Jungfrauengeburt

Jungfrauengeburt bezeichnet in der Religionsgeschichte nicht wie in der Biologie die Entstehung eines Foetus aus einer Eizelle ohne Samen („Parthenogenese“; dass sie jemals beim Menschen vorkam, ist nicht bewiesen), sondern die Geburt eines Menschen aus der Verbindung eines Gottes mit einer Frau.

Von entsprechenden Mythologien, deren Einfluss auf das NT ebenfalls nicht bewiesen ist, unterscheidet sich der christliche Glaube an die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria fundamental. Die Kindheitserzählungen Mt 1, 18–25 u. Lk 1, 26–38 verarbeiten älteres, auf Jerusalem als Ursprung zurückweisendes Material, das seinerseits nur einem kleinen Kreis bekannt gewesen sein muss (vgl. die Meinung, Josef sei der Vater Jesu, Mt 13, 55; Lk 3, 23). Sie stellen die Empfängnis Jesu als Schöpferhandeln Gottes durch sein heiliges Pneuma und ohne Zutun Josefs dar, so dass das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes zu Recht besteht, ohne dass Gott als biologischer Vater verstanden wäre. Das Interesse der Erzählungen gilt eindeutig dem Geheimnis der Herkunft und der Würde Jesu (christologisch) und nicht dem „privaten“ Wunder bei Maria (biographisch).

Die altkirchliche Tradition hat, von den Ausnahmen des 3Adoptianismus und begrenzter christlich-gnostischer Auffassungen abgesehen, die Jungfrauengeburt im Sinn der gottgewirkten Empfängnis Jesu durch die Jungfrau Maria ununterbrochen gelehrt; die Jungfrauengeburt gehört von Anfang an zum Bestand der Glaubensbekenntnisse und wurde auch von den Reformatoren festgehalten.

In der ostkirchlichen Tradition führte die Ausweitung der Überzeugung von der Jungfräulichkeit Marias über die Geburt hinaus zu der Formulierung von der „immerwährenden Jungfrau“ („aeiparthenos“), die nach dem apokryphen „Protoevangelium des Jakobus“ aus dem 2. Jh. drastisch „nachgewiesen“ wurde. Hier tritt der Unterschied des biologischen und biographischen Interesses gegenüber dem christologischen Bekenntnis, dass in Jesus zugleich ein neuer Mittler durch Gottes Selbstmitteilung geschaffen und die Vergangenheit in Gestalt der jüdischen Jungfrau Maria rettend aufgenommen wurde, deutlich zutage.

Sonderfragen: Die Jes 7, 14 LXX erwähnte Empfängnis und Geburt durch eine „Jungfrau“ ist keine Vorausverkündigung der Jungfrauengeburt; der hebräische Text und Kontext, baldige Empfängnis und Geburt durch eine „junge Frau“ als Verheißung an den König, sind für das Verständnis entscheidend.

Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder

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