FrauenordinationEin drängendes Desiderat in der katholischen Kirche

Die Frauenordination ist trotz päpstlicher Diskussionsverbote ein relevantes Thema geblieben. Georg Kraus, emeritierter Professor für Dogmatik an der Universität Bamberg, untersucht die Gründe pro und contra und plädiert für eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt.

"Wir werden ungeschminkt ausleuchten, wie wir als Kirche in Wort und Tat mit dem Vorwurf umgehen müssen, es gebe in ihr zu wenig Transparenz und zu viele Denk- und Diskussionsverbote", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in seinem Impulsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda am 20. September 2010. Unter dem Titel "Zukunft der Kirche - Kirche für die Zukunft. Plädoyer für eine pilgernde, hörende und dienende Kirche" gab er den Impuls zur Eröffnung eines Dialogprozesses in der katholischen Kirche Deutschlands. "Ein neuer Aufbruch der Kirche" kann seiner Meinung nach nur gelingen, "wenn wir offen und angstfrei miteinander reden. Der neue Aufbruch, den wir suchen, beginnt bei uns selbst."1 Mit diesen Worten ermunterte der Vorsitzende seine Mitbischöfe.

Denk- und Diskussionsverbot?

Ein strenges Denk- und Diskussionsverbot erließ Papst Johannes Paul II. 1994 in seinem "Apostolischen Schreiben über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe", wo er am Schluß kraft seines Amtes erklärte, "daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben"2. Schon 1976 hatte die Kongregation für die Glaubenslehre mit Zustimmung von Papst Paul VI. festgestellt:

"Die Kirche hält sich aus Treue zum Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen."3

Aber in der wissenschaftlichen Theologie ging die Diskussion auch nach 1976 und 1994 weiter. Exemplarisch vertritt - der sonst sehr zurückhaltende - Siegfried Wiedenhofer in seinem dogmatischen Werk "Das katholische Kirchenverständnis" eine Öffnung für die Frauenordination. Er regt eine Reflexion zu den Fragen an, "wieweit die einhellige Tradition der Männerordination z. B. mit der Macht eines androzentrischen Weltbildes und einer patriarchalischen Gesellschaft verbunden ist und wieweit sie die Geschichtlichkeit und geschichtliche Konkretheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus zum Ausdruck bringt". Dabei kommt er zur Konklusion:

"Wenn folglich unter den soziokulturellen Bedingungen der Gegenwart ein neuer Sinn für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Ungerechtigkeit einer androzentrischen und patriarchalischen Religion, Kultur und Gesellschaft erwacht ist und wenn eben diese Gleichberechtigung sowohl zu den Grundbestandteilen des christlichen Schöpfungsglaubens als auch der christlichen Erlösungserfahrung und der christlichen Vollendungshoffnung gehört, dann ist in dieser Korrespondenz von gegenwärtigem geschichtlichen Aufbruch und der inneren Struktur des christlichen Glaubens auch die Glaubensgeschichte noch einmal kritisch auf ihre eigentliche Intention hin zu befragen."

Ekklesiologisch sieht er "in einem mehr pneumatologischen Amtsverständnis" eine gute Begründungsmöglichkeit für die Frauenordination4. Im April 2011 hat sich sogar ein Bischof, nämlich Markus Büchel von St. Gallen, öffentlich für die Zulassung der Frauen zur Ordination ausgesprochen. Im St. Galler Pfarrblatt sagte er zum Problem, daß man eine Weile lang nicht über die Frauenordination diskutieren durfte: "Das können wir uns heute nicht mehr leisten." Konstruktiv tritt er dafür ein, Schritte zu suchen, die zur Frauenordination führen und meint konkret: "Ich könnte mir vorstellen, daß der Diakonat der Frau ein solcher Schritt sein könnte." Zum Priesteramt für Frauen äußert er: "Wir können beten, daß uns der Heilige Geist die Zeichen der Zeit erkennen läßt."5

Tatsächlich ist es - nach einem breiten Konsens in der gegenwärtigen Dogmatik - ein drängendes Desiderat der Zeichen der Zeit, daß die Diskussion über die Zulassung der Frauen zur Ordination als Diakoninnen oder Priesterinnen mit theologischen Argumenten fortgeführt wird. In diesem Beitrag wird der Fokus auf der Priesterweihe von Frauen liegen. Überblicksartig sollen wesentliche Argumente contra und pro Frauenpresbyterat dargestellt werden. Dabei ist gleich zu Beginn eindeutig festzuhalten, daß - in Orientierung an repräsentativen Dogmatikern6 - die Zulassung der Frauen zur Priesterweihe dezidiert befürwortet wird.

