Ein Student der Sozialpädagogik macht über mehrere Monate ein Praktikum in einem von Ordensschwestern geleiteten Kinderheim in Afrika. Der Einsatz der Ordensfrauen für die ihnen anvertrauten Kinder, die religiöse Motivation ihres Engagements veranlaßt ihn, für sich selbst die Frage nach Gott und Kirchenmitgliedschaft zu stellen. Er kommt nach seiner Rückkehr zu mir, nicht, um über seinen Glauben mit mir zu reden - dieser ist für ihn zu einer Grundüberzeugung geworden -, sondern um die "Rahmenbedingungen" seines Glaubens zu klären. Zur Feier der Taufe, Firmung, Kommunion lädt er seine nicht mehr praktizierende katholische Mutter, seine ungetaufte Schwester, seine evangelisch getaufte Freundin und mehrere Kommilitoninnen und Kommilitonen mit unterschiedlichsten religiösen Einstellungen ein.
Eine spätere Arzthelferin kommt als kleines Kind aus der ehemaligen DDR mit ihren glaubenslosen Eltern nach Westdeutschland, kann in der Schule als "Gast" am Religionsunterricht teilnehmen, begegnet über ihren katholischen Mann und ihre katholischen Schwiegereltern erstmals ernsthaft dem Glauben an Gott und der katholischen Kirche, entdeckt anläßlich einer schweren Krankheit ihrer Mutter das Gebet, wird durch die katholische Taufe ihres Kindes bewegt, sich selbst taufen zu lassen. Bald wollen sie und ihr Mann auch katholisch-kirchlich heiraten.
Ein ungetauftes Kind ungetaufter Eltern chinesischer Abstammung besucht eine katholische Grundschule und nimmt am Religionsunterricht teil. Mit seinen Klassenkameraden bereitet sich der Junge auf die Erstkommunion vor und hat den sehnlichsten Wunsch, mit ihnen zusammen das Altarsakrament zu empfangen. Er nimmt die Vorbereitung sehr ernst und besucht über Monate Sonntag für Sonntag die heilige Messe. Begleitet wird er dabei immer von seinem Vater. Am Osterfest wird das Kind getauft, am Weißen Sonntag empfängt es den Leib des Herrn, wird Meßdiener. Der Vater, der seinen Sohn weiterhin zu den Gottesdiensten begleitet, bittet nach einem Jahr darum, durch das Sakrament der Taufe Christ zu werden. Dank der bald zweijährigen Teilnahme am Gottesdienst habe er in seinem aufgewühlten Leben endlich innere Ruhe und den Frieden mit sich selbst gefunden. Er verdanke dies alles Gott. Zwei Jahre später kommt die Mutter des Jungen und bittet gleichfalls um die Taufe.
Eine promovierte Volkswirtschaftlerin, evangelisch getauft, verliebt sich in einen katholischen Chefarzt. Ihm zuliebe konvertiert sie zur katholischen Kirche. Die theologischen Trennungslinien zwischen evangelischer und katholischer Kirche - Amtsverständnis, Abendmahlslehre, Frömmigkeitsformen - haben für sie so gut wie keine existentielle Bedeutung hinsichtlich ihrer Gottesbeziehung. Einladungen zur kirchlichen Eheschließung wie zur Taufe ihrer fünf Kinder folgen.
Ein Medienfachmann bewirbt sich an einer katholischen Einrichtung und wird eingestellt. Dies ist für ihn Anlaß, wieder in die katholische Kirche einzutreten. Zur Feier der Aufnahme in die volle Gemeinschaft der Kirche und, um die Ernsthaftigkeit seines Entschlusses auch öffentlich kundzutun, lädt er seine Eltern, Geschwister und Freunde ein.
Innerhalb von vier Wochen wenden sich etwa zehn Studierende für das Lehramt "Katholische Religion" an die "Glaubensorientierung". Einige sind ungetauft, einige evangelische Christen, einige Katholiken, die das Sakrament der Firmung nicht empfangen haben. Das mehrjährige Studium der Katholischen Theologie ist für alle im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nie zum Problem geworden. Erst durch die nach dem Abschlußexamen erforderliche bischöfliche "Missio" zur Erteilung des Religionsunterrichtes sehen sie sich existentiell gefordert. Sie alle wünschen, mit der Katholischen Kirche ins reine zu kommen, um ihren Beruf ausüben zu dürfen.
