Ohne Geld geht fast nichts - auch nicht in den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Seelsorge, Caritas, Solidarität in der Einen Welt gibt es nicht zum Nulltarif. In diesem Zusammenhang wird gerne das Thema Kirchensteuer angeschlagen, zumeist, um sie in Frage zu stellen. Manche halten dieses System der Kirchenfinanzierung für überholt, für ein Relikt aus der fernen Vergangenheit.
Es werden dann von politischen Parteien und gesellschaftlichen Kräften, aber auch von innerkirchlichen Stimmen die Abschaffung oder die Überarbeitung gefordert. Nicht selten spielt dabei politisches und religionspolitisches Kalkül eine Rolle. Innerhalb der Kirche versprechen sich manche von einer Abkehr mehr Glaubwürdigkeit und Freiheit im Erscheinungsbild einer "armen Kirche". Als Beispiel dient oft unser Nachbarland Frankreich - in Verkennung der dramatischen Lage der dortigen Kirche. Gerne wird dabei Bezug genommen auf die Freiburger Konzerthausrede von Papst Benedikt XVI. vom September 2011, in der er auf eine "Entweltlichung" drang.
Das deutsche System der Kirchenfinanzierung darf als Besonderheit gelten. Ausgangspunkt sind die Enteignungen der Kirche nicht zuletzt am Ende der napoleonischen Zeit. Die weltlichen Herrscher, denen das Kircheneigentum in die Hände fiel, übernahmen die Verpflichtung für eine angemessene Ausstattung der Kirchen. Um sich dieser Verpflichtungen zur Finanzierung der Kirche zu entledigen, räumten schon in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts kleinere Territorialstaaten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann die meisten deutschen Staaten den Kirchen per Gesetz ein Kirchensteuererhebungsrecht ein.
Die Einführung dieses Rechtes, das heute ausdrücklich auch im Grundgesetz verankert und vergleichbar auch anderen Religionsgemeinschaften zuerkannt ist, war Ausdruck einer finanziellen Entflechtung von Staat und Kirche. Sie markiert aber auch die spezielle deutsche Dialektik einer Verbindung und einer Trennung von Staat und Kirche, da bis zum heutigen Tag das Steuererhebungsrecht der Kirchen auf ein Zusammenwirken von Kirchenrecht und weltlichem Recht angewiesen ist: Den (landes-)gesetzlichen Kirchensteuernormen korrespondieren kirchlicherseits die Kirchensteuerordnungen. Die soziale Ausgewogenheit der Kirchensteuer wird dadurch erzielt, daß sie als eine Annexsteuer zur Lohn- und Einkommenssteuer erhoben wird. Auch gesamtkirchenrechtlich ist das deutsche Kirchensteuerrecht keine "teilkirchliche Anomalie", sondern durch eine universalkirchenrechtliche Klausel (c. 1263 CIC) dem Grunde nach zugelassen. Bis in die jüngste Zeit hinein hat der Heilige Stuhl auch durch die Konkordate mit den Bundesländern diese Finanzierungsmodalität immer wieder bestätigt.
Tatsächlich war die Kirchensteuer nie völlig unumstritten. Die Annahme, sie widerspreche der Trennung von Kirche und Staat, ist aber historisch nicht korrekt. Manche Kritiker bejahen einen Kirchenbeitrag, wollen aber selbst über Zweck und Empfänger entscheiden. Doch ist - wie bei jeder Steuer - eine Zweckbindung bei der Kirchensteuer nicht möglich. Schließlich kann die Kirchensteuer bei denjenigen, die die Kirchen grundsätzlich für ein Auslaufmodell und ihren Beitrag zu einer Kultur der Solidarität und Hilfe für Menschen in Not für fragwürdig halten, kaum mit Akzeptanz rechnen.
Wie viele derer, die zivil aus der Kirche austreten, diesen Schritt vorrangig tun, um sich der Kirchensteuer zu entziehen, ist nicht bekannt. Die Deutsche Bischofskonferenz hat jüngst in einem vom Heiligen Stuhl gebilligten Dekret festgelegt, die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zivilen Behörde (bzw. in Bremen bei der Kirche) habe zur Folge, daß der Austretende die meisten aktiven Kirchengliedschaftsrechte verwirkt. Er distanziert sich öffentlich und nachdrücklich von der Kirche und kann dementsprechend nicht zugleich aktives Mitglied sein. Eine Unterscheidung zwischen der Zugehörigkeit einerseits zur "Institution" und anderseits zur "geistlichen Gemeinschaft" ist theologisch und in Deutschland auch rechtlich nicht möglich. Diese Position hat erwartungsgemäß die Mißbilligung vieler auf sich gezogen, die konkret die katholische Kirche in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen kritisieren. Sie ist aber doch stringent und weit davon entfernt, den Stab über den Ausgetretenen zu brechen. Nach der neuen Regelung nimmt auf jeden Fall ein Seelsorger mit dem Ausgetretenen Kontakt auf und ersucht um ein Gespräch. Hinsichtlich der persönlichen Gläubigkeit gilt lediglich, daß diese im vollen Sinn nur innerhalb der Kirche und nicht auf Distanz zu ihr gelebt werden kann.
Die Option, Kirchensteuer zu erheben, hält noch in einem weiteren Sinn die Sphären von Kirche und Staat auseinander: Nicht der Staat, sondern die Kirche erhebt die Steuer - und zwar als eine Art Mitgliedsbeitrag, also nur von ihren Gläubigen. In Italien, wo der Steuerpflichtige einen bestimmten Teil seiner Steuerschuld nach freiem Ermessen einer sozialen Organisation seines Vertrauens zuwenden kann, handelt es sich um staatliches Geld, nicht um das Geld der Gläubigen, das zugewendet wird.
Die Kirchensteuer bindet also Kirche und Staat aneinander, ohne daß dies den Grundsätzen des neutralen Staats widersprechen würde. Zum einen schafft sie einzigartige Möglichkeiten der Seelsorge und der dauerhaften Unterstützung des kirchlichen Lebens und der Menschen in aller Welt. Zum anderen ist sie die Grundlage einer breiten kirchlichen Präsenz in der Gesellschaft, wie sie katholischem Denken entspricht. Und, am Rande: Sie entlastet den Staat! Der Eigenanteil eines Akteurs - der Kirche - bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben, zum Beispiel im Bildungswesen oder bei sozial-karitativen Einrichtungen und damit beim Aufbau eines pluralen Dienstleistungssektors, ist für den Staat eine Ersparnis - und wegen des inhaltlichen Profils eine über ökonomische Zusammenhänge hinausgehende Bereicherung. Kirchensteuerzahler tragen mehrfach zum Gemeinwohl bei.