Gegenwärtige Ausgangssituation zum Presbyterat der Frau

Im 20. Jahrhundert hat die sehr mächtige Frauenbewegung gegen den herrschenden Patriarchalismus durchgesetzt, daß Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen die Gleichberechtigung erhielten. So entwickelte sich auch in den Kirchen eine scharfe Kritik am Patriarchalismus und zugleich ein starkes Engagement für die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern.

Nach langen, mühevollen und spannungsgeladenen Diskussionen setzte sich in allen großen Kirchen-Gemeinschaften - mit Ausnahme der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirchen - allmählich die Neueinführung der Ordination von Frauen durch. So ist es Faktum, daß es derzeit in lutherischen und reformierten Kirchen, in baptistischen Kirchen, in der anglikanischen und altkatholischen Kirche Pfarrerinnen und auch Bischöfinnen gibt.

Strikter Ausschluß der Frauenordination in lehramtlichen Stellungnahmen

Aus Anlaß der Einführung der Frauenordination in der anglikanischen Kirche hat Papst Paul VI. eine strenge Ablehnung der Frauenordination bekundet. Dies geschah 1976 in der Erklärung der Glaubenskongregation "Inter insigniores" zur Frage der Zulassung von Frauen zum Priestertum.

Gegen den negativen Bescheid dieser Erklärung gab es innerkatholisch von vielen Seiten Widerspruch: durch Theologen und Theologinnen; durch Gruppen von Priestern und Ordensleuten, zum Beispiel durch die "Nationale Vereinigung der amerikanischen Ordensfrauen"; durch Frauenvereinigungen, zum Beispiel durch die "Konferenz für die Frauenordination WOC". In Gegenreaktion darauf hat 1994 Papst Johannes Paul II. die lehramtliche Ablehnung im Dokument "Apostolisches Schreiben 'Ordinatio Sacerdotalis' über die nur Männern vorbehaltene Weihe" bekräftigt.

Da die innerkatholische Kritik nicht verstummte, publizierte 1995 der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, mit Billigung des Papstes eine "Antwort der Glaubenskongregation auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben 'Ordinatio sacerdotalis' vorgelegten Lehre". Hier wird das Nein der katholischen Kirche zur Priesterweihe der Frauen als Glaubensgut bezeichnet, das vom ordentlichen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist. Doch der Widerstand an der Basis ging weiter bis hin zum Faktum, daß in einigen Regionen der katholischen Kirche trotz des Verbots die Ordination von Frauen zu Priesterinnen stattfand. Darauf reagierte im Jahr 2008 die Glaubenskongregation mit einem Dekret, das erklärte: Die ordinierten Frauen und die verantwortlich beteiligten Personen verfallen automatisch der Exkommunikation.

Die Grundaussagen von "Ordinatio sacerdotalis" (1994)

Da dieses Apostolische Schreiben von Johannes Paul II. einen lehramtlich hochrangigen Stellenwert hat, soll sein Hauptinhalt skizziert werden. In der Nummer 1 des (nur drei Seiten langen) Dokuments steht am Anfang das Traditionsargument:

"Die Priesterweihe … war in der katholischen Kirche von Anfang an ausschließlich Männern vorbehalten." Dann wird dicht als Standpunkt der katholischen Kirche festgestellt, "daß es aus prinzipiellen Gründen nicht zulässig ist, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Zu diesen Gründen gehören: das in der Heiligen Schrift bezeugte Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln wählte, die konstante Praxis der Kirche, die in der ausschließlichen Wahl von Männern Christus nachahmte, und ihr lebendiges Lehramt, das beharrlich daran festhält, daß der Ausschluß von Frauen aus dem Priesteramt in Übereinstimmung steht mit Gottes Plan für seine Kirche."

