Juden, Christen und Muslime machen SchuleEin interreligiös ausgerichtetes Experiment des Bistums Osnabrück

Das Bistum Osnabrück wagt ein interreligiös ausgerichtetes Experiment: eine Schule, die sich trialogisches Lernen zum Ziel setzt. Winfried Verburg, Leiter der Abteilung Schulen & Hochschule im Bischöflichen Generalvikariat, stellt das Projekt vor, das Juden, Christen und Muslime an einem Lernort zusammenbringen soll.

Als theologische Herausforderung der gegenwärtigen Weltstunde sieht Karl-Josef Kuschel ein neues Nachdenken über die Gleichzeitigkeit der Koexistenz von Judentum, Christentum und Islam:

"Welches Zeichen setzt Gott damit, daß trotz aller feindseliger Abstoßung in der Vergangenheit alle drei: Synagoge, Kirche und Umma nebeneinander existieren? Was bedeuten sie füreinander in ihrem dreifachen und dreifach verschiedenen Bekenntnis zu dem einen Gott, dem Schöpfer, Bewahrer und Richter von Welt und Mensch?" 1

Als Konsequenz fordert er die Schaffung von Lernorten, die im "Geiste Abrahams Juden, Christen und Muslime zusammenbringen"2. Der Lernort schlechthin in unserer Gesellschaft ist die Schule, weshalb es nahe läge, daß auch Schulen, wo sich Juden, Christen und Muslime begegnen, Lernorte des Trialogs werden. Für viele Schulen in Deutschland gehört die Koexistenz von Christen und Muslimen zur schultäglichen Erfahrung. Allerdings stellt Georg Langenhorst zutreffend fest: "Nur an wenigen Schulen ist eine Begegnung mit jüdischen Mitschülern möglich."3 Für den Trialog ist aber die Erfahrung der Koexistenz aller drei abrahamischen Religionen Voraussetzung.

Wenn eine Schule ein interreligiöser, trialogischer Lernort werden soll - da die Schule die dauerhafte Begegnung über mehrere Jahre garantieren kann, bietet sie dafür sehr gute Vorbedingungen4 -, muß man Voraussetzungen schaffen, daß Schülerinnen und Schüler aller drei Religionen diese Schule besuchen und zugleich Lehrerinnen und Lehrer aller drei Religionen dort tätig sind. Dazu bedarf es neben den rechtlichen Bedingungen auch eines für Eltern und Lehrkräfte aller drei Religionen attraktiven Schulangebots.

Eine Schule in freier Trägerschaft ohne festen Schuleinzugsbezirk kann die dazu notwendigen Bedingungen schaffen; denn dieser Status ermöglicht jüdischen, christlichen und muslimischen Kindern unabhängig vom Wohnort den Besuch dieser Schule. Zugleich läßt der Status einer Schule in freier Trägerschaft, die niemand besuchen muß, den Vorrang der positiven Religionsfreiheit zu. An einer katholischen Schule darf und soll Religion auch außerhalb des Religionsunterrichts gelebt werden; niemand ist dort zum Bekenntnis gezwungen, allerdings kann auch niemand erwarten, daß sich das Schulprogramm an dem Wunsch von Eltern oder Schülern orientiert, mit Religion nicht konfrontiert zu werden. Wer dies in der schulischen Erziehung bevorzugt, dem bietet sich die Schule in öffentlicher Trägerschaft als Alternative an.

Vision einer trialogischen Schule

Ausgehend von diesen Überlegungen plant derzeit das Bistum Osnabrück in der Stadt Osnabrück eine katholische Grundschule in freier Trägerschaft, die auf der Basis des Leitbilds der Schulstiftung5 "trialogisches Lernen"6 durch dauerhafte Begegnung ermöglichen soll. Zu diesem Schritt ermutigen die positiven Erfahrungen des Schulträgers mit muslimischen Schülerinnen und Schülern, denen an einer katholischen Schule modellhaft islamischer Religionsunterricht in Kooperation mit dem Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück erteilt wird7. Die Stadt Osnabrück mit der dort gepflegten Tradition des Westfälischen Friedens ist aus Sicht des Bistums ein guter Standort für ein solches Modellprojekt. Die Bedingungen sind nicht zuletzt auch deshalb gegeben, weil die jüdische Gemeinde inzwischen mehr Mitglieder zählt als vor dem Jahr 1938.

