erklären, wer ich bin. Heute nicht und in 200 Jahren auch nicht. Er hat mich bei meinem Namen gerufen. Und wenn ich sterbe, ruft er mich wieder bei meinem Namen.
14. Juli 2024
7. Sonntag nach Trinitatis
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Epheser 2,19
Wer schonmal umgezogen ist, weiß: Damit ich am neuen Ort bald heimisch werden kann, braucht es dort Menschen, die mich freundlich aufnehmen. Der Epheserbrief ist an Leute geschrieben, die solche Erfahrungen kannten. Die einen wussten, wie das ist, fremd zu sein. Die anderen wussten, wie das ist, wenn Fremde kommen und gerne dazugehören möchten. Die einen, die anderen – das sind die Judenchristen und die Heidenchristen. Die Judenchristen sind Menschen, die (wie der Name schon sagt) im jüdischen Glauben, in der jüdischen Tradition großgeworden waren, bevor sie zum christlichen Glauben fanden. Und die Heidenchristen waren ursprünglich in einem „heidnischen“ Glauben groß geworden.
Bei den Judenchristen gab es Leute, die sagten: Wir waren zuerst da. Wir sind also die Hausherren. Die, die hier in der Gemeinde neu dazukommen, die müssen sich nach uns richten.
Und bei den Heidenchristen gab es Leute, die fanden: Die mit ihren Traditionen, die sind schon sehr von gestern. Wir sind die Zukunft. Die anderen sollten sich nach uns richten.
Die beiden Gruppen waren einander ziemlich fremd, obwohl sie beide getauft waren, beide zur christlichen Gemeinde gehörten. Der Epheserbrief redet beiden ins Gewissen. Natürlich seid ihr unterschiedlich. Aber denkt ihr bitte daran, dass ihr beide zu Gott gehört? Er ist der Gastgeber. Nicht ihr. Er ist der Hausherr, nicht ihr. „Ihr seid Gottes Hausgenossen!“ Ihr gehört zu seiner Familie. Da ziehen nicht die einen bei den anderen ein, sondern ihr seid allesamt bei ihm eingezogen.
In Gottes Haus wohnen wir nicht allein. Da geht es dank unserer verschiedenen Prägungen und Auffassungen ziemlich bunt zu. Das ist wunderbar und manchmal anstrengend.
Aber wir sind allesamt Gott willkommen. Darum sollen wir auch andere willkommen heißen und einander annehmen, wie Christus uns angenommen hat. Damit wir gemeinsam erleben: Wir sind „nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“
21. Juli 2024
8. Sonntag nach Trinitatis
Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Epheser 5,8b-9
Wir erleben Licht und Schatten. Auch bei uns selbst. Wie soll das dann gehen, „als Kinder des Lichts“ zu leben?
Ich denke, es fängt mit einer Entdeckung an. Wir sind Kinder des Lichts. Gottes geliebte Kinder. Eigentlich nichts Neues. Das wird jedem Christenmenschen bei seiner Taufe gesagt: „Du bist Gottes geliebtes Kind.“ Punkt. Das bist du nicht auf Bewährung und nur, wenn du bestimmte Aufgaben überzeugend löst und irgendwelchen Erwartungen entsprichst, die andere an dich haben oder die du selbst an dich hast.
Wir sind Kinder des Lichts. Und dementsprechend sollen wir leben.
„Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“
Das sind große Worte. Aber ich hab schon eine kleine Ahnung, was ich mir darunter vorstellen kann.
Ein Mensch, der gütig ist.
Ein Mensch, der gerecht ist und sich für Gerechtigkeit in der Welt einsetzt.
Ein aufrichtiger Mensch: Für den ist nicht das Wichtigste, sich anderen immer im besten Licht zu zeigen. Er hat vielmehr den Mut, sich und andere im Licht Gottes zu sehen.
Der Wochenspruch gibt uns für diese Woche eine Aufgabe. „Wandelt als Kinder des Lichts.“ Das setzt voraus: Wir können uns dafür entscheiden, so zu leben, oder es bleiben lassen. Es gibt in meinem Verhalten kaum etwas, was einfach so passiert. Wenn ich etwas tue, kann ich etwas dafür. Und dann zu sagen „Ich kann nichts dafür“, stimmt einfach nicht. Natürlich kann ich Entscheidungen treffen. Ich kann auch entscheiden, nach welchen Maßstäben ich leben will und nach welchen nicht.
„Kinder des Lichts“ sind keine perfekten Menschen. Sie haben Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen. Und sie haben echt schlechte Tage. Sie sind nicht selbst das Licht. Sie empfangen es und lassen es durch sich durchscheinen.
Ab und zu brauchen sie’s, dass sie jemand erinnert: Ihr seid Gottes geliebte Kinder. Kinder des Lichts. Lebt entsprechend.
28. Juli 2024
9. Sonntag nach Trinitatis
Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern.
Lukas 12,48
Nein, es nicht egal, wie wir leben. Dafür ist unser Leben zu wichtig. Und dafür hat uns Gott zu viel anvertraut. Manchen Menschen wird ja von klein auf eingeredet: „Du bist nichts. Du kannst nichts.“ Manche flüstern sich so etwas in dunklen Momenten auch selbst ein.
Von wegen, heißt es im Wochenspruch. Gott hat so viel in dein Leben hineingelegt. Er hat dich beschenkt. Er hat dir etwas mitgegeben. Er hat dir etwas anvertraut.
Dein Leben, deine Zeit, Menschen um dich herum, die Natur, deine Begabungen auch. Und dieser Dreiklang von Glaube, Liebe, Hoffnung. Was für ein Reichtum. Was für ein Segen.
Nimm das wahr, was dir da anvertraut ist. Staune darüber, schau genau hin und freu dich darüber. Und lass es nicht in der Ecke vergammeln, bitte nicht. Dein Leben ist so etwas Kostbares. Du selbst bis so wertvoll. Gott zumindest schaut so auf dein Leben. Du bist etwas Besonderes. Du mitsamt dem, was dir anvertraut ist.
Spannend ist nicht, ob du Wahnsinns-Erfolge einfährst, herausragende Leistung bringst, arbeitest bis zum Umfallen und andere in den Schatten stellst. Spannend ist, ob du anfängst, etwas von diesem Reichtum auszusäen, den Gott in dein Leben gelegt hat. Für die Menschen zum Segen, für Gott zur Ehre. Du selbst hast bestimmt auch etwas davon, wenn da etwas aufblüht in deinem Leben.
Und wer weiß: Vielleicht werden andere Leute dadurch aufmerksam auf den Reichtum, den Segen, den es in ihrem eigenen Leben zu entdecken gibt. Wie gut, wenn wir einander auf das Besondere, Gute aufmerksam machen, was wir beim anderen entdecken. Genörgelt und schlecht geredet wird genug. Sich mitfreuen, was einem anderen Menschen gegeben ist, und ihm helfen, das zu entdecken, das wäre mal was anderes. So könnten wir einander ermutigen, diesen Segen mit anderen zu teilen und ihn auszusäen. Unsre Gesellschaft könnte das gut gebrauchen!