Die Nummer 2 schließt die Meinung aus, daß sich Christus nur aus sozio-kulturellen Motiven der damaligen Zeit auf Männer beschränkt hatte:

"Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten … zu richten". Deshalb hat die Kirche "bei der Zulassung zum Amtspriestertum stets als feststehende Norm die Vorgehensweise ihres Herrn bei der Erwählung der zwölf Männer anerkannt."

In der Nummer 3 führt der Papst ein mariologisches Argument an, das den Vorwurf einer Diskriminierung der Frauen in der katholischen Kirche entkräften soll:

Denn es "zeigt die Tatsache, daß Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, nicht den eigentlichen Sendungsauftrag der Apostel und auch nicht das Amtspriestertum erhalten hat, mit aller Klarheit, daß die Nichtzulassung der Frau zur Priesterweihe keine Minderung ihrer Würde und keine Diskriminierung ihr gegenüber bedeuten kann."

Positiv sieht der Papst die Rolle der Frau in der Kirche "absolut notwendig und unersetzbar": So wünschte er,

"daß die christlichen Frauen sich der Größe ihrer Sendung voll bewußt werden; ihre Aufgabe ist heutzutage von höchster Bedeutung sowohl für die Erneuerung und Vermenschlichung der Gesellschaft als auch dafür, daß die Gläubigen das wahre Antlitz der Kirche wieder neu entdecken."

In der Nummer 4 schärft der Papst ein, daß die Entscheidung des katholischen Lehramts, Frauen nicht zur Priesterweihe zuzulassen, einen definitiven und verfassungsmäßigen Charakter hat. So erklärt er kraft seines Amtes zum Schluß, "daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben".

Problem der Rezeption des päpstlichen Lehrdekrets

Anlaß und Ziel des defensiven Schreibens war es, die Rezeption der lehramtlichen Position durchzusetzen, daß die Frauen nicht zur Priesterweihe zugelassen werden können. Aber in den zwei synchronen Instanzen (sensus fidelium und wissenschaftliche Theologie) für die Wahrheitsfindung im Glauben ging die Diskussion sofort weiter. Zum einen widersprach der sensus fidelium, vor allem in vielen Frauengruppen; zum andern erhob die wissenschaftliche Theologie argumentative Einwände.

Ein Haupteinwand aus der dogmatischen Erkenntnislehre richtete sich gegen die Art, wie im päpstlichen Lehrschreiben das Schrift- und Traditionsargument verwendet wird. Das formale Grundproblem ist die wenig differenzierte Beachtung der Geschichtlichkeit der Glaubensentwicklung in Schrift und Tradition.

Gerade das Amtsverständnis und die konkrete Struktur der Ämter sind in einem Werdeprozeß bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden. So ist etwa die Aussage: "Maria hat nicht das Amtspriestertum erhalten" völlig anachronistisch, weil der historische Jesus zwar die Zwölf erwählt, aber noch kein Amtspriestertum eingesetzt hat. Was die Tradition in der Ämterfrage betrifft, ist immer der geschichtliche Kontext der Entstehung der Ämter und die lebendige geschichtliche Veränderbarkeit zu beachten. Eindeutig sind die Ämter in der frühen Kirche im Kontext des Patriarchalismus entstanden, und sie haben im Lauf der Kirchengeschichte ihre Ausdrucksformen immer wieder verändert. Diese Geschichtlichkeit der kirchlichen Ämter sollte das päpstliche Lehramt ernstnehmen und in der jetzigen geschichtlichen Situation der Gleichberechtigung der Frauen den Zugang zur Frauenordination öffnen.

Ein konkreter Einwand der wissenschaftlichen Theologie richtet sich gegen die ungeschichtliche Art, wie das päpstliche Lehrschreiben die Erwählung des Zwölfergremiums interpretiert. Dort wird geschlußfolgert: Jesus hat zwölf Männer als Grundsteine seiner Kirche erwählt, deshalb können nur Männer ein kirchliches Amt innehaben. Aber nach dem Konsens der neutestamentlichen Exegese ist dies ein unsachgemäßer Ansatz, weil er den geschichtlichen Kontext nicht beachtet.

