Regelmäßig zum Jahreswechsel schlägt die Stunde der Horoskope.
In Tageszeitungen, Klatschmagazinen oder auch auf einschlägigen Internetseiten erfährt die gespannte Leserschaft, was sie im neuen Jahr erwartet, sei es in Sachen Beruf, Gesundheit oder Liebe. Laut aktuellen Umfragen studiert etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ein Jahreshoroskop.
Vielleicht gehören Sie ja auch dazu. In diesem Falle befinden Sie sich in prominenter Gesellschaft. Denn auch der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel glaubte an den Einfluss der Sterne. Die Astrologie war und ist also höchst populär, obwohl bei genauerer Überlegung eine gesunde Skepsis durchaus angebracht erscheint. Denn die Horoskope stimmten vor über zweitausend Jahren, als die Babylonier den Tierkreis in zwölf Teile unterteilten, exakt mit der Position der Sonne überein. Etwas später gab Ptolemäus den Sternbildern, so wie wir sie heute kennen, die Namen jener mythologischen Figuren und Tiere.
Seither hat die Erde jedoch aufgrund der Richtungsänderung ihrer Achse ein Zwölftel einer vollen Kreiselbewegung zurückgelegt. Dadurch hat sich die Übereinstimmung des Tierkreises mit der Position der Sonne gegenüber den Sternbildern um einen Monat nach hinten verschoben. Ein Skorpion ist also gegenwärtig faktisch eine Waage, ein Krebs ein Zwilling.
Insofern ist es mehr als zweifelhaft, ob sich tatsächlich vom Sternzeichen her auf den Charakter und das Schicksal einer Person schließen lässt.
Dennoch werden auch in Zukunft zahllose Menschen darauf achten, was für sie in den Sternen steht, nicht anders, als dies schon vor Jahrtausenden zu biblischen Zeiten der Fall war.
Damit bin ich bei der neutestamentlichen Erzählung aus dem Matthäusevangelium, die dem heutigen Epiphaniasfest zugrunde liegt. Denn in ihr sind Astrologen die Protagonisten.
Die kirchliche Tradition hat aus ihnen Könige gemacht, aber das waren sie nicht. Im griechischen Urtext werden sie magoi, also Magier genannt. Darunter verstand man in damaliger Zeit eben nichts anderes als Sterndeuter. Gelehrte Männer also, die die Sterne für sich als Wegweiser zu nutzen verstanden, im wörtlichen und im übertragenen Sinne.
Nach heutigen Berechnungen war es wohl eine seltene Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, die den Magiern als großer Stern erschien und sie zu ihrer Reise nach Judäa motivierte.
Ob es wirklich genau drei Magier gewesen sind, wie gemeinhin behauptet wird, ist ganz ungewiss. Vielleicht waren es auch fünf oder zehn. Die Dreizahl wurde aus den drei Geschenken geschlossen, die das neugeborene Jesuskind empfing: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Weil das besonders edle Gaben waren, darum hat man die Reisenden aus dem Morgenland im Laufe der Tradition zu Königen hochstilisiert.
Und man gab ihnen Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Darum ziehen noch heute kurz nach dem Jahreswechsel vielerorts Kinder in königlichen Gewändern durch die Straßen und überbringen den Segen, indem sie die Buchstaben C, M und B über die Haustüren schreiben. Dabei stehen diese Buchstaben allerdings weniger für die Namen der Könige als für den lateinischen Segensspruch: Christus mansionem benedicat – Christus segne dieses Haus.
Damit genug der Vorbemerkungen. Lassen wir nun die alte Geschichte für sich selbst sprechen! Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes wunderschön und hat nicht zufällig in den vergangenen zweitausend Jahren immer wieder die Fantasie von Literaten und Künstlern angeregt.
