Ehefrau und Mutter oder Diakonin und Vorsteherin? Frauen im Neuen Testament
Jesu‘ Wirken
Jesus, für Christen der Sohn Gottes, ging auf Frauen zu, nahm sich ihrer an und wurde von ihnen begleitet. Kurz vor seinem Tod salbte ihn eine Frau, als erste entdeckte eine Frau das leere Grab. Frauen waren in der Antike nicht gleichberechtigt und wie aller Ausgeschlossenen und Unterdrückten nahm sich Jesus ihrer besonders an. In seinen Gleichnissen bedient er sich öfter an Bildern aus der Lebenswirklichkeit der Frauen:
Er sagte ihnen ein weiteres Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Sea [ein Maß] Mehl verbarg, bis das Ganze durchsäuert war. (Einheitsübersetzung, Mt 13,33)
Paulusbriefe
In der Geschichte der Kirche wurde deutlich mehr um die Bedeutung einzelner Stellen in den Paulusbriefen gestritten. War er ein Frauenfeind oder ihr großer Förderer? In seinen Briefen werden zahlreiche Frauen genannt, die an dem Aufbau und Bestehen der ersten Gemeinden wesentlichen Anteil hatten. Phoebe, die Paulus in Röm 16,4 Schwester (gemeint: Schwester im Glauben) und Diakon (im griechischen Text steht die maskuline Form) nennt, hatte eine leitende Funktion in der Gemeinde von Kenchreä. Namen wie Priskilla, die sogar vor ihrem Mann genannt wird, Maria und Junia zeigen, dass die Zusammenarbeit mit Frauen für Paulus selbstverständlich war – in der damaligen Zeit durchaus nicht üblich. Die ersten Christen versammelten sich in Privathäusern, was dazu beigetragen hat, dass Frauen, die Haus und Hof verwalteten, mitwirken konnten. Galater 3,27 f. macht deutlich: Paulus war kein Frauenfeind.
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. (Gal 3,27)
Doch nicht nur in den Deuteropaulinen, also den Briefen, bei denen eine andere Autorenschaft angenommen wird, auch im Korintherbrief, der Paulus selbst zugeschrieben wird, finden sich ganz andere Stellen:
Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden: Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, in der Versammlung zu reden. (1. Kor 14, 33-35)
In 1. Kor 11 findet sich die Aufforderung an den Mann, sein Haupt nicht zu bedecken, und die Aufforderung an die Frau, ihr Haupt zu bedecken.
Jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt sein Haupt. Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt, entehrt ihr Haupt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen. (1. Kor 11, 4-5)
Dies ist der Grund dafür, dass auch heute noch Männer ihre Kopfbedeckung abziehen, wenn sie in eine Kirche treten. Aus Ehrfurcht vor Gott tragen in vielen orthodoxen und sehr evangelikal ausgerichteten Kirchen Frauen eine Kopfbedeckung. In der römisch-katholischen und evangelischen Kirche ist es in Deutschland nicht mehr üblich.
Wie kann man Paulus nun deuten? Im Grunde gibt es im Laufe der Geschichte und auch heutzutage zwei Deutungsrichtungen: Die einen vermuten, dass die Stellen zur Unterordnung der Frau später hinzugefügt wurden, die ersten Christen womöglich befürchteten, Anstoß in der antiken Umgebung mit ihrer patriarchalen Gesellschaftsordnung zu erwecken, Paulus im Kontext seiner Zeit zu lesen ist. Die anderen behaupten in Anlehnung an die Schöpfungsberichte, dass Mann und Frau als Abbild Gottes die gleiche Würde besitzen, aber von ihrem Wesen her so unterschiedlich sind, dass ihnen unterschiedliche Aufgaben zukommen.