Eine solche Schule des trialogischen Lernens kann bei allen Versuchen zur religionssensiblen Gestaltung nicht allein vom katholischen Träger entwickelt und gestaltet werden, selbst bei größter Bereitschaft zum Perspektivwechsel. Es war von vornherein klar, daß die Konzeption einer Schule mit dieser Zielsetzung nur gemeinsam mit Kooperationspartnern entwickelt werden konnte. Daher trat das Bistum an die jüdische Gemeinde Osnabrück und die islamische Schura e.V., den Zusammenschluß von Moscheevereinen in Niedersachsen, dem fünf von sechs Moscheevereinen in der Stadt angehören, heran. Sowohl von jüdischer als auch von islamischer Seite wurde diese Initiative von Anfang an begrüßt, und die weitere Planung erfolgte in enger Abstimmung der Kooperationspartner. Das Konzept einer katholischen Schule für Juden, Christen und Muslime, das so entstanden ist, wurde der Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Allen Kooperationspartnern gemeinsam ist die Vision einer Lerngemeinschaft von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern der drei monotheistischen Religionen, die sich ihrer gemeinsamen Grundlagen tiefer bewußt und gerade dadurch fähig werden, respektvoll Menschen anderer religiöser Überzeugungen zu begegnen sowie mit ihnen gemeinsam zu arbeiten und zu leben. Allen drei Religionen geht es nicht um die Gestaltung einer Schule allein auf der Grundlage des "größten gemeinsamen Nenners" bei gleichzeitiger Ausklammerung der Differenzen, sondern um die Ausbildung gesprächsfähiger Identitäten von Menschen differenten Glaubens an den einen Gott, der zu Abraham gesprochen hat. Diese drei Religionen, die sich auf Abraham als Stammvater berufen, haben eine gemeinsame Basis und gemeinsame ethische Grundsätze, die sich daraus ableiten; denn sich auf Abraham berufen heißt, "das eigene Handeln immer wieder zu hinterfragen" (wie Abraham an Wendepunkten des Lebens stets nach Gottes Rat fragte, vgl. Gen 15,2-17); "durch Kompromisse Streitigkeiten zu vermeiden" (Gen 13,8-12); "Fremden gastfreundlich und offen zu begegnen" (Gen 18,2-8); "geschäftlich ehrbar und korrekt zu handeln" (Gen 23,7-16); "sich für Menschen einzusetzen, auch wenn sie fremd sind und vielleicht Schuld auf sich geladen haben" (Gen 18,23-32) und "im Sieg den Gegner nicht zu übervorteilen" (Gen 14,14-16)8.

Ein Lernort für den interreligiösen Dialog

Wegen der gemeinsamen Basis und "Familiarität"9 soll es eine Schule sein für Kinder der drei Religionen, die sich auf Abraham berufen, also für Juden, Muslime und Christen. Die Familiarität basiert auf dem gemeinsamen theologischen Erbe mit religionspädagogischen Konsequenzen: Methoden und Ziele religiöser Erziehung der semitischen Religionen mit ihrer personalen Gottesvorstellung und der Grund überzeugung, daß Gott sich den Menschen zu deren Heil offenbart, weisen wesentlich mehr Übereinstimmungen auf als die Methoden und Ziele anderer Religionen10. Dabei kann und soll sich die Schule am biblischen Abraham orientieren:

"Der biblische Abraham, der sich den unbekannten Fremden öffnet und ihnen exzellent Gastfreundschaft erweist (Gen 18), ist zu Recht in den 'abrahamitischen Religionen' und Regionen Sinnbild und Urbild der Öffnung im Dialog mit Gott und Mensch geworden. Seine Begegnungsweise bietet das Modell für einen Austausch, der eine Koexistenz von Bekenntnissen zur eigenen Identität gestattet, daneben und darüber hinaus aber ein Miteinanderstehen vor der unendlichen Erhabenheit und Barmherzigkeit des einen Gottes möglich macht." 11