Glaubensorientierung als Ergänzung der Gemeindepastoral
Die zunehmende Anzahl von erwachsenen Taufbewerbern und die damit verbundene Notwendigkeit, diese auf dem Weg zum christlichen Glauben wie zur katholischen Kirche zu begleiten ("Erwachsenenkatechumenat"), hat vor etwa 15 Jahren mehr und mehr deutsche Diözesen veranlaßt, Seelsorgezentren zu gründen, die vielfach den Namen "Katholische Glaubensorientierung" oder "Katholische Glaubensinformation" tragen. In diese wurden die traditionelle "Konvertitenseelsorge" wie auch die "Wiedereintrittsstellen in die Kirche" integriert. Die Bedingungen und Erfahrungen sind zwar regional verschieden, doch mögen die Beobachtungen, die ich in 20jähriger Tätigkeit auf diesem Gebiet in Hamburg, Stuttgart und Aachen gesammelt habe, einige Aspekte einer zukünftigen Pastoral beleuchten.
Tätig war ich ausschließlich in Großstädten: in Hamburg (1993 bis 1998), das einmal als die säkularisierteste Metropole Westdeutschlands angesehen wurde, im eher protestantisch geprägten Stuttgart (1998 bis 2003), im noch katholisch gefärbten Aachen (2003/2006 bis 2012). Von seiten der jeweiligen Bistümer war ich einziger Ansprechpartner für den Großraum dieser Städte. Zur Verfügung gestellt war mir ein Sprechzimmer, das anonym zugänglich und nicht in einem wahrnehmbar kirchlichen Ambiente gelegen war. Dies erwies sich für die meisten meiner Besucher nicht nur als eine große Erleichterung, sondern als unabdingbare Voraussetzung; denn wer will schon gleich als "Glaubenssuchender" erkannt und möglicherweise stadtbekannt werden?
Spürbare Verbundenheit mit der katholischen Kirche, theologische Kompetenz, die zwischen Fundamentalem und Belanglosem zu unterscheiden weiß, emotionale Wärme und Güte, die auch unerbittlich werden darf, Sensibilität und langmütige Geduld sind Voraussetzungen für eine Arbeit in der Glaubensorientierung. Zudem sollte sie von der Grundüberzeugung geleitet sein, daß Gott auch "auf krummen Zeilen gerade schreiben" kann und einmal alles zum Guten führt. Von Vorteil ist, wenn ein Priester diese Tätigkeit übernimmt, da dann die Begleitung auf dem Weg zum Glauben wie auch das Spenden der Sakramente und die Aufnahme in die Kirche in ein und derselben Person vereint sind.
Die Tätigkeit in der Glaubensorientierung ist immer als eine Ergänzung und Unterstützung des pastoralen Einsatzes zu verstehen, den Pfarrer und andere pastorale Mitarbeiter in den Kirchengemeinden leisten. Sie soll jene entlasten, die aufgrund ihrer Überbeanspruchung keine Zeit für solch einen Dienst haben - obgleich die Hinführung zum christlichen Glauben und zur katholischen Kirche eine der Kernaufgaben der Pastoral auch in den Pfarreien sein dürfte. Seltsamerweise stößt eine katechumenale Arbeit in den Pfarreien oft auf Widerwillen: Sie bringt den gängigen "Betrieb" einer Pfarrgemeinde durcheinander. Es fehlt das pastorale Gespür für sie gerade an jenem Ort, an dem doch am ehesten das Untrennbare des christlichen Glaubens an Gott und der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Glaubenden erlebt werden könnte. Zur Pflicht eines Leiters der Glaubensorientierung gehört es, sich in den Pastoralkonferenzen der Dekanate vorzustellen, um für Verständnis und Zusammenarbeit zu werben, mag dieses Informationsangebot auch von einigen Dekanaten nicht sonderlich geschätzt werden.
Die Bezeichnung "Glaubensorientierung" ist für diesen pastoralen Auftrag wohl die geeignetste, weil dieses Wort die Mitte wahrt zwischen "Glaubensinformation", was den Eindruck bloßer Wissensvermittlung hinterlassen kann, und "Glaubensberatung", was dem Therapeutischen zu nahe kommt.
