Drohnen vs. Völkerrecht

Der Einsatz unbemannter, ferngelenkter und mit Präzisionswaffen bestückter Flugkörper, sogenannter Drohnen, wird in der internationalen Debatte nicht als grundsätzlich verboten angesehen, wohl aber zunehmend mit Sorge beobachtet und von Juristen kritisiert, weil er gegen den Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen und das Humanitäre Völkerrecht verstoße. Außerdem wird er von vielen Kommentatoren als heimtückisch beurteilt. Bislang gibt es keine völkerrechtlich verbindliche Verbotskonvention für diese Waffenart. Als heimtückisch gilt ihr Einsatz deswegen, weil der Angegriffene überall und ohne Vorwarnung getroffen werden kann und deshalb überhaupt keine Möglichkeiten hat, sich zu schützen oder zu wehren.

Neben den amerikanischen Streitkräften, die zum ersten Mal im Oktober 2001 während des Afghanistan-Einsatzes bewaffnete Drohnen nicht nur auf afghanischem Territorium, sondern im Verlauf des ISAF-Einsatzes auch - mit Duldung der pakistanischen Regierung - im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan eingesetzt haben, stützt sich der amerikanische Geheimdienst (CIA) seit Februar 2002 in steigendem Maße auf diesen Waffentyp, um in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen gezielt Taliban- Kämpfer bzw. Mitglieder der Al-Qaida zu töten. Bis 2011 hat das "Joint Special Operation Command" (JSOC) der US-Armee den Einsatz von Drohnen koordiniert; seit einem Jahr operiert die CIA unabhängig vom Pentagon und unter der direkten operativen Leitung des amerikanischen Präsidenten. In diesen Einsätzen sind in Pakistan, Somalia und im Jemen seit 2002 rund 3000 Menschen getötet worden.

Im Jahr 2010 legte Philip Alston, UN-Sonderbeauftragter für außergerichtlichte, summarische und willkürliche Hinrichtungen, einen Bericht vor. Er wies nach, daß vor allem die USA durch "gezieltes Töten" (targeted killing) mit Hilfe von Kampfdrohnen in steigendem Maße internationales Recht verletzen. Dabei werden im einzelnen die Artikel 2 und 51 sowie Kapitel VII der UN-Charta und Regelungen des Humanitären Völkerrechtes zur Disposition gestellt. Artikel 2 verbietet die Drohung mit und den Einsatz von Gewalt in internationalen Konflikten und damit implizit auch jeden militärischen Einsatz auf fremdem Territorium, insoweit vom betroffenen Staat keine Zustimmung für die jeweiligen Aktion vorliegt. Artikel 51 bzw. Kapitel VII gestatten die Anwendung von Gewalt in einem zwischenstaatlichen Konflikt nur im Falle der Selbstverteidigung oder im Rahmen einer durch ein UN-Mandat aufgetragenen friedenserzwingenden Maßnahme. Außerdem gilt in den von der UN-Charta zugestandenen Fällen von militärischer Gewaltanwendung für alle involvierten Parteien das Humanitäre Völkerrecht.

Die beteiligten Kriegsparteien sind demnach verpflichtet die Kriterien der militärischen Notwendigkeit, der Angemessenheit der eingesetzten Mittel, der Vermeidung unnötigen Leidens sowie der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten zu beachten. Nicht-Kombattanten genießen darüber hinaus den besonderen Schutz des Völkerrechts. Im Gegenzug können Nicht-Kombattanten, die aktiv an Kampfhandlungen teilnehmen, für sich nicht das "Kombattanten- Privileg" in Anspruch nehmen; das heißt, daß sie für ihre Handlungen strafrechtlich im Rahmen nationalstaatlicher Gesetze verfolgt werden können und müssen. Unter diese Regelungen würden demnach alle Angehörigen der CIA fallen, die an Einsätzen mit Kampfdrohnen teilgenommen haben, da sie nicht Angehörige der regulären amerikanischen Streitkräfte sind

Ende Januar 2012 erklärte US-Präsident Barack Obama zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit, daß von der CIA regelmäßig Drohnen zum "gezielten Töten" von Al-Qaida-Mitgliedern und deren Alliierten eingesetzt werden. Mit der Bemerkung: "Wir halten die Leine sehr kurz", versuchte er seine Zuhörer davon zu überzeugen, die einzelnen Entscheidungen für eine konkrete "Aktion" würden nach Recht und Gesetz gefällt. Anfang März 2012 erläuterte der amerikanische Justizminister Eric Holder vor Mitgliedern der Northwestern University School of Law (Chicago) die Position seines Präsidenten. Er bezeichnete den Einsatz von Kampfdrohnen als völkerrechtskonform, da die USA mit Zustimmung der betroffenen Staaten solche Kampfeinsätze durchgeführt haben und durchführen werden. Aber auch in jenen Fällen, in denen der entsprechende Staat dazu nicht in der Lage oder nicht willens sei, stünde den USA das Recht auf Selbstverteidigung angesichts einer "unmittelbaren Bedrohung" (imminent threat) zu.

Des weiteren wehrte sich Holder dagegen, daß Regierungskritiker "gezieltes Töten" als "Mord" bezeichnen. Er begründete dies mit dem Hinweis, Selbstverteidigung gegenüber einer unmittelbaren Bedrohung entspreche dem Gesetz, wenn sie auf folgenden Einschätzungen beruhe: "Das Urteil darüber, ob eine bestimmte Person eine unmittelbare Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstelle, umfaßt Überlegungen über den einschlägigen Handlungsspielraum (relevant window of opportunity to act), Einschätzungen über den Schaden, welcher die Zivilbevölkerung treffen könnte, wenn dieser Spielraum nicht ausgenützt wird und einem Urteil über die Wahrscheinlichkeit, zukünftige gefährliche Angriffe gegen die Vereinigten Staaten verhindern zu können."

Was Holder hier als Entscheidungskriterien vorschlägt, sind Überlegungen über die Effektivität einer Handlung. Diese können nie die Begründungslast für den Einsatz von Gewalt mit geplanter Todesfolge tragen. Außerdem bedeutet eine extensive Interpretation des Rechts auf Selbstverteidigung nicht nur, daß die zwischenstaatlichen Regelungen der UN-Charta unterlaufen werden. Sie impliziert auch einen durch nationale Sicherheitsinteressen diktierten Vorbehalt gegenüber den im UN-Menschenrechtspakt formulierten Menschenrechten. Davon sind auch amerikanische Staatsbürger betroffen, denen Holder ausdrücklich das verfassungsmäßig garantierte Recht auf einen fairen Prozeß als absoluten Rechtsanspruch abspricht.

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