Der Monatsspruch im März 2025

Monatsspruch März 2025: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken!“

(Leviticus 19,33)

„Wo kommen Sie her?“, frage ich den gepflegt aussehenden jungen Mann an der Bushaltestelle an der Flüchtlingsunterkunft Nenndorfer Chaussee 9, wo ich einmal in der Woche einen Besuch mache. „Aus Syrien“, ist die Antwort. „Und wo wohnen Sie jetzt?“ „In Hildesheim“. „Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?“ „Mit meiner Handy-App“, sagt er. „Gehen Sie bald in den Deutschkurs?“ „In 10 Monaten“. „Erst in 10 Monaten“, denke ich: „Muss das so lange dauern?“ Wir steigen in den Bus. Bevor ich aussteige, kommt er zu mir und fragt: „Kann ich deine Telefonnummer haben? Ich habe niemanden, der mit mir Deutsch spricht.“ Unsere Wege trennen sich, ich muss aussteigen. Wie leicht es ist, Gutes zu tun; es kostet fast nichts außer Zeit und die Bereitschaft, sich Menschen mit anderer Muttersprache zu öffnen.
Ich selbst arbeite im Flüchtlingsnetzwerk des Kirchenkreises Hannover und des Diakonischen Werks und für das Landeskirchenamt mit Christen aus dem Iran. Es geht um liebevolle und freundliche Zuwendung zu Menschen anderer Kultur und Sprache, die voller Hoffnung zu uns kommen. Viele Gemeinden machen mit, betreiben blau-gelbe Treffpunkte, Sprachkurse, diakonische Notfallhilfe, Kirchenasyl. Kirchengemeinden haben besondere Chancen. Sie haben Räume, die gefüllt werden können, mit Begegnungen, mit Gottesdiensten in anderen oder mehreren Sprachen. Viele Menschen suchen nach sinnvollen Aufgaben und machen mit.
Ich gehe einmal in der Woche auf die Messe in Hannover in die Erstaufnahme der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Es kommen einfach zu viele Flüchtlinge, um alles in den bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen zu bewältigen: Menschen aus Ruanda-Burundi, Kolumbien, Syrien, der Türkei, dem Irak, Iran und Afghanistan. Ein aus Schweden ausgewiesener Afghane erzählt mir von seiner permanenten Arbeitsstelle, seiner Wohnung. Seine Geschichte macht mich fassungslos. Warum musste der gehen, der Integration bewältigt hatte? Hier werden Fremdlinge bedrückt – oder?
Ja, natürlich verstehen manche den Weg nach Europa als Weg in die soziale Hängematte. Natürlich muss Einwanderung kontrolliert und gesteuert werden.
Aber ich treffe viel mehr solche, die die deutsche Sprache lernen, eine Ausbildung machen und arbeiten wollen. Vielen fehlen Informationen über das deutsche und europäische Asylrecht und -system. Asyl beantragen heißt zunächst einmal Warten – monate-, oder auch jahrelang: im Wesentlichen Nichtstun, wohnen in offenen Bauzaungevierten ohne Privatsphäre mit 10 Betten. Die Mitarbeitenden in den verschiedenen Diensten vor Ort tun, was sie können. Aber die grundsätzliche Misere können sie nicht beheben. Unsere Flüchtlingspolitik ist in den Parolen von Abschreckung, qualifizierter Einwanderung, Abschiebung illegaler Einwanderer gefangen. Dabei gibt es viel Arbeit für Ungelernte, viele unbesetzte Lehrstellen für benötigte Fachkräfte, viele freie Jobs. Junge, kräftige Menschen bekommen keine gute Integrationshilfe. Böse gesagt: Wir erziehen uns Menschen, die in Deutschland nicht ankommen werden, weil sie die entscheidenden Jahre verschlafen mussten. Unprofessionelle Asylpolitik, Bestrafen der Willigen – auch das ist Bedrückung der Fremdlinge.
An einem Nachmittag auf der Messe sammelt sich eine Schar junger Männer aus Syrien um mich, um elementare Deutschkenntnisse zu wiederholen. Einer will provozieren und fragt: „Wann kann ich den Satz zu einem Mädchen sagen: Ich liebe dich?“ Gespannt wartet er auf meine Antwort. Ich sage: „Du musst warten. Sie wird es dir zeigen.“ Er übersetzt für seine Altersgenossen. Alle nicken. Eine Mitarbeiterin des ASB fällt ein: „Liebe hat mit Respekt zu tun. Man muss miteinander sprechen, sich zuhören.“ Er übersetzt wieder, alle nicken. Schließlich sagt einer auf Arabisch: „nahnu kullu anas. Wir sind alle Menschen.“ Ja, wir sind alle Menschen – ganz gleich, welche Hautfarbe, welche Muttersprache oder Religion wir haben. Keiner von uns hat sich seine Eltern, seine Hautfarbe, seinen Geburtsort ausgesucht. Bedrückung passt nicht.
Jesus, der Menschen- und Gottessohn, meint mit Glauben nichts als das Eingeständnis, mit leeren Händen dazustehen, um sie sich von woandersher füllen zu lassen: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Aber er erzählt auch das Gleichnis vom Senfkorn, aus dem ein großer Baum wächst, ermutigt zu Glauben, Liebe und Hoffnung, die Berge versetzen können auch in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft.

Anzeige: Unsagbare Worte. Trauma, Poesie und die Suche nach Gott. Von Annette Buschmann und Andreas Stahl

Die Pastoralblätter im Abo

Gottesdienste komplett und fundiert vorbereiten.

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt gratis testen