Ein kurzer Blick auf die Anfänge und Wegbereiter der "Glaubensorientierung" kommt an zwei Namen nicht vorbei: In Städten wie Berlin, Hamburg, Hannover, Leipzig, Mannheim, München haben schon vor Jahren Jesuitenpatres wertvolle und wegweisende Pionierarbeit im Sinne der "Glaubensorientierung" geleistet. In Hamburg war es mein Vorgänger Paul Bolkovac SJ (1907-1993), der von 1948 bis zu seinem Tod, also über mehr als vierzig Jahre hinweg, der dortigen "Glaubensorientierung" eine einzigartige Prägung verlieh - dank seines Charmes und seiner menschlich-intellektuell-warmherzigen Weite. Mit der "Newman-Gesellschaft" schuf er ein Forum eines weltanschaulichen Dialogs, das in der Nachkriegszeit und darüber hinaus die Tätigkeit mancher katholischen Akademien vorwegnahm. Ihn, den journalistisch Begabten, suchten "Presseleute" auf, etwa von "Zeit" und "Spiegel". Für Kunstschaffende war er ein geschätzter Gesprächspartner. Jahrzehnte vor mir hatte in Stuttgart Stadtpfarrer Hermann Breucha (1902-1972) visionär gewirkt. Mit seinem priesterlichen Einsatz wurde er zum Symbol und Vorreiter eines "Aufbruchs wie Durchbruchs in der Kirche".
Wer kommt zur Glaubensorientierung?
Es sind Menschen im Alter von etwa 20 bis 75 Jahren - vom Analphabeten bis zum Universitätsprofessor. Vorwiegend sind es jedoch solche mit Abitur und Hochschulstudium: Akademikerinnen und Akademiker zwischen 25 und 40 sowie zwischen 55 und 65 Jahren.
Für Taufbewerber sind die Anlässe recht vielfältig. Einen signifikanten Schwerpunkt habe ich in all den Jahren nicht feststellen können. Für die erste Altersgruppe kann die Frage einer Lebensorientierung nach Abschluß der Studien und zu Beginn des Erwerbslebens ausschlaggebend sein oder aber Partnerschaft und Kindererziehung, die Sehnsucht nach einer Beheimatung in einer religiösen Gruppe, das Wachwerden der Gottesfrage, das Erleben von schwerer Krankheit und der Tod vertrauter Menschen - um nur einiges anzuführen. Bei der zweiten Altersgruppe geht es eher um folgende Themen: Wofür habe ich gelebt? Welchen Inhalt soll das letzte Drittel meines Lebens erhalten? Auch das Verlangen nach einer vom Glauben an Gott geprägten, ganz neuen Lebensorientierung in der Gemeinschaft der Kirche kann in diesem Lebensabschnitt entstehen.
Etwa 20 Prozent derjenigen, die um ein Gespräch bitten, brechen dieses nach einiger Zeit ab. Sie haben erkannt, daß der Gottesglaube nicht der für sie rechte Weg ist, und können aufgrund der Gespräche auch den Grund dafür benennen. Manche meinen, auf der Ebene des Glaubens oder der Religion Probleme lösen zu können, die eher in den Bereich des Therapeutischen gehören (etwa die Aufarbeitung einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung aus ihrer Vergangenheit). Die meisten kommen einfach nicht mehr zu den vereinbarten Gesprächsterminen, ohne Abmeldung oder sonst eine Nachricht.
Warum katholische Kirche? - Kirchliche Sozialisation - Was ist "katholisch"?
Es mag vielfach ein persönlicher oder gesellschaftlicher Zufall sein, daß sich Menschen auf der Suche nach Gott und einem kirchlich geformtem Glauben der katholischen Kirche zuwenden und nicht etwa den protestantischen oder orthodoxen Gemeinschaften. Drei Gründe werden jedoch immer wieder vorgetragen und sind in ihrer Bedeutsamkeit nicht zu unterschätzen: 1. Der Gottesdienst in der katholischen Kirche wird als "menschlicher" empfunden - voller Symbole und Zeichen und nicht so "verkopft-intellektuell", wie etwa manche evangelischen Predigtgottesdienste erlebt werden. 2. Der katholischen Kirche wird größere spirituelle Kompetenz zugeschrieben und auch von ihr erhofft. Es soll vorrangig um "Religion" gehen und nicht um "Politik" und "Soziales". 3. Es wird die eindeutigere und klarere Lehre der katholischen Kirche gesucht, nach der nicht ein und dasselbe zugleich wahr und falsch ist, wie es in anderen Kirchen bei deren amtlichen Vertretern unterschiedlichster Couleur offensichtlich häufiger wahrgenommen wird. Einige, die kommen, haben auch diverse christlich-esoterische und nichtchristliche, zumeist fernöstliche religiöse Rituale durchprobiert.
