Bereits in den Frühkulturen vollzogen männliche oder weibliche Priester religiöse und kultische Handlungen, die als Rituale eine Verbindung mit geistigen Mächten, dem Himmel oder den Ahnen schufen. Priester traten dabei stets als Mittler zwischen dem Menschen oder Volk mit der jeweiligen transzendenten Macht oder Gottheit auf. Das deutsche Wort „Priester“ stammt etymologisch vom altgriechischen „presbyteros“ ab, der Bezeichnung für „Älteste“. Im Christentum sind Priester mit der Leitung der Gemeinde betraut, sie spenden die Sakramente und verkünden die frohe Botschaft des Evangeliums. Das Verständnis des Priestertums hat sich in der katholischen, orthodoxen, anglikanischen und evangelischen Kirche im Lauf der Kirchengeschichte unterschiedlich entwickelt. Ein Hauptaugenmerk gilt an dieser Stelle der römisch-katholischen Theologie des Weihesakraments und der Praxis von Priesterberuf und Berufung.
Das Weihesakrament
Anders als anderen Berufen liegt der Entscheidung zum Priester-Sein die Berufung zugrunde: Wer katholischer Priester wird, übt den Dienst Jesu Christi als Herr und Haupt der Kirche aus. Jesu Ruf zur Nachfolge beinhaltet die Teilhabe an seiner vollmächtigen Sendung (Mt 28,18-20: „Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Joh 20,21: „Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“). Im Weihesakrament wird dem Priester eine Gnade zuteil, die nicht der persönlichen Heiligung dient, sondern ihn in den Dienst von Wort und Sakrament zum Aufbau der Kirche stellt. Durch Handauflegung, Gebet und Salbung werden Priester mit einem besonderen Charakter ausgezeichnet und Christus gleichgestaltet. Die Weihe ist ein unverlierbares Prägemal, das auf göttlicher Einsetzung beruht. Als von diesem Moment an geistliche Amtsträger (Kleriker) sind Priester dazu bestimmt – entsprechend ihrer Weihestufe von Episkopat, Presbyterat oder Diakonat – Dienste von Lehre, Leitung und Heiligung in Christi Person im Volk Gottes zu leisten. Nach dem Kirchenrecht können nur getaufte Männer die Priesterweihe vom zuständigen Bischof empfangen.
Die Ausbildung der Priester
Von den Anwärtern werden nicht nur ein einwandfreier Glaube und eine ebensolche Lebensführung gefordert, sondern auch eine psychische und physische Eignung sowie eine entsprechende Bildung sind vorzuweisen. Die Ausbildung zum Priester besteht aus drei Phasen: der Studienphase in Universität und Priesterseminar, der geistlich-spirituellen Hinführung zur Priesterweihe und des Sammelns praktischer Berufserfahrung. Darüber hinaus gilt es sich der Weiterbildung während des gesamten Berufslebens zu widmen. Diese Phasen sind jeweils geprägt von den Dimensionen menschlicher Reifung und geistlichen Lebens, der theologischen Bildung und der pastoralen Befähigung. Diese phasenweise Ausbildung entspricht bewusst einem Hineinwachsen in das priesterliche Leben und soll eine freie Entscheidung für den Beruf garantieren. Das Ziel der Priesterausbildung ist die Entwicklung zum überzeugenden Christen, der den im Weihesakrament übernommenen Auftrag glaubwürdig ausführen kann.
Bis zum Mittelalter beschränkte sich die Ausbildung der Priester noch auf die Praxis des Kirchendienstes und eine kurze Einführung in die Heilige Schrift. Nur Klöster und Domschulen boten eine umfassendere Bildung für zukünftige Mitglieder des höheren Klerus. Viele kirchliche Missstände waren auf jene mangelnde Ausbildung in theologischer und pastoraler Hinsicht zurückzuführen. Das Konzil von Trient (1563) sorgte für eine große qualitative Verbesserung. Die tridentinischen Seminare, vom 17. bis zum 19. Jahrhundert meist von Jesuiten geleitet, garantierten eine solide Ausbildung. Seit 1915 ist die weltweite Kontrollinstanz der gesamten Priesterausbildung die päpstliche Kongregation für die Seminarien und Universitäts-Studien.
Der Priesterberuf
Haben die Priester ihr Theologiestudium und die Ausbildung im Priesterseminar abgeschlossen sowie praktische Erfahrung in der Gemeindearbeit gesammelt und die Weihe empfangen, werden sie je nach den Aufgaben in ihrer Gemeinde, deren pastoralem Konzept und den eigenen persönlichen Fähigkeiten eingesetzt. Die Bereiche umfassen das ganze Spektrum der Gesellschaft von der Notfall-, Militär-, Betriebsseelsorge bis zu Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Schulen, Hochschulen und Bildungsinstituten sowie Kinder- und Jugendarbeit, Caritas und anderen sozialen Diensten. Die Priester fördern ein lebendiges Gemeindeleben durch Verkündigung in Form von Predigten, Religionsunterricht und Seelsorge, durch Liturgie im Gottesdienst sowie bei der Feier der Sakramente und durch Diakonie. Problematisch wirkt sich auf dieses komplexe Aufgabenfeld der Priestermangel aus, bei dem die Leitung mehrerer Gemeinden zur Überlastung der Einzelnen führt. Katholische Priester beziehungsweise evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer sind in Deutschland bei ihrer jeweiligen Kirche angestellt und erhalten je nach Berufserfahrung ein Gehalt.
Leben als Priester
Voraussetzung, um von einer priesterlichen Spiritualität im Allgemeinen zu sprechen, ist die Annahme der einzigen, zentralen Ausrichtung am Evangelium, die sich je nach Situation, Berufung und Begabung unterschiedlich realisiert. Darüber hinaus unterlag die priesterliche Spiritualität in der Geschichte tiefgreifenden Veränderungen. Grundsätzlich soll der amtliche Dienst angemessen ausgeübt werden, wobei der Priester sich darin persönlich nicht verlieren, sondern die Mitte seines Lebens finden soll. Aus der Beziehung mit Christus soll die spezifische Sendung verwirklicht werden (vgl. Mk 3,13f: „Jesus … rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben.“). Amt wie Existenz sollen in einfachem Leben, Gehorsam und Zölibat verwirklicht werden. Diese Bezeichnung für die Verpflichtung zur Ehelosigkeit der Priester stammt vom lateinischen „caelebs“ für „allein lebend“ – wie für Jesus Christus soll die ganze Liebe dem Volk Gottes gelten. So schließt das Weihesakrament unwiderruflich das Ehesakrament aus. Diesem Thema gelten immer wieder innerkirchliche wie gesellschaftliche Debatten.
Priestertum der Frau
Die Frage nach Frauen und dem kirchlichen Amt ist angesichts des Priestermangels eine kontrovers diskutierte Frage von bleibender Aktualität, der medial präsente Vertreterinnen wie Jacqueline Straub ein Gesicht verleihen. Die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel leitet ihre Untersuchung dazu vom jesuanischen Erbe ab: Jesu Begegnung mit Frauen gehe von ihrer menschlichen Würde und Gleichheit aus. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil befinde sich die Kirche in einem Spagat zwischen dem alten und einem modernen Frauenbild. Beruhend auf der Lehre vom gemeinsamen Priestertum könne die Frau im Dienst der Kirche nicht nur Seelsorgerin, sondern auch Amtsträgerin werden. Auch wenn Frauen bis heute gemäß Kirchenrecht und Lehramt kategorisch vom Weihesakrament ausgeschlossen, sind, so ist nach Sabine Demel eine neue Geschlechterordnung der Kirche doch ein drängendes Gebot der Stunde.
Gemeinsames Priestertum aller Getauften
Historisch-theologisch bleibt das Priesteramt hingeordnet auf den Dienst am Volk Gottes. Neben den pastoralen Vollzügen spielen besonders die Verkündigung des Wortes und das Leitungsamt eine zentrale Rolle. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird zunehmend auch im katholischen Bereich der Aspekt des gemeinsamen Priestertums nachvollzogen. Schon das Urchristentum versteht sich in der Rückbesinnung auf die alttestamentlichen Schriften als mit der Taufe für Gott ausgesonderte Heilsgemeinde, die zu einem Leben in seiner unmittelbaren Nähe erwählt ist. Diese Nähe wird durch Christi Heilstat geschenkt, in deren Nachfolge alle Glaubenden in die Gegenwart Gottes eintreten dürfen.