Langenhorst weist jedoch mit Recht darauf hin, daß der "Königsweg" des trialogischen Lernens durch Begegnung in der Regel nicht gangbar sei, weil an den wenigen Schulen, wo dies überhaupt möglich wäre, "das zahlenmäßige Ungleichgewicht so erdrückend" sei, "daß man aus christlicher Sicht dem potentiellen Begegnungspartner eine Übersättigung zugestehen" müsse12. Deshalb sieht das vorgelegte Schulkonzept nach vertraglicher Übereinkunft der Kooperationspartner für jede Religion ein Drittel der Schulplätze vor und versucht dadurch, diesen Kritikpunkt zu minimieren. Kinder ohne Religionszugehörigkeit können aufgenommen werden, wenn die Eltern das Konzept bejahen und Plätze frei sind.

Diese Schule soll die ihr anvertrauten jungen Menschen anleiten und ihnen die Freiheit geben, ihren Lebensweg gemäß ihrer Religion im gläubigen Vertrauen auf den alleinigen, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu Abraham und den Menschen gesprochen hat und die Menschen am Jüngsten Tag richten wird (vgl. Nostra aetate3), zu gestalten. Sie soll sie ferner anleiten, die Andersartigkeit der Religion ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler kennenzulernen, zu akzeptieren und durch die Begegnung mit dem ihnen Fremden, durch die Auseinandersetzung und den Austausch, zu einem besseren Verständnis der Überzeugungen und der religiös motivierten Lebensweise ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler sowie ihrer eigenen zu gelangen13.

Dazu macht die Schule die religiösen Überzeugungen, Lebensweisen und Riten der drei beteiligten Religionen vielfältig zum Thema. Religiöses Wissen und religiöse Praxis, respektvolle Begegnung und friedliche Verständigung trotz unterschiedlicher religiöser Überzeugungen sind zentrale Lern- und Erziehungsziele. Um zusätzlich zur Unterrichtszeit gemeinsames Leben und Lernen zu ermöglichen, soll die Schule als gebundene Ganztagsschule gestaltet werden, auch weil diese Schulform am ehesten geeignet ist, Bildungsbenachteiligungen zu verringern. Ohne Festlegung auf konkrete Anteile sind sich die Kooperationspartner einig, daß sowohl jüdische als auch islamische und christliche Lehrkräfte an dieser Schule unterrichten sollen und zwar möglichst nicht nur im jeweiligen Religionsunterricht, sondern auch in anderen Fächern. Im Sinn der positiven Religionsfreiheit sind die Lehrkräfte dieser Schule außerhalb des Religionsunterrichts nicht zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, jedoch zu Respekt und Toleranz gegenüber Schülerinnen und Schülern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen, die sich zu den anderen Religionen bekennen, und deren religiösen Überzeugungen.

Unter diesen Voraussetzungen soll die Schule in der Tradition des Westfälischen Friedens innerhalb der Stadt und darüber hinaus zur Verständigung von Menschen, die sich zu einer der drei abrahamischen Religionen bekennen, beitragen und ein Lernort der Kirche, der jüdischen Gemeinde und der Moscheegemeinden für den interreligiösen Dialog und die Zusammenarbeit der verschiedenen Religionen werden.

Trialog - eine theologisch fundierte Aufgabe einer katholischen Schule?

Das Konzept dieser Schule basiert auf zentralen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils, die zum einen das Verhältnis der Kirche zu den beiden anderen beteiligten Religionen bestimmen und zum anderen die Aufgabe katholischer Schulen benennen:

1. Juden, Christen und Muslime beten den einen Gott an:

"Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet. In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist ... Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird" (Lumen Gentium 16)14.

2. Aufforderung zu gegenseitiger Kenntnis und Achtung:

"Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat." Die Heilige Synode ermahnt alle, "sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" (Nostra aetate 3). "Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern" (ebd. 4) 15.

