Dieser Ruf betraf Frauen (Mk 15, 41; Lk 8, 1 ff.) und Männer (vgl. auch Sendung, Naherwartung). Unter dem Eindruck der Konsequenz, mit der Jesus selber lebte, wurde die Nachfolge Jesu als Bereitschaft, auch das Kreuz auf sich zu nehmen, verstanden (Lk 14, 27 par.; Mk 8, 34 par.).
In der frühen Kirche, besonders im Mönchtum, entstand die Auffassung, die Nachfolge Jesu werde in der Nachahmung seines asketischen Lebensstils und vor allem im Martyrium verwirklicht (Weltflucht). Im Mittelalter galten Wallfahrten und ein Leben in Armut und Demut (Franz von Assisi †1226) als besondere Ausprägungen der Nachfolge Jesu (Selbstverleugnung). Diese Linie wurde im Sinn einer Relativierung aller äußerlichen Dinge verinnerlicht und individualisiert (einflussreich das spätmittelalterliche Buch von der „Nachfolge Christi“, rheinisch-niederländisch vor 1427).
Diese Gedanken über die Nachfolge Jesu wurden in der reformatorischen Tradition wegen der möglichen Überschätzung von Leistung und Verdienst kritisiert. Unter den Lebensbedingungen der Gegenwart und der Säkularisierung hat die Praxis einer schöpfungs- und lebensbejahenden Nachfolge Jesu große Bedeutung als Zeugnis für das Evangelium und damit für die Zukunft des Christentums. Sie kann nicht kirchlich organisiert, sondern nur als individuelle Berufung vernommen werden, wobei sich Gemeinschaftsformen der Nachfolge Jesu ergeben können, die als Alternativen zu negativen Entwicklungen der Gesellschaft unter Wahrnehmung der „Zeichen der Zeit“ die Impulse der Bergpredigt konkret realisieren. Die individuelle Ausprägung der Nachfolge Jesu behält weiterhin insofern ihr Recht, als ein Mensch die Annahme der Vergänglichkeit des Daseins und seines eigenen Todes als Mitsterben mit Jesus, als Nachfolge Jesu verstehen kann.
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder