Sensationell (Der Spiegel)"Revolutionär" (Corriere della Sera)"Überraschungspapst" (New York Times)"Das Gespräch zwischen Papst Franziskus und Antonio Spadaro ist ein Lichtmoment in der Kirchen- und Papstgeschichte. Es öffnet Horizonte. Das lässt hoffen. Es ist eine dienende und eine lernende Kirche, die hier zutage tritt, mit einem Papst, der selber lernen will. Das ist neu." (Andreas R. Batlogg SJ)
Exklusives Interview mit Antonio Spadaro zum fünfjährigen Amtsjubiläum von Papst Franziskus
Welches sind die zentralen Motive im Denken von Jorge Mario Bergoglio?
Ich glaube, sein Pontifikat ruht auf zwei Säulen: Barmherzigkeit und Unterscheidung. Die Barmherzigkeit ist das wahre Antlitz Gottes, dessen Fähigkeit darin besteht, zu integrieren und willkommen zu heißen. In der Unterscheidung offenbart sich das Handeln Gottes, der in der Geschichte und im Leben eines jeden Menschen gegenwärtig ist, und der sich nicht in Normen und abstrakte Vorschriften einzwängen lässt. Die Gegenwart Gottes bringt das hervor, was Bergoglio mit einem Oxymoron den „Frieden der Unruhe“ nennt. Das heißt, er rüttelt auf, er bewegt, er erzeugt Kontraste, er treibt vorwärts. Bergoglio ist kein „Pazifist“. Es geht ihm nicht um den Frieden als „Ruhe“: Der Frieden ist vielmehr immer mit sozialer Gerechtigkeit und innerem Kampf verbunden.
Warum ist es so wichtig, die Reden und Predigten aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires zu kennen?
Liest man seine Predigten und Ansprachen aus den Jahren 1999 bis 2013, gewinnt man den Eindruck einer großen Kontinuität, aber auch eines Wachsens durch die Begegnung mit Menschen jeder Art: mit Arbeitern, Politikern, Erziehern, Gläubigen unterschiedlicher Religionen. Die Bände „Im Angesicht des Herrn“ dokumentieren, wie sich die Perspektive Bergoglios im Laufe der Zeit entwickelt hat – im Kontakt mit den großen Herausforderungen für Glaube und Gesellschaft. Jahr um Jahr vertiefen sich die Themen – aber sie werden auch einfacher. Sein Blick wird immer klarer, und er reichert sich mit Erfahrungen an. Wer diese Bände liest, lernt, das Pontifikat im Sinne der ersten Predigt zu verstehen, die dort abgedruckt ist: „Mit seiner ganzen Existenz“ zu handeln, „mit den Händen, mit dem Herzen, mit dem Wort“.
Wodurch überrascht Papst Franziskus?
Franziskus ist immer gut für Überraschungen. Mich erstaunt er immer wieder durch die Frische seiner Worte. Zwei „Überraschungen“ möchte ich konkret benennen: Die erste ist seine Fähigkeit, zu sehr unterschiedlichen Kategorien von Personen zu sprechen. Diese Fähigkeit ist die Frucht seiner großen Offenheit und Bereitschaft zur Begegnung mit Menschen. Das heißt, seine Worte zeugen von direktem Kontakt, von der Erfahrung. Franziskus geht von seinem Wissen um dem Kontext aus – und von einer spirituellen Intuition. Eine zweite Überraschung ist die große Bedeutung, die er dem Thema der Erziehung zumisst. Die Begegnung mit Jugendlichen ist für ihn sehr wichtig. Man ist wirklich erstaunt über die schiere Menge der Reden und Botschaften, die sich mit der Bildung, und das heißt: mit der Zukunft, beschäftigt. Diese Texte zu lesen – das gibt einem Energie!
Wofür können die Katholiken dem Papst dankbar sein?
Für seine einfache und direkte Verkündigung des Evangeliums in all seiner Kraft. Damit erzeugt er auch Spannungen, Widerstände und Opposition. Aber so kommt es eben zur Unterscheidung. Wir sehen heute, wie in der Kirche alles Gute und alles Schlechte deutlich wird. Wir sehen insbesondere Franziskus, wie er alles Böse „auspresst“, das in der Kirche im Verborgenen gewirkt hat. Er treibt es aus. Aber just diese Widerstände sind für ihn das Zeichen, dass er in die richtige Richtung geht. Opposition gehört zum Prozess. Auf der anderen Seite macht er positive Energien frei: Er ermutigt Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen wollen, er gibt der Mission neue Kraft, er zeigt den Menschen eine Kirche der offenen Tore und der offenen Arme, er gibt Trost. Franziskus ist letztlich die einzige große moralische Autorität der Welt.