3. Auch nichtkatholische Schülerinnen und Schüler sind im Geist der Liebe Christi an katholischen Schulen angenommen, ohne deren Freiheit zum eigenen religiösen Bekenntnis einzuschränken:

"Die besondere Aufgabe der katholischen Schule ist es, einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist" (Gravissimum educationis 8). Es ist Aufgabe der Kirche und der katholischen Schulen, "daß sie sich besonders derjenigen annehmen, die arm sind an zeitlichen Gütern, den Schutz und die Liebe der Familie entbehren müssen oder der Gnade des Glaubens fernstehen" (ebd. 9).

4. Das Recht auf religiöse Erziehung und der damit verbundenen freien Schulwahl auch von Schulen in freier Trägerschaft ist ein allgemeines Elternrecht und steht daher nicht nur katholischen Eltern zu:

"Die Eltern haben das Recht, die Art der religiösen Erziehung ihrer Kinder gemäß ihrer eigenen religiösen Überzeugung zu bestimmen. Daher muß von seiten der staatlichen Gewalt das Recht der Eltern anerkannt werden, in wahrer Freiheit Schulen und andere Erziehungseinrichtungen zu wählen, und aufgrund dieser Wahlfreiheit dürfen ihnen weder direkt noch indirekt irgendwelche ungerechte Lasten auferlegt werden" (Dignitatis humanae 5).

Dieses theologische Fundament macht die Schule nicht nur zum Lernort für den interreligiösen Dialog, sie kann darüber hinaus auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung der Kirche für das Gemeinwohl der Gesellschaft leisten und ist ein Schritt auf dem Weg, "ihre Bemühungen mit allen Menschen guten Willens - Angehörigen anderer Religionen oder Nichtgläubigen - zu vereinen, damit unsere Welt wirklich dem göttlichen Plan entspricht: als eine Familie unter dem Blick des Schöpfers zu leben"16.

Wie aber verträgt sich die Beschulung jüdischer und muslimischer Schülerinnen und Schüler mit dem Auftrag einer "katholischen Schule, die als Erziehungsgemeinschaft letztlich zum Glauben führen will"17? Entsprechen der uneigennützige Dienst an nichtchristlichen jungen Menschen und der Dialog mit ihnen diesem Auftrag zur Evangelisierung? Die besondere Aufgabe, "einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist" (Gravissimum educationis 8), die das Zweite Vatikanum der Schule zuschreibt, können katholische Schulen realisieren, wenn sie Orte gelebten Glaubens sind und ihre Schulkultur von Dienst und Dialog geprägt ist: "Dienst und Dialog sind die Weisen, wie das Evangelium in die Welt kommt." 18 Dies gilt auch für den Dienst an nichtchristlichen jungen Menschen und den Dialog mit ihnen. Eine derartige Schulkultur verbindet die Freiheit der katholischen Schule, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden und die Werte des christlichen Glaubens darzustellen, mit dem Respekt vor der Religions- und Gewissensfreiheit der nichtchristlichen Schülerinnen und Schüler, wie die Kongregation für das Bildungswesen 1988 betonte:

"Die Katholischen Schulen werden heute auch von nicht-katholischen und nichtchristlichen Schülern besucht." Sie "haben die Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit dieser Schüler und ihrer Familien zu respektieren. Diese Freiheiten werden von der Kirche mit allem Nachdruck betont und geschützt. Andererseits können die Katholischen Schulen nicht auf die Freiheit verzichten, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden und die Werte der christlichen Erziehung darzustellen. Dies ist ihr Recht und ihre Pflicht. Dabei sollte allen klar sein, daß Verkünden und Darstellen nicht gleichbedeutend mit Aufzwingen ist. Letzteres wäre Ausübung geistiger Gewalt, die das Evangelium und die Kirche entschieden ablehnen." 19

Begegnung der Religionen in der Schule

Die Begegnung der Religionen soll an dieser Schule nicht nur durch Begegnung von Schülerinnen und Schülern verschiedener Religionszugehörigkeit realisiert werden; denn das ist an jeder anderen Schule auch möglich und schon oft Realität. An der in Osnabrück geplanten Grundschule sollen Juden, Christen und Muslime nicht nur gemeinsam die Schule besuchen, sondern gemeinsam Schule machen. Das Schulleben soll sensibel sein für die Belange aller an der Erziehungsgemeinschaft Beteiligten, die sich aus ihren religiösen Überzeugungen ergeben20, aber auch geprägt sein durch die Präsenz der Religionen. Elemente für diese Präsenz sind der jeweilige Religionsunterricht, Projekte zu religiösen Themenstellungen, die jeweiligen religiösen Feste und besonderen Zeiten der Religionen im Verlauf des Schuljahres sowie die bewußte Einblendung religiös motivierter Lebensweise in das Schulleben.

