Sie setzt mit der Ostererfahrung des Jüngerkreises, dass Jesus lebt, und mit der Wiederaufnahme seiner Verkündigung ein und umfasst die Sammlung der Urgemeinde in Jerusalem, die Predigt zunächst an Juden, die Abspaltung vom Judentum, den Beginn der Heidenmission und die Entstehung christlicher Gemeinden in institutionalisierten Formen bis etwa in die erste Hälfte des 2. Jh.
Die Urgemeinde oder Urkirche sammelte sich zu Gebet und Herrenmahl, wandte sich mit der Verkündigung des Heilsgeschehens in Jesus Christus und mit der Taufe an Juden, mit einer ausgeprägten Vorrangstellung des Petrus und der „Zwölf“ (Apostel). Dieser Abschnitt der Kirchengeschichte gilt in der evangelischen und katholischen Theologie als eine einmalige und ausgezeichnete Größe: In der Urkirche waren die Zeuginnen und Zeugen der Auferweckung Jesu, die authentischen Hörerinnen und Hörer seiner Verkündigung vereint, denen die eschatologische Gottesoffenbarung als Erstempfangenden, nicht bloß als Tradenten, anvertraut wurde. Im Urchristentum wurde mit dem bleibenden jüdischen Erbe nicht nur die Bibel der Juden als Heilige Schrift auch der Christen anerkannt, sondern das Neue Testament als bleibende Norm für Lehre und Leben der Kirche gebildet. Die spätere Kirche war immer darum bemüht, sich von diesem bleibenden Anfang nicht zu entfernen und die Legitimität aller weiteren Entwicklungen an ihm zu messen, in der Glaubensüberzeugung, dass ein und derselbe göttliche Geist Glauben und Kirchesein am Anfang gewirkt hat und auch weiterhin garantiert.
Das Urchristentum enthält zahlreiche Elemente, die für die Zukunft der Kirche von Bedeutung sind und von der Forschung neu entdeckt werden: Die Pluralität von Theologien, Christologien und Ekklesiologien, die Respektierung der Charismen in den Gemeinden, die unterschiedlichen Gemeindemodelle (paulinisch, matthäisch, johanneisch, nachpaulinisch usw.). Aus der Besinnung auf solche Elemente lernt die Kirche, dass das Bleiben im Anfang (bei der Lehre der Apostel) und echte Geschichte keine Gegensätze sind.
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder