Sonntag Estomihi, 2.3.2025
Lukas 18,31: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“
„Was muss, das muss“, sagt man gern. „Aber warum?“, mögen die Freunde Jesu gefragt haben. „In Jerusalem hast du viele Feinde. Dort ist es zu gefährlich für dich. Und das, was in der Tora über den Menschensohn steht, ist sehr beunruhigend. Er muss viel leiden! Warum bleiben wir nicht hier auf dem Land und verhalten uns unauffälliger? Du kannst weiter Menschen heilen und ihnen erzählen, was du über Gott weißt. Warum jetzt etwas ändern und alles in Gefahr bringen?“ „Was muss, das muss.“
Dreimal im Evangelium gibt es sogenannte Leidensankündigungen: Jesus erklärt den Jüngern, dass sich das Ende seines Lebens nähert und dass sie dem jetzt gemeinsam entgegensehen müssen. Es muss sein, denn so wird erfüllt, was die Prophezeiungen sagen. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Gott einen Plan hat. Nichts geschieht ohne Grund. Geschichte ist nicht Zufall, sondern Heilsgeschichte. Ich finde diese Vorstellung beruhigend, gerade wenn Dinge geschehen, die ich nicht verstehe und die mir wehtun. Dass vielleicht ein tieferer Sinn dahintersteckt. Da muss ich jetzt durch, aber es ist vielleicht für etwas gut …
Auf der anderen Seite gibt es aber auch ganz andere Geschichten in der Bibel. Geschichten, die davon erzählen, dass Gott es sich manchmal anders überlegt. Zum Beispiel, als er entscheidet, nie wieder eine Sintflut zu schicken. Oder als er sein Volk aus Ägypten führt, weil ihn das Leid der Menschen anrührt. Beide Bilder stehen nebeneinander: Gott als einer, der auf uns reagiert und eingeht, und Gott, der einen guten Plan für uns hat, zu dem auch manches Leid gehört. Vielleicht ist einfach beides wahr?
Sonntag Invokavit, 9.3.2025
1. Johannes 3,8b: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
An den Teufel glaubst du nicht? Aber können wir uns darauf einigen, dass manche Menschen die Hölle auf Erden erleben? Menschen fügen einander schlimme Dinge zu. Mit Worten und Taten und mit Tatenlosigkeit. Ich werde keine Beispiele aufzählen. Schlag die Zeitung auf! Und nicht nur das, denk an das, was andere dir getan haben! Wie gemein die Kinder in der siebten Klasse waren. Die Herzlosigkeit deiner Eltern. Der erste Mensch, der dir das verliebte Herz brach … Kleinigkeiten in deinem Fall? Dann again: Schlag die Zeitung auf! Höllische Verhältnisse, Werke des Teufels, strukturelle Ungerechtigkeit, Welthunger … – nenn es, wie du willst. Breaking News: Gott und sein Sohn sind dagegen! „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Wenn du bisweilen in die Kirche gehst, wirst du hoffentlich immer wieder hören, dass Gott uns liebt. Auch wenn wir schlechte Dinge tun, auch wenn wir das mit der heilen Welt nicht auf die Reihe kriegen. Du wirst hören, dass Jesus gestorben ist und dass darum unsere Sünden vor Gott nicht mehr zählen. Er liebt uns, so wie wir sind. ABER – in Großbuchstaben – und das hatten die Leute, denen vor langer Zeit dieser Satz geschrieben wurde, offenbar vergessen, und wir vergessen es wohl auch immer wieder: ABER der Kampf gegen das Böse geht weiter.
Wenn du Glück hast und Eltern hast, die dir vermitteln, „Wir lieben dich so, wie du bist“, ist das ja kein Freifahrtschein dafür, möglichst ätzend zu sein. Nein! Es ist die Grundlage dafür, möglichst gut zu leben und täglich besser zu werden und im Zweifelsfall auch wieder von vorn anzufangen. Scheitern ist erlaubt. Aber wie langweilig wäre es, es gar nicht erst zu versuchen. Du bist geliebt, egal was! Auch wenn du es halt nicht besser kannst mit dem guten Leben. Aber wenn du es kannst, dann tu es auch! Denn der Sohn Gottes ist nicht erschienen, damit alles bleibt, wie es ist, sondern um die Werke des Teufels zu zerstören.
Sonntag Reminiszere, 16.3.2025
Römer 5,8: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“
Wofür wäre ich bereit zu sterben? Wir hören manchmal von Menschen, die andere retten und dafür ihr Leben aufs Spiel setzen. Selbst, wenn sie sie gar nicht kennen. Heldenhaft. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Eher nicht. Auf der anderen Seite ist es so, dass jedes Leben mit dem Tod endet. Und wenn ich eines Tages sterbe, sind die Dinge, die ich zwischen Geburt und Tod getan habe, die Dinge, für die ich mein Leben gegeben habe.