Denn der historische Jesus verbindet mit der Zwölfzahl eine symbolische Funktion. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, daß seine Botschaft dem Gesamtvolk Israel gilt. Die Zwölf repräsentieren ganz Israel, das als Zwölf-Stämme-Volk auf die zwölf Söhne Jakobs zurückgeht. Damit Jesu Anspruch in der jüdischen Gesellschaft seiner Zeit verstanden werden konnte, mußte er als Repräsentanten der Söhne Jakobs ausschließlich Männer wählen. So will er mit der symbolischen Berufung der zwölf Männer nichts zur Frauenfrage sagen, denn durch die Aufnahme von Frauen in die Zwölfzahl wäre die Symbolik damals unverständlich geblieben. Aber Jesus hat Frauen als Jüngerinnen in seine Gefolgschaft aufgenommen, was eine positive Begründung dafür gibt, daß es seinem Willen entspricht, Frauen - wie in den Urgemeinden tatsächlich geschehen - besondere Funktionen in der Kirche zu geben.

Außerdem stellt die wissenschaftliche Theologie eine Mißachtung der konkreten geschichtlichen Situation fest, wenn das päpstliche Lehrschreiben behauptet: "Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig." Da Apostelsein bedeutet, öffentlich für die Botschaft Jesu Zeugnis abzulegen, konnte sich Jesus in der jüdischen Umgebung seiner Zeit nicht frei und unabhängig entscheiden, was die Auswahl zur öffentlichen Zeugenschaft betrifft. Es war ja Faktum: Im damaligen Judentum hatten die Frauen kein öffentliches Zeugnisrecht. So konnte Jesus für die öffentliche Zeugenschaft keine Frauen auswählen. Jesus war vielmehr in Abhängigkeit von seiner soziokulturellen Situation gezwungen, wegen der Zeugnisfähigkeit nur Männer als öffentliche Verkünder zu berufen.

Dogmatische Grundlegung für die Zulassung der Frauen zum Presbyterat

Um eine Verhedderung im Detail zu vermeiden, ist es am sachdienlichsten, prinzipielle Gründe für die Einführung der Frauenordination zu erörtern. Fundamentale Argumente für ein Ja zur Frauenordination sind: die Gleichwertigkeit und Komplementarität von Mann und Frau in der Schöpfungs- und Erlösungsordnung; die Teilhabe aller Getauften am Priestertum Christi; die Repräsentation Christi durch alle Getauften; ein pneumatologischer Neuaufbruch gegenüber bisheriger Tradition in der Frauenfrage.

1. Gleichwertigkeit und Komplementarität von Mann und Frau in der Schöpfungs- und Erlösungsordnung: Ausgangsbasis für die Zulassung der Frauen zum Presbyterat ist die Würde der Frau, wie sie biblisch in der Botschaft von Schöpfung und Erlösung grundgelegt ist.

Das tiefste Fundament für die gleiche Würde von Mann und Frau liegt in der gemeinsamen Gottabbildlichkeit. Diese ist eindeutig in Gen 1,27 artikuliert: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." Also gilt: Mann und Frau sind zusammen Gottes Abbild; die Frau ist dem Mann nicht nachgeordnet, sondern gleichgeordnet; als Abbild Gottes haben beide, Mann und Frau, etwas Göttliches in sich. Für das Leben heißt das: Die Geschlechter sind da, um sich zu ergänzen und gemeinsam die Fülle des Menschseins darzustellen; das volle Menschsein verwirklicht sich im komplementären Zusammenwirken von Mann und Frau.

Das läßt sich entsprechend auf das kirchliche Leben anwenden: In der Gemeinschaft der Kirche sollen Mann und Frau komplementär zusammenwirken; so soll auch in den kirchlichen Ämtern die Gemeinsamkeit von Mann und Frau zum Ausdruck kommen; die volle Teilhabe der Frauen an den kirchlichen Ämtern soll verdeutlichen, daß der Mann nicht über die Frau herrscht, sondern daß Mann und Frau gemeinsam die Kirche führen.

Auch im Neuen Testament ist die gleichwertige Gottabbildlichkeit von Mann und Frau eine Grundüberzeugung. Jesus Christus vertritt in Verkündigung und Verhalten die gleiche Würde von Mann und Frau. Er bezieht selbstverständlich sowohl Männer als auch Frauen in sein heilbringendes Handeln ein. Als Auferstandener erscheint Jesus zuerst Frauen und bestellt sie zu Verkünderinnen des zentralen Heilsereignisses seiner Auferstehung. In den Urgemeinden herrscht mit dem Apostel Paulus die Überzeugung: "Es gibt nicht mehr … Mann und Frau, denn ihr alle seid einer in Christus" (Gal 3,28).

