Auferstehung ist eine Bewegung

Liebe Leserinnen und Leser der Pastoralblätter,

am frühen Ostertag klingt er noch ganz leise,
der Gesang der Auferstehung.
Ein Raunen, eine einzelne Stimme: Christ ist erstanden von der Marter alle.
Unter dem Eindruck allen Erlebens erhebt sie sich sanft, die Stimme,
als Melodie in einem Menschen.
Kaum zu hören, ein Flüstern am Grab.
Ein erschrockenes Murmeln am weggerückten Stein, nicht mehr.
Der kurze spitze Ausruf von Überraschung.
Die Wiederholung eines ruhigen Wortes aus berufenem Engelsmund.
Leise.
Ein Hauch, ein Rascheln in den Blättern:
Des sollen wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Ob neben Maria, ob in einer winterkalten Kirche am Beginn dieses Morgens:
Die Ahnung einer Lebensmelodie sucht sich da leise ihre Bahn,
seit uralter Zeit berührt und bewegt sie, wen sie erreicht;
lässt Herzen hüpfen, bald Füße eilen,
bringt Licht in Köpfe, den Funken Sehnsucht in dunkelste Gänge,
öffnet irgendwann Hände, Gedanken und Kerker.
Doch eins nach dem andern.
Das Halleluja will ja geübt sein
unter dem Eindruck allen Erlebens.
Leise.
Das ist der Beginn: Die Auferstehung bewegt ein Herz.
So erhebt sich die Lebensmelodie, und dann kommt Bewegung ins Erleben.
Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.
Mit dem Anbruch des Morgens kommt Bewegung ins Erleben.

Lauter wird der Gesang mit der Ankunft des jungen Tages.
Mit jedem neuen Lichtstrahl wächst die Zuversicht.
Die Tonleiter des Osterrufs wächst bald zum Himmel.
Schon misst der Auferstehungsruf erste Räume aus,
wandert steile Wiesen hinauf,
wirft sich als Halleluja von den Bergen ins Tal, bricht sich an den Wänden,
lässt dort verträumt dem Echo nachlauschen. Hall-e-lu-ja-ja-ja.
Das Ja zum Leben weckt auf, tanzt unter dem Fenster
und vor dreifach verriegelter Tür.
Öffnet Fels und Tor, atmet Tiefe und Freiheit,
das Osterlicht öffnet Sinn und Blick.

Eben noch ein Gärtner, eben noch ein Fremder vor Augen,
komm herein, Freund, es will schon wieder Abend werden.
Brot und Wein, Augen gehen auf und über.
Der Auferstandene bewegt sich, berührt, bringt in Bewegung.
Nun los, zu den anderen.
Halleluja, ein anderes Wort für Auf geht’s!
Auferstehung ist eine Bewegung.

Aus allen Winkeln, in alle Himmelsrichtungen,
hoch oben und ganz unten, von nebenan und weither
bewegt sich Auferstehung.
Im Himmel,
in der biblischen Geschichte,
in den alten Osterliedern im Gesangbuch,
im Zulassen und Ausrufen bewegt sie sich weiter:
Der Herr ist auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.

Die Bewegung von oben setzt ganz unten ein.
Im tiefsten Erleben.
Nimmt das Leben mit, wie es ist.
Nimmt das Leben vom Kreuz und aus dem Grab, aus der Nacht,
aus dem Bett des Schweigens.
Die Auferstehung als Bewegung
nimmt Fahrt auf durch Menschen, durch unzählige Leben,
durch Jahrtausende.
Ist Christus nicht auferweckt worden,
so ist unsre Predigt vergeblich,
so ist auch euer Glaube vergeblich.
Paulus fasst das Wesentliche für sich zusammen,
fasst sich ein Herz,
schürzt seinen Rock und geht unbeirrt los,
bewegt sich und andere,
bleibt in der Bewegung.

Die Auferstehung bewegt Einstellungen, verrückt
Felsen, Vorgefasstes, versteinerte Erfahrung.
Verrückt:
Die Welt ist mir ein Lachen.
Die Trübsal trübt mir nicht,
das Unglück ist mein Glück,
die Nacht mein Sonnenblick,
Paul Gerhard tanzt durch die Trauer,
bleibt in Bewegung mit sich und seinem Herz:
Auf, auf mein Herz mit Freuden!

Liederdichter und Prediger nachfolgender Jahrhunderte
treten bei so viel verrückter Freude auf die Bremse,
heben die Auferstehung
in den Himmel zurück,
als ferne Aussicht in die Spur der bestehenden Ordnung
und bringen das Herz auf Linie: Warte nur,
im Jenseits wirst du für das Diesseits getröstet.
Warte nur. Das Diesseits lass, wie es ist.
Füge dich in deinen Stand.
Wir sind nicht von dieser Welt.
Jesus lebt! Nun ist der Tod mir der Eingang in das Leben.

Doch dieses Leben ist das einzige Leben, das uns bewegt,
melden sich Menschen im 20. Jahrhundert zu Wort
wagen wieder den Widerspruch im Angesicht des Todes
und nehmen den Fuß von der Bremse,
suchen die Bewegung Auferstehung hier unten im Leben,
stellen sich an die Seite der Schwachen
und stehen auf im Namen des Auferstandenen.
Die Auferstehung bekommt die schönen
Lateinamerikanischen Gesänge einer Freiheitsbewegung.
Ernesto Cardenal schreibt am Evangelium für die Bauer von Solentiname
und predigt die Auferstehung für die Völker.
Der Hauch am Grab des Ostermorgens
ist auch eine Bewegung, die die Welt mitnimmt.
Und ich, weit weg von Solentiname
leihe mir Jahrzehnte später den Gesang einer Hiphop-Band:
Wenn du dich nicht bewegst, bewegt sich nichts.

Mein prüfender Blick aus der Postmoderne erfährt:
Auferstehung war immer Bewegung. Bleibt immer Bewegung.
Wird immer Bewegung sein.

Ich wünsche mir zu Ostern Predigten in unseren Kirchen,
die bewegen wollen wie ihr Beweggrund: Die Auferstehung.
Die bewegend erzählen von dem, was sie bewegt.
Und die es noch wagen, unverschämte Hoffnungen auf das Leben
zu singen,
aus einem fahrenden Zug in ein Gebiet voller Schranken gerufen,
oder aus dem Fenster des Nachbarwagens
im Stau herübergereicht mit Brot und Wein.
Ostergedanken, die ihre Botschaften weit hinter die Frontlinien werfen,
und sich selbst schützend vor die Schutzlosen stellen.
Die als stille Post weitergeflüstert werden an Gräbern
und einfach nur summen, wenn die Worte fehlen.
Auferstehung war und ist und bleibt eine
Bewegung.

***

Sie finden in dieser Ausgabe der Pastoralblätter bewegende Beiträge zur Passionswoche und Osterzeit, eine Predigt, die nach der Auferstehung bei Dietrich Bonhoeffer fragt, eine Alternativpredigt zur Fastenaktion „7 Wochen ohne Panik“, einen Ausblick auf den Kirchentag in Hannover und viele weitere interessante Bausteine, die hier und da ihr Plätzlein in Ihrer täglichen Arbeit finden werden.

Bleiben Sie fröhlich in Bewegung!
Von Herzen frohe Ostern

wünschen Ihnen Ihre Redaktion der Pastoralblätter
und Ihr Jochen Lenz (Schriftleiter)

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