Die Frage, wofür ich zu sterben bereit bin und die Frage, wofür ich lebe, hängen zusammen. Jesus Christus hat für uns gelebt und ist für uns gestorben. Unter Menschen ist es ja oft so: Wenn einer uns was schenkt, wollen wir schnell was zurückschenken. Damit wir nichts schuldig bleiben. Mit Gott ist es so nicht. Wir haben nichts, was wir ihm zurückgeben könnten. Gott sagt: „Ist schon okay. Du musst nichts tun. Mach dich locker. Dieses Leben ist ein Geschenk.“
Wir halten ein Geschenk in Händen. Was machen wir damit? Was ist mir wirklich wichtig? Wofür bin ich bereit, meine Zeit, meine Kraft, mein Leben zu geben? Angenommen, ich habe das Glück, 80 Jahre zu leben: Wie viele Stunden werde ich am Ende gearbeitet, ferngesehen, genetflixt haben? Wie viele Sonnenuntergänge werde ich gesehen, wie viele Sternschnuppen gezählt haben? Wie viel Kraft werde ich verwendet haben, um anderen zu gefallen und wie viel darauf, herauszufinden, was mir gefällt? Am Ende sollten die guten Dinge überwiegen. Die Wahres-Leben-Dinge. Und das, was Gott von Anfang an gewollt hat und was uns Jesus Christus vorgemacht hat: mehr Liebe!
Sonntag Okuli, 23.3.2025
Lukas 9,62: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Jesus zog nicht allein durchs Land. Hier und da fand er Menschen, die ihn begleiteten. Zwei Fischer sprach er an, mit ihm zu kommen, und sie ließen alles stehen und liegen und kamen mit. Nicht immer ging das so problemlos. Einer wollte mitkommen und Jesus erklärte ihm erst mal, wie hart das Leben auf diesem Weg werden würde, ohne sichere Unterkunft, immer auf der Reise, ohne Ruhe. Einen anderen wollte Jesus gern mitnehmen, aber sein Vater war gerade gestorben, und er wollte ihn noch begraben. Jesus gab ihm keinen Aufschub. Dann war da einer, der wollte gern mit, aber er wollte sich zuerst noch von seiner Familie verabschieden, und zu dem sagte Jesus diesen Satz: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Ich finde den Satz sehr hart und habe mich schon oft darüber geärgert: Es ist doch wichtig, auch mal zurückzublicken! „Never forget, where you’re coming from …“ Aus der eigenen Geschichte und den Fehlern zu lernen. Aber wahrscheinlich ist der Spruch gar nicht so gemeint. Wahrscheinlich richtet er sich nur gegen Aufschieberitis. Ich kenne das von vielen guten Vorsätzen: Ab morgen ernähre ich mich gesund. (Aber jetzt nochmal ein Stück Torte.) Ab morgen meditiere ich täglich. (Aber heute nochmal Netflix-Marathon …)
Ich habe vor einiger Zeit in einem TED-Talk gehört, dass es lebensverändernd ist, dem ersten guten Impuls zu folgen. So wie beim Aufwachen: einfach aufstehen. Wenn ich erst anfange zu überlegen, ob es denn so schlimm wäre, noch fünf Minuten liegen zu bleiben, bin ich schon verloren … Hat irgendwas mit Gehirnchemie zu tun. Und es fühlt sich so gut an, wenn man tatsächlich direkt aufgestanden ist und den Tag so begonnen hat, wie man es sich vorgenommen hat. Vielleicht geht es also darum: das Reich Gottes, die Nachfolge Jesu nicht aufschieben. Einfach jetzt machen. In diesem Moment.
Sonntag Lätare, 30.3.2025
Johannes 12,24: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Eine Sommernacht in der Provinz. Straße zwischen Weizenfeldern. Wir sind so fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Bushaltestelle, Zigaretten, Rum-Cola. Wenn wir in der Ferne ein Auto hören, legen wir uns auf die Straße. Der Asphalt ist noch warm. „Wer als Letztes aufsteht, hat gewonnen!“ Über uns die Sterne. „Werdet wie die Kinder“, hat Jesus bei anderer Gelegenheit gesagt, und mit dem Wochenspruch kommt es mir so vor, als würde er sagen: „Werdet wie Jugendliche!“ Er sagt nämlich: „Wem sein Leben über alles geht, der verliert es. Aber wer sein Leben in dieser Welt nicht für das Wichtigste hält, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“
Damals in dieser Sommernacht sind wir alle rechtzeitig von der Straße aufgestanden. Keinem ist etwas passiert. Wir waren vielleicht waghalsig, wild und verwirrt. Unser Leben war uns nicht so wichtig. Aber wir waren auch voller Überzeugungen. Wir wussten, was falsch und was richtig war. Wir hatten bunte Haare, Löcher in den Hosen und eine große Klappe, aber wir haben uns dabei für Gerechtigkeit eingesetzt, für Toleranz und Liebe. Später erst kamen die Erwachsenen-Sätze: „Es ist kompliziert.“ „Daran kann man nichts machen.“ „Da mussten wir alle durch.“ „Du kannst nicht jeden retten.“ Sätze, die zementieren, was ist und Veränderung verhindern. Sätze, die wirken wie Weizenkörner, die irgendwo rumliegen: nichts passiert.
Als wir jung waren, waren wir anders. Wir haben uns selbst immer wieder neu erfunden, haben uns ausprobiert, haben zugelassen, dass die Person, die wir gestern noch waren, heute nicht mehr existiert. Manchmal muss etwas kaputt gehen, damit etwas Neues entstehen kann. Weizenkörner, die in die Erde fallen, sich auflösen, zu etwas anderem werden. Etwas wächst. Jesus hat sein Leben für uns gegeben. Nicht, damit wir uns an das klammern, was wir haben, sondern damit wir auf das hinleben, was sein könnte. Damit wir ins Reich Gottes hineinwachsen. Egal, wie alt wir sind.