Für die Zulassung der Frauen zur Ordination bedeutet dies alles: Mann und Frau sind durch das Heilswerk Jesu Christi in gleicher Weise erlöst. So haben Mann und Frau auch eine gleichwertige Teilhabe an der Weitervermittlung des Heilswerkes Jesu Christi. Die Aufgabe des Heilsdienstes ist am besten zu verwirklichen durch das komplementäre Zusammenwirken von Mann und Frau. Für den gleichwertigen Heilsdienst ist jedoch die Zulassung der Frauen zu allen Ämtern eine notwendige Voraussetzung.

2. Die Teilhabe aller Getauften am Priestertum Christi: Christus ist der wahre und einzigartige Priester des Neuen Bundes. An seinem Priestertum erhalten alle Anteil, die durch die Taufe in die Kirche als Leib Christi eingegliedert sind. Alle Getauften bilden eine "heilige Priesterschaft" (1 Petr 2,5). In diesem allgemeinen Priestertum sind alle Getauften zum priesterlichen Dienst in der Kirche berufen.

Wenn nun alle Getauften die priesterliche Würde und Berufung haben, dann gilt das in gleicher Weise für die Männer wie für die Frauen. Das Priestertum aller ist kein leerer Titel, sondern eine wirkliche Befähigung zum Heilsdienst. Darum sind auch die Frauen vom allgemeinen Priestertum her ordinationsfähig. Von dieser Basis her können Frauen, die sich berufen fühlen und die nötigen Gaben mitbringen, durch die Kirche zum besonderen priesterlichen Dienst, zum Presbyterat ordiniert werden.

3. Die Repräsentation Christi durch alle Getauften: Da alle, die auf den Namen Christi getauft sind, "Christus angezogen" (Gal 3,27) haben und "in Christus … eine neue Schöpfung" (2 Kor 5,17) sind, haben alle Getauften durch ihr Sein in Christus die Eignung, Christus zu repräsentieren. Im Licht dieser seinsmäßig grundgelegten Christusrepräsentation ist die traditionelle katholische Formel zu interpretieren, daß der Priester "in persona Christi" handelt. Dieses "in persona Christi" wird traditionell als entscheidende Begründung für die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe angeführt. Denn - so wird argumentiert - da Christus ein Mann war, können nur Männer Christus repräsentieren.

Aber beim Personsein geht es prinzipiell um die spezifische menschliche Würde, die Frauen und Männer gemeinsam haben. Auch bei der Person Jesu Christi geht es um sein Menschsein und nicht um seine Männlichkeit. Denn es heißt nicht: Der Sohn Gottes ist Mann geworden; sondern es heißt: Der Sohn Gottes ist Mensch geworden (im Credo: homo factus est). Da nun Mann und Frau als Menschen das Personsein gemeinsam besitzen, kann sowohl der Mann als auch die Frau "in persona" Christus repräsentieren. Insofern also auch die Frauen als Getaufte in ihrem Personsein die Person Christi repräsentieren, ist das eine tiefste Begründung dafür, daß die Frauen eine fundamentale Befähigung zum priesterlichen Repräsentieren Christi haben. Darum muß auch in dieser Perspektive den Frauen der Zugang zum ordinierten priesterlichen Dienst offen stehen.

4. Pneumatologischer Neuaufbruch in der Frage der Frauenordination: Die Kirche war in ihrer Entstehung eine Schöpfung des Geistes Gottes, und sie lebt durch all die Jahrhunderte aus der schöpferischen Kraft des Geistes Gottes.

Es war das Wirken des Geistes Gottes, das am Pfingstfest die konkrete Kirche ins Leben rief. Als die zwölf Apostel "zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu" (Apg 1,14) in einem Haus zum Gebet versammelt waren, ließ sich der Geist Gottes im Zeichen von Feuerzungen "auf jeden von ihnen" nieder und "alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt" (Apg 2,3 f.). Petrus trat dann als Zeuge auf und deutete das Ereignis als Endzeitgeschehen nach Joel 3,1: "Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein" (Apg 2,17). Demnach waren Frauen unmittelbar bei der Gründung der Kirche dabei, und sie wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt; in der Deutung des Petrus wurde auch Frauen ("Töchtern") ein prophetischer Dienst zugeschrieben.