Ansgar Wucherpfennig, Professor für Exegese des Neuen Testaments, sieht es kritisch, „Paulus‘ Sicht von Geschlechterrollen und Aufgaben in der Gemeinde ohne eine kritische Reflexion für eine heutige Ordnung der Weiheämter heranzuziehen.“ In seinem Buch „Sexualität bei Paulus“ betont er, dass das dreigestufte Amt von Diakon, Presbyter und Episkopos sich erst allmählich entwickelt hat.
Frauen im Mittelalter
Zwei Frauenbilder prägten das Mittelalter: Eva, Urbild der Sündhaftigkeit, und Maria, durch ihre Jungfräulichkeit Ideal der Kirche. Wenn ein Mädchen im Mittelalter nicht gerade das Glück hatte, adelig geboren zu sein, in ein besonderes Kloster zu kommen und Äbtissin zu werden, stand seine Zukunft fest: Im Alter von ca. 14 Jahren wurde es verheiratet und hatte nun die Aufgabe, Kinder zu gebären. Klöster waren die einzigen Orte, an denen adeligen oder reichen Mädchen Bildung zuteilwurde. Bedeutende Mystikerinnen wie Hildegard von Bingen, einflussreiche Äbtissin und 2012 von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannt, Mechthild von Magdeburg, Kritikerin der damaligen Amtskirche, oder Gertrud die Große sind Beispiele für einflussreiche Frauen.
Mann & Frau: die gleiche Würde, aber nicht gleich? Frauen in der römisch-katholischen Kirche
Für die katholische Kirche sind Frauen und Männer offiziell gleichwertig, in ihrem Wesen aber unterschiedlich. Eine klare Position vertrat Papst Johannes Paul II., der im Apostolischen Schreiben „Mulieris dignitatem, Über die Würde und Berufung der Frau“ Papst Paul VI. zitiert:
„Im Christentum besaß die Frau mehr als in jeder anderen Religion schon von den Anfängen an eine besondere Würdestellung, wofür uns das Neue Testament nicht wenige und nicht geringe Beweise bietet...; es erscheint ganz offenkundig, daß die Frau dazu bestimmt ist, an der lebendigen, tätigen Struktur des Christentums so stark teilzunehmen, daß vielleicht noch nicht alle Kräfte und Möglichkeiten dafür freigelegt worden sind“. (Mulieris dignitatem, I)
Weiter schreibt er:
„In der »Einheit der zwei« sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur »nebeneinander« oder »miteinander« zu existieren, sondern sie sind auch dazu berufen, gegenseitig »füreinander« dazusein.“ (Mulieris dignitatem, III)
„Die Frau darf nicht - im Namen der Befreiung von der »Herrschaft« des Mannes - danach trachten, sich entgegen ihrer fraulichen »Eigenart« die typisch männlichen Merkmale anzueignen. Es besteht die begründete Furcht, daß sich auf einem solchen Weg die Frau nicht »verwirklichen« wird, sondern vielmehr das entstellen und einbüßen könnte, was ihren wesentlichen Reichtum ausmacht.“ (Mulieris dignitatem, IV)
Helmut Hoping, Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft, geht in einem Artikel für die Herder Korrespondenz davon aus, dass es sich bei der Diskussion um eine mögliche Frauenordination nicht um eine amtstheologische, sondern um eine anthropologische Frage handelt: „Die verschiedenen geschlechteranthropologischen Konzepte, die heute in der Theologie rezipiert werden, bis hin zu radikalen Gendertheorien, wonach die geschlechtliche Identität sowohl körperlich (sex) wie sozial (gender) nicht mehr sei als eine Wirklichkeit konstruierende sprachliche Zuschreibung, können als Indiz für eine Krise der Schöpfungstheologie gelesen werden.“