(Lesung Matthäus 2,1–12)
Bei dieser Erzählung gerate ich unwillkürlich ins Träumen. Sehe im Geiste die prächtigen Pilger auf ihren geschmückten Kamelen vom Orient her heranreiten. Bestaune den leuchtenden Stern am nächtlichen Firmament, der die Geburt des neuen Königs ankündigt. Bewundere die kostbaren Schätze, die dem neugeborenen Kind dargebracht werden. Wirklich sagenhaft, das alles. Aber es wäre abwegig, in der märchenhaft anmutenden Geschichte nichts weiter zu sehen als nur eine anrührende Legende für romantisch veranlagte Gemüter.
Denn die raue und mitunter auch grausame Realität der Welt wird in der Erzählung keineswegs ausgeblendet. Diese Realität verkörpert der König Herodes. Nach dem Urteil von Historikern war er wohl tatsächlich so gemein und hinterhältig, wie der Evangelist Matthäus ihn schildert. In den fast vierzig Jahren seiner Regentschaft ließ er nicht nur eine seiner Ehefrauen umbringen, insgesamt hatte er zehn, sondern auch drei seiner Söhne, um seine Herrschaft abzusichern.
Auch sonst war er alles andere als zimperlich in der Wahl seiner Mittel und griff zu Gewalt, Lüge und Korruption, wo immer es ihm nützlich erschien. Herodes war geradezu der Inbegriff eines gewissenlosen Tyrannen von Roms Gnaden und dementsprechend im jüdischen Volk gleichermaßen gefürchtet wie gehasst und verachtet.
In der biblischen Erzählung sieht er sich nun unvermutet einer neuen Gefahr für seinen Thron gegenüber. Die Nachricht von der Geburt des neuen jüdischen Königs versetzt den Despoten sogleich in Panik. Er horcht die Magier aus, konsultiert seine Ratgeber und agiert nach gewohnter Manier mit Raffinesse und Tücke. Und als er sich am Ende selbst getäuscht und hintergangen fühlt, da scheut er nach dem Bericht des Evangelisten Matthäus nicht einmal vor einem Blutbad an Kleinkindern in und um Bethlehem zurück. Eben ein Scheusal ersten Ranges, dieser König Herodes. Das war er mit Sicherheit, auch wenn es den Kindermord nach Ansicht von Wissenschaftlern möglicherweise gar nicht gegeben hat. Denn außerhalb des Matthäusevangeliums ist davon in den Annalen aus jener Zeit nirgends die Rede, nicht einmal beim jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der sonst kaum ein gutes Haar an dem Tyrannen lässt. Und so liegt die Vermutung nahe, dass Matthäus die Geschichte selbst ersonnen hat, um Jesu Schicksal dem des Mose nachzuzeichnen, der bekanntlich ebenfalls als Säugling auf königlichen Befehl hin getötet werden sollte.
Wie auch immer, jedenfalls steht Herodes in einer Reihe mit skrupellosen Gewaltherrschern, wie sie im Laufe der Menschheitsgeschichte leider immer wieder aufgetreten sind und wie es sie auch heute noch gibt, von Dschingis Khan bis Iwan dem Schrecklichen, von Hitler bis Stalin, von Putin bis Kim Jong Un.
Und auch das hat sich bis heute nicht geändert, dass Kinder unter der Schreckensherrschaft solcher Despoten besonders zu leiden haben, zumal sie in ihrer Wehr- und Hilflosigkeit ohnehin extrem gefährdet und verletzlich sind.
Dementsprechend ist auch Jesus bereits unmittelbar nach seiner Geburt durch die Nachstellungen des Herodes an Leib und Leben bedroht. Und es bedarf schon eines Traums, der die Magier warnt, und zusätzlich der Entschlossenheit und Tatkraft seiner Eltern, damit er der Verfolgung durch den Tyrannen entkommt.
Eine ganz andere Einstellung als der machtbesessene Herodes verkörpern die Magier. Sie machen sich nicht groß, sondern klein. Sie beugen ihre Knie vor dem neugeborenen Kind in der armseligen Hütte. Klammern sich nicht an ihren Reichtum, sondern öffnen ihre Schätze, um das Kind zu beschenken. Beten nicht sich selbst an, sondern das Kind und in diesem Kind den König der Welt. Sie sind insofern tatsächlich weise, als es ihnen nicht zuerst um sich selbst geht.
