Judika, 6.4.2025
Matthäus 20,28: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.
Bedient zu werden, kann schön sein. Andere Menschen tun etwas für mich. Ich bedanke mich dafür und ernte dabei ein dankbares Lächeln. Die Menschen, die mich bedienen, sind nicht meine Bediensteten, sie übernehmen eine Aufgabe für mich, und sie freuen sich über ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung. Ich selbst will nicht nur Dienste in Anspruch nehmen, ich käme mir sonst als ausbeuterisch und wie ein Sklavenhalter vor – ich oben, du unten, ich der Herr, du mein Diener. Nein, ich möchte danken, wenn mir andere gute Dienste erwiesen haben.
Dienen hat viele Gesichter. Gute Dienste geschehen auf Augenhöhe, nicht von unten nach oben. Sich ganz in den Dienst für andere zu stellen, zeichnet insbesondere Jesus von Nazareth aus. Jesus nennt sich im Wochenspruch „Menschensohn“, ich höre ihn damit zu mir sagen: Ich bin ein Mensch wie du, ich gehöre zu dir, wir gehören zusammen zur großen weltweiten Familie der Söhne und Töchter, Schwestern und Brüder. Sagt der Menschensohn und Bruder damit nicht auch etwas über die Bestimmung eines jeden Menschen aus, zu dienen und jederzeit dienstbereit zu sein, und dies als Töchter und Söhne Gottes? Mich dem Menschen, dem ich heute begegne, zuzuwenden, ohne mich aufzudrängen, aufmerksam und „in Bereitschaft“ zu sein. Ich weiß, dass mir dies nicht immer gelingt, vielleicht öfters misslingt, und ich durch mein Verhalten irritiere. Das unterscheidet mich nun doch von dem Menschensohn Jesus. Denn seine Hingabe für seine Schwestern und Brüder bedeutet ihm so viel, dass er sogar sein Leben für sie hingibt, weil ihm ihre Erlösung, ihre Befreiung von allem, was sie ängstet und bindet, am Herzen liegt. Jesus ist der Dienende, der „Diakon“ (so das entsprechende griechische Wort) par excellence. An ihm, dem Menschen- und Gottessohn, will ich mich orientieren, von ihm will ich an jedem Tag dieser Woche lernen.
Palmarum,13.4.2025
Johannes 3,14.15: Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Du kennst wie ich Höhen und Tiefen im Leben. Ich will zuweilen persönlich und beruflich hoch hinaus, habe Pläne, Träume, Ziele vor Augen. Ich will mehr, fordere Höchstleistungen von mir und überfordere mich dabei leicht. Wer kennt nicht solche gescheiterten Höhenflüge und Luftschlösser. Vielleicht brauchen wir sie, auch die schmerzliche Erfahrung des Nicht-Erreichbaren und Scheiterns. Muss ich besser auf meine Grenzen achten, auf das Menschenmögliche und menschlich Erreichbare? Trotz Irrwegen und Rückschlägen will ich nicht aufgeben, will nicht auf der Stelle treten, will weitergehen, lernen. Mir fällt ein Ausspruch Martin Luthers ein: „Ans Ziel kommt nur, wer eines hat“. „Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden“ (EG 346). „Die Seligkeit zu finden“, prägt das unser Lebensziel? Ich verbinde mit dem biblischen Wort so etwas wie erfülltes, wahres Leben und denke dabei an die „Seligpreisungen“ Jesu: „Selig sind …“ / „Glücklich sind …“ (so die Bedeutung des griechischen Worts „makarios“).
Ist es Jesu Blick in die Höhe, der seine Worte und sein Handeln bestimmt, in die Höhe zu Gott, die ihn auch die Tiefen menschlichen Lebens sehen lassen? „Höhen, Tiefen, sie sind sein“, heißt es in einem Lied, sie gehören zu unserem Leben, und Jesus lehrt mich, beides zusammenzusehen: „Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ Dieser Ausspruch setzt seine anfängliche Erniedrigung voraus. Jesu Weg führte in die menschlichen Niederungen. Keine Not, kein Leid, keine Anfeindung und Verachtung waren ihm fremd. Er erniedrigte sich selbst (Philipper 2,8), ließ sich erniedrigen und zuletzt niedermachen dort am Schandpfahl des Kreuzes, an dem Verbrecher mit dem Tod bestraft wurden. Es wurde wahr – österliches Geheimnis: Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden (Hesekiel 21,31; Matthäus 18,4; 23,12). Umkehrung der Verhältnisse. Geheimnis des Glaubens und Lebens. Einweisung in das eigentliche, wahre Leben. Jesus, der Menschensohn, ganz Mensch, in ihm ist Gott mit uns, Immanuel (Jesaja 7,14).