1994, sechs Jahre nach dem Schreiben „Mulieris dignitatem“, möchte Papst Johannes Paul II. die Debatte um das Frauenpriestertum in der katholischen Kirche endgültig mit dem apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ beenden:
„Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Papst Franziskus‘ Nein zur Frauenordination
Papst Franziskus sagt noch 2016: „Hinsichtlich der Weihe von Frauen in der katholischen Kirche hat der heilige Johannes Paul II. das letzte klare Wort gesprochen, und das bleibt." Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Querida Amazonias“ 2020 greift er die Symbolik von dem Bräutigam Christi zu seiner Braut, der Kirche, auf:
„Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters. Dieser Dialog zwischen Bräutigam und Braut, der sich in der Anbetung vollzieht und die Gemeinschaft heiligt, sollte nicht auf einseitige Fragestellungen hinsichtlich der Macht in der Kirche verengt werden.“ (Querida Amazonias, 101)
Weiter heißt es:
„Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben.“ (Querida Amazonias, 101)
Seine Anspielung auf Maria ist kein Zufall. Maria gilt als erstrebenswertes Vorbild für Frauen und wird in der katholischen, vor allem aber auch in der orthodoxen Kirche sehr verehrt. Aufgrund ihrer besonderen Nähe zu Jesus hoffen viele katholische und orthodoxe Christen auf ihre Fürsprache und Hilfe. Im Vorwort zum Buch „Ave Maria. Die Mutter Gottes und ihr Geheimnis“ schreibt Papst Franziskus: „In ihr sehen wir das Herz einer Frau, das, wie das Herz Gottes selbst, unterschiedslos für alle schlägt. Sie ist wahrhaftig das menschliche Antlitz der grenzenlosen Güte Gottes“.
Lange Zeit war es in der katholischen Kirche üblich, dass Männer rechts (Epistelseite) und Frauen links (Evangelienseite) saßen. Es ist zwar nicht geklärt, woher dieser Brauch kommt, allerdings standen auf der Seite der Frauen die Marienaltäre.
Zukunftsperspektive Frauendiakonat?
Seit einiger Zeit steht in der katholischen Kirche immer wieder die Frage nach dem Frauendiakonat im Raum. 2003 hat sich die Internationale Theologische Kommission mit dem Amt der Diakonin in der Urkirche befasst. Laut einem Artikel in der Herder Korrespondenz stellte sie fest, dass „dieses Dienstamt nicht als das einfache weibliche Äquivalent des männlichen Diakonats aufgefasst wurde“. Nachdem auch die erste vom Papst 2016 eingesetzte Studienkommission zu keinen abschließenden Ergebnissen kam, wurde 2020 erneut eine Kommission eingesetzt. Mehr dazu: https://www.herder.de/hk/hefte/archiv/2020/5-2020/weitere-kommission-zum-frauendiakonat-eingerichtet-vatikan/).
In Gegenden wie dem Amazonas-Gebiet mit einem erheblichen Priestermangel stellt sich die Frage nach einer Weihe von Frauen besonders virulent. Erwin Kräutler CCPS, von 1981-2015 Bischof der brasilianischen Diözese Xingu, beschreibt in seinem Artikel „Roma locuta, causa finita? Zur Ordination von Frauen am Amazonas“ für die Stimmen der Zeit die Situation seines Bistums in Brasilien, welches zwar flächenmäßig so groß wie Deutschland ist, in dem es aber nur 16 Priester gibt.