Darum können sie auch etwas empfinden, was dem König Herodes in seinem blinden Eifer völlig abgeht: innige, aus dem Herzen kommende Freude. Freude über das große Geschenk, das Gott der Welt mit dem Kind von Bethlehem macht. Freude über den Stern, dessen herrliche Verheißung sich in diesem Kind erfüllt. Und mit dieser Freude, diesem Licht im Herzen kehren sie dann wieder in ihre Heimat, in ihren Alltag zurück.
Auch für viele von uns beginnt in den nächsten Tagen wieder der Alltag. Und da tun wir gut daran, wie die Magier das Licht von Bethlehem im Herzen mitzunehmen. Ja, die Welt ist oft dunkel, unruhig und zerrissen. Und auch in unserem Leben gibt es immer wieder die großen und kleinen Sorgen.
Vor diesem Hintergrund habe ich mir zum Neuen Jahr etwas Konkretes vorgenommen, um das Licht in meinem Leben zu bewahren, für andere und für mich selbst. Und zwar schreibe ich an jedem Abend drei Dinge auf, für die ich an diesem Tag dankbar sein kann. Vom 1. bis zum 5. Januar waren es immerhin schon 15 verschiedene Dinge. Heute Abend werden wieder drei hinzukommen.
Das ist meine Art, im Licht zu leben. Und ganz im Sinne dessen, was Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt hat: „Da wird es hell in unserem Leben, wo man für das Kleinste danken lernt.“ Dass auch Sie im Licht stehen und bleiben, das wünsche ich Ihnen zum heutigen Epiphaniasfest und für alle kommenden Tage in diesem neuen Jahr.
Tagesgebet:
Treuer Gott, in deinem Sohn hast du der ganzen Welt das Licht des Lebens geschenkt.
Dieses Licht ist stärker als alle Dunkelheit dieser Welt, als Leid und Sorge, Angst und Not.
Lass uns auch in dieser Feierstunde deine Nähe spüren.
Erhelle unsere Herzen durch die Gewissheit deiner Gegenwart.
Belebe uns mit deinem guten Geist und segne unser Beten, Singen und Hören.
Durch Christus, unseren Herrn, der mit dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit.
Gebet mit Fürbitten:
Lebendiger Gott, den Weisen aus dem Morgenland ist der Stern erschienen und hat sie zum Ort des Heils geführt.
Auch heute leben wir von deinem Licht und deiner Zuwendung. Darum bitten wir dich:
Zeige dich den Menschen, die von dir nichts mehr erhoffen und erwarten.
Tröste diejenigen, die mutlos und verzweifelt sind. (Herr, erhöre uns.)
Richte die auf, die sich abgehängt fühlen und denen oft das Nötigste zum Leben fehlt. Nimm dich derer an, die mit sich und den Aufgaben ihres Alltags nicht zurechtkommen. (Herr, erhöre uns.).
Stärke die Menschen, die unter der Last und den Sorgen ihres Lebens zu zerbrechen drohen.
Sei besonders bei denen, die unter dem Eindruck von Krieg und Gewalt leben müssen. (Herr, erhöre uns.)
Schenke den Kranken Heilung, den Trauernden Trost und den Sterbenden die Gewissheit deiner Nähe.
Erneuere in uns immer wieder neu das Vertrauen in deine Kraft und Hilfe. (Herr, erhöre uns.)
Guter Gott, du warst unsere Hoffnung im alten Jahr, und du sollst sie auch im neuen sein. Denn von dir kommen wir her, und auf dich gehen wir zu – jetzt und in alle Ewigkeit.
Psalmvorschlag: Psalm 72,1–3.10–12.17b-19
Lesungen: Jesaja 60,1–6; Epheser 3,1–7
Liedvorschläge:
EG 52 (Wißsst ihr noch, wie es geschehen)
EG 66 (Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude)
EG 70 (Wie schön leuchtet der Morgenstern)
EG 71,1–3.6 (O König aller Ehren)
EG 72 (O Jesu Christe, wahres Licht)