Osterfest, 20.4.2025
Offenbarung 1,18: Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Tod und Leben, Vergänglichkeit und Ewigkeit bestimmen unsere Existenz, bewegen sie und halten sie in Atem. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir (Gott)“, betet der Kirchenvater Augustinus. Ich spüre in seinen Worten eine heilsame Unruhe, kein ungutes Getriebensein und zielloses Herumirren. Die Ruhe, die er ersehnt, gleicht dem Ankommen am Ziel als letzte Erfüllung und Geborgenheit, dorthin führen meine Wege. Als innerer Antrieb gehören Suchen und Fragen zum Leben, eine kreative Unruhe, die mich nicht festhält. Ich muss, ich darf weitergehen, neue Wege, Neuland erkunden. „Es ist noch eine Ruhe vorhanden“, sie steht noch aus (Hebräer 4,9). Dieser Ausblick gibt meinem Leben einen ganz anderen Blick auf meine Irrwege, Leiderfahrungen und meine Angst vor dem unausweichlichen Tod. Der Seher Johannes stellt uns Jesus Christus vor Augen, der über unser irdisches Leben hinausschaut. Denn Jesus starb, war tot, und er hat den Tod überwunden, ist lebendig, hat sogar „die Schlüssel des Todes und der Hölle“. Der Auferstandene legt Johannes die Hand auf und ruft – wie einst seinen Jüngern auf dem stürmenden See (Johannes 6,20) – aus der Ewigkeit in die Todeswelt das „Fürchte dich nicht“ (Offenbarung 1,17) hinein. Den todbringenden und lebensfeindlichen Mächten sind die Schlüssel aus der Hand gerissen. Jetzt hat Christus, der Leben bringende und dem Leben liebevoll zugewandte Messias, die Schlüsselgewalt. Die Türen zu den Todeswelten sind verriegelt, die Tür zum Leben ist aufgetan (Offenbarung 3,8). Der Auferstandene legt Johannes ans Herz, aufzuschreiben, was er gesehen hat (Offenbarung 1,19). Seither ist es „festgeschrieben“, damit es gelesen und gehört wird, immer wieder, jeden Tag neu, und wir uns einstimmen auf das österliche Leben.
Quasimodogeniti, 27.4.2025
1 Petrus 1,3: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
Hoffnung, Zuspruch, Ermutigung sind die Melodie des Gotteslobs, mit der uns der Wochenspruch auf ein Leben im Glauben an Gott einstimmen möchte. Durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten sind wir wie wiedergeboren, von Neuem belebt zu hoffnungsfrohen Menschen – „wie die neugeborenen Kinder“, sagt der Sonntagsname „Quasimodogeniti“. „Zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren“ – was ist das für eine Hoffnung? „Darum seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi“, hören wir im 1. Petrusbrief (1,13).
Nüchternheit und Hoffnung, ist das nicht eine ganz widersprüchliche Verbindung? Mir gefällt diese Kombination. Ich höre daraus, zur christlichen Hoffnung gehört die Nüchternheit, nicht der Rausch. Christlicher Glaube ist keine Droge. Christen sehen die Welt nüchtern, wie sie ist. Es muss nichts beschönigt werden.
Schauen wir auf die Gemeinden, die die ersten Empfänger des Ersten Petrusbriefs waren. Der Verfasser möchte sie an die Bedeutung der Taufe erinnern: Sie ist Gabe und Geschenk Gottes, unsichtbare Gnade im sichtbaren Zeichen des Wassers. Im Wasser geht unter, stirbt ab, was dich von Gott trennt; aus dem Wasser (aus der Taufe) wirst du herausgehoben, du lebst auf und dein Leben bekommt eine neue Ausrichtung in der Kraft der österlichen Hoffnung.
Seither gilt: Dein Leben hat einen Sinn. Es ist gut, dass du da bist und dass die Anderen da sind. Ohne diesen von Gott gegebenen Sinn leben wir Menschen aneinander und an unserer menschlichen Bestimmung vorbei. Ein Leben im Glauben, in Hoffnung und Liebe beginnt.
Im Hebräerbrief (10,23) finde ich Worte, in denen die Melodie der Hoffnung des Ersten Petrusbriefs weitergetragen wird: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn Gott ist treu, der sie verheißen hat.“ Und in Psalm 40,5 hören wir: „Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf Gott.“