Maria 2.0 und der Synodale Weg
In ihrem Buch „Frauen und kirchliches Amt. Grundlagen – Grenzen – Möglichkeiten“ problematisiert Sabine Demel, dass die Deutsche Bischofskonferenz seit 2013 zwar intensive und sichtbare Bemühungen zeige, Frauen zu fördern und den Frauenanteil in Leitungspositionen zu erhöhen, Frauen aber „fataler Weise (bisher) maximal auf der zweiten Leitungsebene der Kirche tätig werden können“. Vielen gehen die Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche nicht schnell und nicht weit genug. 2019 sorgte die Frauenbewegung Maria 2.0 mit einem einwöchigen Kirchenstreik für Aufsehen. Seither hat sie zahlreiche Initiativen und Protestaktionen organisiert, u.a. den Thesenanschlag am 21. Februar 2021. Sie fordert den gleichen Zugang aller Menschen zu allen Ämtern. Besonders die Frage nach der Frauenordination erhitzt die Gemüter. Im Rahmen des Synodalen Wegs, den die Bischöfe 2019 beschlossen haben und den Laien und Priester miteinander gehen, beschäftigt sich ein Synodalforum mit „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche.“
In dem Antrag des Handlungstextes „Frauen im sakramentalen Amt“ heißt es: „Frauen, die sich als berufen erfahren und offenkundig Charismen haben, die sie auch für Leitungsdienste im sakramentalen Amt empfehlen, dürfen nicht ausgeschlossen bleiben. Geschieht dies nicht, macht sich die Kirche bei ihrem Dienst der Verkündigung des Evangeliums vor Gott schuldig, weil seine Geistesgaben keine Achtung finden.“ Außerdem wird die Einrichtung des Diakoninnenamtes gefordert.
Eine der Delegierten dieses Forums ist die Benediktinerin Philippa Rath. Ein persönliches Erlebnis habe ihr deutlich gemacht, dass es in der katholischen Kirche keine Gleichberechtigung der Frauen gebe. Bei der Zeremonie, in der Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin erhoben wurde, musste Philippa Rath hinter den Männern Platz nehmen. Dabei hatte sie wesentlich dazu beigetragen, dass Hildegard von Bingen heiliggesprochen und zur Kirchenlehrerin ernannt wurde. Ihr Buch „…weil Gott es so will“, in dem Frauen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin schreiben, erweckte viel Aufsehen. Jacqueline Straub, eine der Autorinnen dieses Buches, die sich seit ihrer Jugend zur römisch-katholischen Priesterin berufen fühlt, berichtet in dem Buch: „Ein Ereignis, das wohl der schmerzhafteste Moment in meiner Berufung war, war die Priesterweihe eines guten Freundes. Der Bischof sagte in seiner Predigt, dass wir beten sollten für mehr männliche Berufungen, da nur so wenig Männer sich auf den Weg zum Priesterdienst aufmachen. Doch was ist mit den vielen Frauen, die schon lange warten und längst bereit wären, diesen Weg zu beschreiten? Mein Herz ist an diesem Tag fast explodiert.“
Frauenämter in anderen Konfessionen
In den anderen Konfessionen gibt es bezüglich der Rolle der Frau große Unterschiede. In Folge des „Gesetzes zur Gleichbehandlung von Mann und Frau“ in der Bundesrepublik wurde in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Lübeck 1958 das erste Mal eine Frau Pastorin. Seither ist die Frauenordination in einem Großteil der evangelischen Kirchen üblich. 1992 wurde Maria Jepsen erste lutherische Bischöfin. Auch in der altkatholischen Kirche haben Frauen Zugang zu allen Ämtern. Während das Priestertum in der orthodoxen Kirche Männern vorbehalten ist, beschloss das Griechisch-Orthodoxe Patriarchat von Alexandria 2016 die Wiedereinführung des Frauendiakonats.
Quo vadis, ecclesia catholica?
Innerhalb der katholischen Kirche brodelt es, was am Ende dabei herauskommt, weiß niemand. In einem Beitrag für das Buch „Frauen ins Amt!“, in welchem sich 100 Männer aus der Kirche als Reaktion auf „…weil Gott es so will“ mit Frauen solidarisieren, schreibt Klaus Mertes SJ: „Die Kirche steht an einem Scheideweg“. Er selbst hofft auf ein drittes Vatikanum.
Für den Synodalen Weg gibt es auch im Ausland viele Befürworter und viele Kritiker. Ehefrau und Mutter oder Diakonin und Priesterin? Welchen Weg die katholische Kirche einschlagen wird, weiß Gott allein.