Bei nicht wenigen gestaltet sich die Entwicklung des Glaubens in der Kirche als ein Weg voller Hoffnung. Aus der Mitfeier der Gottesdienste erwächst ein kirchliches Engagement, das sich etwa bei Eltern in der Mitarbeit im Kindergarten oder als Erstkommunion- und Firmbegleiter äußert, bei anderen als Mitglied im Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand. Solcher Einsatz fällt leichter, wenn auch der Lebenspartner katholisch ist oder eine Zugehörigkeit zu einer katholischen Gruppierung besteht. Wie lebens- und glaubenswichtig eine soziale Einbindung in die Kirche ist, wird daran deutlich - und dies darf nicht verschwiegen werden -, daß in Deutschland bei schätzungsweise 40 Prozent derjenigen, die als Erwachsene getauft werden, der kirchlich gelebte Glaube nach etwa zwei bis drei Jahren wieder "versandet", wie mir ein in dieser Frage versierter Theologe bedeutete und wie ich es teils selbst bestätigen kann.
Manche Taufbewerber kommen mit einem ganz unangemessenen Bild des Katholischen. Dieses haben sie durch katholische Freunde und Bekannte vermittelt bekommen, die zu jenen bald 90 Prozent der Katholiken gehören, die als Nicht- Kirchgänger bezeichnet werden. Ein solches Bild ist für die Katechumenen - die Taufbewerber - oft von normativer Kraft und dient ihnen als Richtschnur. Wenn sie vernehmen, daß der regelmäßige Besuch des Sonntagsgottesdienstes zum Grundbestand des katholisch gelebten Glaubens und seiner Frömmigkeit gehört, fallen sie aus allen Wolken. Vermutlich werden sie trotzdem zukünftig jene Gestalt des Katholischen praktizieren, die sie an ihren katholischen Verwandten als üblich und genügend erkennen. Sie sind schon glücklich und zufrieden, daß sie in irgendeiner Weise im Christentum bzw. der Kirche ein verläßliches "Dach für ihre Seele" gefunden haben, unter dem sie zuhause und beheimatet sind.
Wiederaufnahme in die Kirche
Für diejenigen, die um eine Wiederaufnahme in die Kirche bitten, sind zumeist folgende Motive ausschlaggebend: die Übernahme eines Patenamtes bei einer Kindstaufe oder der Firmung eines Jugendlichen; der ausgesprochene wie unausgesprochene Wunsch von Arbeitgebern einer kirchlichen Einrichtung; der Wunsch nach einer christlichen Bestattung; gar nicht so selten die Einsicht, daß ohne eine inspirierende und motivierende Gemeinschaft von Glaubenden auch die persönliche Gottesbeziehung, die als bedeutsam und lebenswichtig erkannt wird, auf die Dauer verkümmert und erlischt. Der Austritt aus der katholischen Kirche erfolgte oft, weil man als junger Mensch von seinem erstverdienten Gehalt nichts abgeben wollte - also aus finanziellen Motiven - und/oder schon seit geraumer Zeit keinen kirchlichen Kontakt mehr pflegte; seltener, weil man sich durch einen Amtsträger der Kirche persönlich verletzt fühlte, sich über kirchliche Skandale ärgerte oder einfach mit der Institution Kirche nichts mehr zu tun haben wollte.
Wie fanden und finden die Menschen die Glaubensorientierung?
In Hamburg und Stuttgart wurde der Kontakt hergestellt durch Pfarreien, das Katholische Bildungswerk bzw. die Katholische Akademie, durch katholische Buchhandlungen, private Empfehlungen sowie durch Flyer in den Kirchen. Das hat sich in den vergangenen fünf Jahren grundlegend gewandelt. Nahezu 95 Prozent der Interessenten finden die Glaubensorientierung heute direkt über das Internet unter ‹www.katholisch-werden.de›, wo sie auch die ersten hilfreichen Informationen erhalten. Sie wenden sich unmittelbar an diese Stellen, ohne zuvor irgendeinen engeren Kontakt zu einer katholischen Kirche, einer Pfarrgemeinde oder einem Katholiken gehabt zu haben. Mittlerweile haben auch die allermeisten deutschen Bistümer auf ihren Internetseiten einen Link zu ‹www.katholisch-werden.de›.