Damals konnten die Frauen aber nicht in der Öffentlichkeit reden, da sie kein öffentliches Zeugnisrecht besaßen. Das öffentliche Zeugnis konnte also nur ein Mann, eben Petrus als Sprecher der Apostel ablegen. In der Gegenwart besteht eine ganz neue gesellschaftliche Situation, indem die Frauen die Gleichberechtigung besitzen und in allen Bereichen der Öffentlichkeit wirken können.

So muß in unserer Zeit aufgrund der Gleichberechtigung der Frau auch die Rolle der Frauen in der Kirche neu bedacht und geregelt werden. Vom Prinzipiellen her ist ja die gleiche Würde der Frau in der Schöpfungs- und Erlösungsordnung grundgelegt. Konkret bietet das Sakrament der Taufe die Ausgangsbasis für einen gleichberechtigten Heilsdienst der Frauen. Denn in der Taufe empfangen alle, Frauen ganz gleich wie Männer, den Heiligen Geist. So erhalten auch Frauen Anteil an allen Geistesgaben, an allen Charismen. Damit haben wir im Geistempfang der Taufe eine tiefste pneumatologische Begründung für die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen an allen Diensten, oder, traditionell gesagt, an allen Ämtern in der Kirche. So müßten die Frauen auch zu allen ordinierten Ämtern zugelassen werden.

Im Hinblick auf die Frauenordination brauchen wir in der katholischen Kirche ein neues Pfingsten, einen pneumatologischen Neuaufbruch. Die Leitung der katholischen Kirche sollte sich neu vom schöpferischen Geist Gottes erfassen lassen und der neuen gesellschaftlichen Situation entsprechend in einem großen schöpferischen Schritt die Frauenordination zulassen.

Fazit

Aus den vorausgegangenen Erörterungen ergibt sich dogmatisch eine eindeutige positive Begründung für die Zulassung von Frauen zu allen ordinierten Ämtern.

Zusammenfassend läßt sich als Konklusion formulieren: Fundamentale dogmatische Prinzipien zeigen, daß der Ausschluß der Frauen von der Ordination vom Glauben her nicht gerechtfertigt ist; vielmehr sprechen diese dogmatischen Prinzipien dezidiert dafür, daß die Frauen voll die geistliche Qualifikation für eine Ordination zu allen kirchlichen Ämtern besitzen. Es ist Zeit für die katholische Kirche, die Zeichen der Zeit in der Frage der Frauenordination zu erkennen und kreativ mit der Einführung der Frauenordination zu handeln.

Das Entscheidende in der Frage der Frauenordination ist nicht das Faktum einer sehr langen Tradition, sondern die Prüfung, ob diese Tradition in der gegenwärtigen geschichtlichen Situation das Heil der Menschen fördert. Nach dem Willen Jesu ist - analog zum Sabbatwort von Mk 2,27 - der Mensch nicht für die Tradition da, sondern die Tradition für den Menschen. So entspricht es dem Willen Jesu, der "Herr über den Sabbat" (Mk 2,28) und damit auch Herr über die Tradition ist, daß eine Tradition, die in ihrem Heilsdienst sehr umstritten ist, geändert werden kann. Wenn sich die katholische Kirchenleitung am Heilswillen des Herrn orientiert, hat sie eindeutig die Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden.

Das Heil der Menschen muß oberstes Prinzip in der Kirche sein. Da die Ordination von Frauen ein neues, spezifisches Feld des Heilsdienstes eröffnet, wird in unserer heutigen gesellschaftlichen Situation das Heil vieler Menschen gefördert. Heilsdienst aber ist der zentrale Wille des Herrn Jesus Christus. Darf die Leitung der katholischen Kirche diesen absoluten Willen des Herrn weiterhin ignorieren?

Tempus urget - die Zeit drängt: Mag auch im Kontext der katholischen Kirche "Geduld" in der Frage der Verwirklichung der Frauenordination angebracht sein, so muß doch - mit Karl Rahner SJ - abschließend gesagt werden: "Diese Geduld sollte nicht überbeansprucht werden, weil die Zeit drängt und man gewiß nicht ohne Schaden für die Kirche 100 Jahre warten kann." 7

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