1. Religionsunterricht. Alle Schüler nehmen am Religionsunterricht ihrer Religion teil. Katholischer Religionsunterricht wird in ökumenischer Offenheit erteilt. Bei entsprechender Schülerzahl wird auch evangelischer Religionsunterricht angeboten, eine konfessionelle Kooperation ist phasenweise möglich. Jüdischer Religionsunterricht wird in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde Osnabrück, islamischer Religionsunterricht in Kooperation mit dem Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück21 konzipiert und erteilt. An dieser Schule wird somit das Nebeneinander und zeitweise Miteinander der verschiedenen Fächer des jüdischen, katholischen, evangelischen und islamischen Religionsunterrichts in der Praxis möglich sein. Weil diese Schule auch in räumlicher Nähe zur Universität Osnabrück liegt, wo Religionslehrkräfte für islamischen, evangelischen und katholischen Religionsunterricht ausgebildet werden, bietet sie ein Praxisfeld für die Kooperation.

2. Phasen (z.B. Projekttage) intensiven interreligiösen Lernens: Schülerinnen und Schüler stellen sich gegenseitig die Ergebnisse vor, die sie in ihrem jeweiligen Religionsunterricht zu vorher von den (Fach-)Konferenzen festgelegten Themen erarbeitet haben, und arbeiten gemeinsam die Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. Indem die Schülerinnen und Schüler religiöse Zeugnisse und Formen gelebten Glaubens bei Gleichaltrigen der jeweils anderen Religionen hören und erleben können, soll die Wahrnehmungskompetenz gefördert werden, die Fähigkeit, aus der Perspektive der Mitschüler anderer Religionen zu sehen22 sowie die Dialogfähigkeit. Dialog wird als ehrfürchtiges Wahrnehmen der Ernsthaftigkeit anderer und der eigenen Aufgabe, das als wahr Erkannte zu bezeugen, verstanden23.

Die Schülerinnen und Schüler sollen bereit und fähig werden, die Glaubenslehre und -praxis der eigenen Religion mit eigenen Worten den Mitschülerinnen und Mitschülern anderer Religionen im Respekt vor deren religiösen Überzeugungen vorzustellen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkennen. Dadurch könnte die Grundlage für tolerantes Verhalten gelegt werden, das nicht von Gleichgültigkeit und eigener Standpunktlosigkeit geprägt ist. Sie lernen, eigene religiöse Positionen besser zu verstehen, und - davon ausgehend - die Überzeugungen anderer zu respektieren; die bleibende Fremdheit zu akzeptieren und gleichzeitig ihre eigene Position zu bezeugen. Gemeinsames Handeln aus religiöser Motivation (z.B. die Unterstützung von Sozialprojekten) fördert Sozialkompetenz24. Diese fächerübergreifenden Projekte stellen nicht nur einen Lernort für die Schülerinnen und Schüler und deren Lehrkräfte dar, sondern sind auch ein neues Lernfeld für die Religionsgemeinschaften25.

3. Wahrnehmung der religiösen Praxis: Das Schulleben ist geprägt durch die religiösen Feste der abrahamischen Religionen, die von der Schulgemeinschaft gestaltet werden. Wo aus religiösen Gründen möglich, religionspädagogisch sinnvoll und schulisch organisierbar, werden die Kinder aller drei Religionen einbezogen26. Gemeinsames Essen unter Beachtung der Vorgaben der Religionsgemeinschaften, Raumgestaltung mit religiösen Symbolen (Menora, Kreuz, Halbmond) und Tages- oder Wochenbeginn und -ende mit einem religiösen Impuls27 ermöglichen authentische Erfahrung religiös geprägter Lebensführung anderer. Die Schule wird Regeln für diese Art des Zusammenlebens mit Beachtung der religiös geprägten Lebensgestaltung gemeinsam erarbeiten.

