Islam (arabisch = Hingabe, Friedenssuche, Errettung), die von Mohammed (arabisch Muhammad = der Gepriesene) (†632) begründete Form der Gottesverehrung und die ihr dienende Religionsgemeinschaft. Im theologischen Sinn heißt Islam "Hingabe an Gott", der im absoluten Zentrum des Glaubens und der Lebensführung steht. Vom Begriff Islam her lautet die Selbstbezeichnung der Religionszugehörigen "Muslime". Die früher häufige Bezeichnung "Mohammedaner" wird als verfälschend und beleidigend empfunden.
Nach einem Berufungserlebnis um 610 lehrte Mohammed als Prophet der göttlichen Offenbarung bis 622 in Mekka, wo er in der Unterschicht akzeptiert, von den Reichen abgelehnt wurde, nach seiner Auswanderung in Medina, wo ihm die Gründung einer Gemeinde gelang, 630 Rückeroberung Mekkas und Übernahme des Ka’ba-Kults. Nach einer Spaltung des Islam vom 7. bis zum 8. Jahrhundert vor allem in Schiiten und Sunniten kam es in großen Wellen zu einer weiten Ausbreitung des Islam, mit bedeutenden wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen in Spanien, auf dem Balkan, im Mittleren Osten, in Indien und Indonesien.
Der Koran (arabisch kur’an = Rezitationstext), die heilige Schrift des Islam, enthält die Mohammed durch den Engel Gabriel vermittelten Offenbarungen Gottes, zum Teil von Sekretären notiert, zum Teil mündlich überliefert, in der Zeit 644–656 endgültig schriftlich festgelegt. In 114 "Suren" (Kapiteln) werden in der älteren Schicht Glaubensthemen, vor allem die Eschatologie, behandelt: Ende der Welt, Auferstehung der Toten, Gericht durch den "einen Gott", Schöpfer und Erhalter der Welt, der Rechenschaft über alles Tun verlangt und der absolut allmächtig ist; ferner wird der Auftrag des Gottgesandten, das Gericht anzusagen, dargelegt; Bilder malen das Paradies und die Hölle konkret aus. In der jüngeren Schicht erfolgt die Kritik an Juden und Christen (den "Schriftbesitzern"), vor allem an Tora- und Bibelverständnis und an der christlichen Trinität. Die besondere Aufgabe des Propheten zur Wahrung des Monotheismus wird erläutert. Erster Monotheist und Urbild des "Muslim" war Abraham; Urbild des Propheten war Mose; der letzte, jungfräulich geborene Prophet und Wundertäter war Jesus, Marias Sohn, der nicht als Gott verehrt werden wollte, der nicht am Kreuz starb, der nicht die Sünden der Menschheit sühnte, der von Gott zu sich erhoben wurde. Die vom Islam missverstandene christliche Trinität (Gott, Maria und Jesus) ist Anlass für Auseinandersetzungen bis heute: "Ungläubig sind diejenigen, die sagen: Gott ist einer von dreien" (Sure 5, 73). Judentum und Christentum werden hoch geschätzt: "Wir glauben an dieselbe Offenbarung. Unser und euer Gott ist einer" (Sure 29, 46), aber wegen der Nichtannahme des Islam unterliegen Juden und Christen in islamischen Gesellschaften als Bürger zweiter Klasse einer Kopfsteuer. Nach islamischem Glauben ist das Original des Korans bei Gott hinterlegt und daher unantastbar. Eine historisch-kritische Koran-Exegese darf es deshalb nicht geben.
Wie alle sogenannten Hochreligionen erfuhr auch der ursprüngliche Islam zahlreiche spätere Erweiterungen und Interpretationen. Der Islam verfügt über eine ausgeprägte Ethik (in die sachlich der Dekalog integriert ist und die außerhalb des Koran in der "Hadith" überliefert wurde) und Pflichtenlehre, viele Rechtsanweisungen und theologische Interpretationen, die sämtlich nicht zu einem System zusammengefaßt sind und flexibel gehandhabt werden können (nicht müssen). Neben der hochstehenden islamischen Kultur (Literatur und Kunst) ist vor allem die vom 8. Jahrhundert bis heute blühende Mystik zu erwähnen. Die religiöse Praxis des Islam ruht auf fünf "Säulen", die für alle Muslime verbindlich sind: Die Wallfahrt nach Mekka wenigstens einmal im Leben, das fünfmalige tägliche Gebet (im Zustand ritueller Reinheit, gemeinsam im Versammlungsraum, der "Moschee", oder außerhalb privat verrichtet), das Fasten im Monat Ramadan, das Glaubensbekenntnis ("Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Gott und daß Mohammed der Gesandte Gottes ist") und die Pflicht zum Almosengeben.
Nach einer jahrhundertelangen leidvollen Geschichte von Christentum und Islam zeigen sich große, vom Fundamentalismus auf beiden Seiten gefährdete Verständigungsmöglichkeiten, gerade auch in der Theologie. Das II. Vaticanum formulierte im Hinblick auf den Islam: "Der Heilswille (Gottes) umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird" (LG 16). "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten. Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" (NA 3).
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder