Impuls FamiliengottesdienstWenn das Licht über die Dunkelheit siegt

Gedanken zu Märchen im Familiengottesdienst

„Es war einmal“ …
eine alte Hexe, eine böse Stiefmutter …
Sie vergiftete Schneewittchen, verfluchte Dornröschen, drangsalierte Aschenputtel und die Stieftochter im Märchen von Frau Holle. Doch immer gab es ein Happy End!
Märchen sind wie Träume. Sie entführen uns in eine ganz besondere Welt, voller Zauber und Wunder, mit überraschenden Wendungen, irritierenden und zugleich faszinierenden Bildern.
Und immer wieder tun sich neue Türen auf. Die Märchen der beiden Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm sind einfach eine „märchenhafte Bereicherung“.

In Märchen, wie auch in der Bibel, stecken uralte und antike Mythologien und Symbole, die uns seit Menschengedenken begleiten. Märchen, wie auch die biblischen Geschichten, bieten uns Orientierung, helfen, mit den Ängsten des Lebens umzugehen, spenden Trost und Zuversicht, vermitteln uns Vertrauen in das Gute auf dieser Welt. Selbst, wenn uns die Bilder aus den Märchen heute oft nicht präsent sind, so haben wir sie doch seit Kindheitstagen nicht vergessen.

Wenn Sie an „Frau Holle“ denken, wie sie ihr Bett ausschüttelt, so rieseln bestimmt, bei Einigen von Ihnen, leise ein paar Schneeflocken vor Ihrem geistigen Auge herab. „Frau Holle“ ist ein ganz besonderes Märchen.
Es erzählt von der Welt, der Sonne und dem Mond. Vom Wandel der Jahreszeiten, vom Diesseits und Jenseits. Und letztlich vom Sieg der Gerechtigkeit.

Eine Stiefmutter – eine Entsprechung für die Welt – hatte zwei Töchter. Davon war eine schön und fleißig – das Sonnenmädchen. Die andere hässlich und faul – das Mondmädchen. Sie hatte aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber. Und die andere musste alle Arbeit tun und das Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen musste sich täglich auf die Straße bei einem Brunnen setzen und so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang und die Spule ganz blutig war. Sie wollte sie abwaschen; doch sie sprang ihr aus der Hand und fiel in den Brunnen.

Der Brunnen ist ein Symbol für die Quelle des Lebens. Der Brunnen steht für Jugend, Frische und Erneuerung. Im Christlichen ist es ein Symbol für die Taufe auf den Namen Jesus Christus. So erinnert uns der Brunnen immer wieder daran, sich zu fragen, aus welcher Quelle wir im Leben schöpfen, leben und uns beleben lassen.
Zurück zum Märchen: Die Stiefmutter schalt mit dem Mädchen und befahl ihr unbarmherzig: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder hinauf!“ In seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung. Und als es erwachte und wieder zu sich kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen.
Sie kam zu einem Backofen, der rief ihr zu: „Ach zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenne ich: ich bin schon längst ausgebacken.“ Das Mädchen nahm sie mit dem Brotschieber heraus.
Sie ging weiter und kam zu einem Apfelbaum, der ihr zurief: „Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.“ Sie schüttelte den Baum, die Äpfel fielen, als regneten sie, und sie schüttelte, bis kein Apfel mehr oben war.
Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau.
Weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihr angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihr nach: „Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir. Wenn du alle Arbeiten im Hause ordentlich tun willst, so soll dir’s gutgehen. Du musst nur achtgeben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.“ Das Mädchen blieb bei ihr, besorgte alles zur größten Zufriedenheit von Frau Holle, und sie hatte ein gutes Leben, ohne je ein böses Wort zu hören. Doch eines Tages merkte das Mädchen, dass es Heimweh plagte. Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, dass du wieder nach Hause verlangst. Und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen zum großen Tor.“
Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihr hängen, so dass sie über und über davon bedeckt war.
Sie kam nach Hause und ward, weil es so mit Gold bedeckt ankam, von ihrer Stiefmutter und Schwester gut aufgenommen.
Da wollte die Mutter ihrer hässlichen und faulen Tochter gerne das gleiche Glück verschaffen. Sie wies sie an, den gleichen Weg zu gehen wie ihre Schwester, das Sonnenmädchen, das nun zur Goldmarie geworden. Doch das ging gründlich schief! Das Mondmädchen befolgte kaum eine der Weisungen von Frau Holle. Sie zeigte sich lieblos und ohne Achtsamkeit. Und als Lohn für ihre Dienste wurde über ihr – statt des erhofften Goldes – ein großer Kessel Pech ausgeschüttet. Das Pech aber blieb fest an Pechmarie hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen. Soweit das Märchen.

Goldmarie tat auf Erden alles, was in ihrer Kraft stand. Doch wie fleißig sie auch immer war, wie sehr sie sich auch mühte, welche Demütigungen sie auch aushielt, die ersehnte Anerkennung der Stiefmutter, der äußeren Welt, bekommt sie nicht. Das Sonnenmädchen verlässt aus Angst und Verzweiflung die äußere Welt durch den Brunnen. Gleich der Sonne, die im Westen untergeht.
Es wird Nacht, es wird ein heißer Spätsommer, das Brot ist gebacken.
Es wird Herbst, die Äpfel sind reif.
Es wird Winter, und es schneit.
Erst im Frühling kehrt das Sonnenmädchen verwandelt wieder in die sichtbare Welt zurück.

Immer wieder ist der Brunnen ein Ort, an dem sich ein Wandel vollzieht. Ein Neubeginn. So ist der Brunnen oft ein Ort der Taufe und der Entscheidung, der einen Zugang in eine neue Welt ermöglicht. So lassen wir die Erwartungen der Welt zurück. Wir bekennen, dass wir in der Welt oft nicht die Anerkennung und Gerechtigkeit erleben, nach der wir uns sehnen und die uns guttut, auch wenn wir uns noch so sehr anstrengen. Die innere, unsichtbare Welt ist es, die uns nährt. Die uns lehrt, dass alle vermeintlichen Wichtigkeiten in unserer materiellen Welt am Ende nichts wert sind. Vielmehr ist es das Vertrauen, der Glaube und die Liebe, die unser Leben wertvoll machen.
Im Märchen ist es das „unterirdische Paradies von Frau Holle“, das dem Sonnenmädchen die Augen für eine tiefgründige Liebe und Güte geöffnet hat. So wurde das Sonnenmädchen zur Goldmarie.
Sie ist so schön, wie die aufgehende, goldene Sonne, die aus sich selbst heraus strahlt.
Das Mondmädchen hingegen leuchtet nicht von selbst. Es braucht, wie der Mond, das Licht der Sonne, um zu scheinen. Mit anderen Worten:
Das Licht, die Liebe siegt über die Dunkelheit, über die Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Mag es oft ungerecht und grausam auf dieser Welt zugehen, am Ende siegt das Licht, die Gerechtigkeit. So ist die Taufe für Jede und Jeden von uns immer ein besonderes Geschenk. Sie schenkt einen Zugang zu dieser göttlichen Welt, voller Liebe und Güte geschenkt. Im Märchen zur Welt der Frau Holle. So werden wir zu Sonnenkindern berufen. Berufen, selbst Licht der Welt zu sein und auf Jesus Christus, unsere innere Sonne, zu vertrauen.

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