4. Raum für scheinbar Zweckfreies: Im Sinn der allen drei Religionen gemeinsamen Überzeugung, daß der Wert des Menschen nicht nur an seiner (schulischen) Leistungsfähigkeit zu bemessen ist, muß an dieser Schule Raum sein für scheinbar Zweckfreies, zum Beispiel für Gottesdienste und für Aktivitäten im musischen und ästhetischen Bereich.

Ein Schulprogramm, das den Ansprüchen dieses Rahmenkonzeptes entspricht, stellt hohe Anforderungen an die religiöse Kompetenz aller Lehrkräfte, besonders jedoch an die der Religionslehrkräfte. Durch gemeinsame Fortbildungen der Kooperationspartner soll diese Kompetenz bei den Lehrerinnen und Lehrern gestärkt werden. Im Fokus steht dabei die Kenntnis der eigenen Religion aus der Teilnehmerperspektive und Auskunftsfähigkeit über Lehre und Ausdrucksformen gelebten Glaubens bei gleichzeitiger Offenheit für den Dialog mit den Menschen in der Erziehungsgemeinschaft Schule, die andere religiöse Überzeugungen haben.

Trialogische Beratung der Schule und des Schulträgers: Der Beirat

Weil der katholische Schulträger die spezifischen Erwartungen und Wünsche der Mitglieder anderer Religionen in der Schulgemeinschaft nicht kennen kann, sollen Experten aus dem beteiligten Umfeld die Schule und ihre Gremien, die Schulaufsicht und den Schulträger bei der Konzeption und Ausgestaltung des religiösen Profils der Schule beraten. Aus Sicht des Schulträgers, der Schulstiftung, ist eine offene religionssensible Gestaltung des Schullebens nur mit aktiver Beteiligung von fachkundigen Vertreterinnen und Vertretern der anderen Religionen möglich.

Diese Expertenrunde bildet ein zusätzliches Gremium: den Beirat der Schule. Er setzt sich nach dem Kooperationsvertrag der drei Partner wie folgt zusammen: die Schulleitung; je ein Religionslehrer bzw. eine Religionslehrerin der beteiligten Religionen; Vertreter bzw. Vertreterinnen der Eltern (möglichst aller drei Religionen), Vertreter bzw. Vertreterinnen des Schulträgers bzw. der kirchlichen Schulaufsicht, der Friedensstadt Osnabrück (falls von der Stadt gewünscht), der jüdischen Gemeinde von Osnabrück, der katholischen Pfarrgemeinde, auf deren Gebiet die Schule liegt, der evangelischen Kirche, der Muslime.

Seine Funktion ist die Beratung; die Entscheidungen liegen wie bei allen eigenverantwortlichen Schulen der Schulstiftung jeweils bei Schulkonferenz, Schulleitung und Schulträger. Der Beirat ist für grundsätzliche Fragen zuständig, die nicht Gremien der Schule vorbehalten sind, und berät die Schule und den Schulträger in wichtigen Fragen des religiösen Profils der Schule. Er muß vor Entscheidungen der Schulkonferenz und des Schulträgers angehört werden, wenn diese das besondere religiöse Profil der Schule betreffen, insbesondere bei der Entwicklung des Schulprogramms, der Gestaltung des außerunterrichtlichen Schullebens, den Curricula des Religionsunterrichts, der Präsenz der Religionsgemeinschaften in der Schule und Entscheidungen zu religiösen Symbolen in den Schulräumen. Der Beirat kann von Eltern, Schülerinnen und Schülern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schule angerufen werden, wenn diese sich durch Regelungen oder Praxis der Schule in ihrer Religionsfreiheit wesentlich eingeschränkt sehen. Er soll in solchen Fällen für die jeweiligen Entscheidungsträger Empfehlungen erarbeiten.

Dieser Beirat, der dazu dient, die Schule zum trialogischen Lernort zu gestalten, wird damit selbst zu einem Ort, an dem die beteiligten Religionsgemeinschaften in diesen Trialog eintreten.

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