Methode und Inhalt der Gespräche
In einem telephonisch vereinbarten Orientierungsgespräch geht es zunächst um die Anliegen und Motive derjenigen, die angerufen haben. Es wird strenge Vertraulichkeit des Besprochenen vereinbart; ebenso, daß das Gespräch von beiden Seiten in aller Freiheit beendet werden kann, wenn die menschliche Atmosphäre nicht mehr stimmig und vertrauensvoll ist. Methodisch ist ein Gespräch von etwa einer Stunde alle 14 Tage empfehlenswert, da sich ein solcher Rhythmus als nicht überfordernd und zugleich überschaubar bewährt hat. Unterschiedlichste Voraussetzungen hinsichtlich des Alters, des Bildungsniveaus, der Vertrautheit mit Glaube und Kirche, die Beanspruchung durch die Familie und den Beruf lassen fast nur Einzelgespräche zu, die allerdings wegen der erforderlichen Konzentration für manche fast zu anstrengend sind.
Gruppengespräche mit drei bis vier Personen scheitern zumeist nach kurzer Dauer immer wieder aufgrund von Terminschwierigkeiten, obgleich sie die Teilnehmer gegenseitig ermuntern, inspirieren, stärken, motivieren und auch entlasten könnten. An anderen Orten machte die Glaubensorientierung in dieser Hinsicht allerdings gegenteilige Erfahrungen. In Gesprächen geht es naturgemäß vorrangig um die intellektuelle Ebene des Gottesglaubens und der Kirche. Die mehr emotionale Seite muß jeder einzelne durch eigene Praxis des Betens sowie der Gottesdienstteilnahme kultivieren und herausfinden, ob die katholische Kirche auch erlebnishaft zu seiner religiösen Heimat wird.
Wenn mit der Zeit, die bei Taufbewerbern, Konvertiten und Wiederaufzunehmenden unterschiedlich lang ist und von einem Monat bis zu einem Jahr dauern kann, die intellektuelle, emotionale und soziale Ebene stimmig ist und der Mensch seinen inneren Frieden gefunden hat, können die Gespräche mit der Feier der Taufe, Firmung, Konversion oder Wiederaufnahme beendet werden. Solche Feiern werden als gottesdienstliche Handlungen in einer Kirche entweder in einer öffentlichen Eucharistiefeier an einem kirchlichen Hochfest (Taufe des Herrn, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen) mit mehreren Personen zusammen oder in einer Seitenkapelle vor einer heiligen Messe im Kreis von Angehörigen, Freunden und Bekannten gestaltet.
Inhalt und Thema der Gespräche sind die Grundwahrheiten des christlichen Glaubens: Jesus Christus, heilige Messe, Kirche, Bibel, Sakramente, Gebet, christliches Leben, Kirchenjahr, Formen katholischer Frömmigkeit. Ziel ist nicht ein Übermaß an Wissen, zumal sich manche Fragen erst im Lauf des künftigen Lebens stellen. "Heiße Themen" des Katholischen wie beispielsweise Frauenpriestertum oder Zölibat spielen in diesem Zusammenhang so gut wie keine Rolle und sind Randphänomene.
Als "Handbuch" scheint immer noch der "Briefkurs zum Glauben" am geeignetsten zu sein. Diese Ausarbeitung von 24 Themen ist sprachlich, inhaltlich und pädagogisch eine ideale Anregung und wird auch von den Bewerbern so beurteilt. Er wurde von der von Pfarrer Ferdinand Krenzer gegründeten "Katholischen Glaubensinformation Frankfurt" (kgi) herausgegeben, die unbegreiflicherweise im Jahr 2009 schließen mußte. Als Buchform liegt dieser Kurs nicht mehr vor. Dankenswerterweise wurde der Text auf der Internetseite der neugegründeten "Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral" (KAMP) in Erfurt zum Herunterladen bereitgestellt (Downloads, Briefkurs zum Glauben der kgi). Auch der von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebene anspruchsvollere "Katholische Erwachsenenkatechismus" ist für manche hilfreich. Als Gesamtentwürfe mit persönlicher Prägung sind diese Bücher anregend: "Einführung in das Christentum" von Joseph Ratzinger, "Credo" von Hans Küng oder "Unseren Glauben verstehen" von Peter Knauer SJ. Daß die Bibel als Heilige Schrift des Glaubens eine entscheidende Rolle spielt, versteht sich von selbst.
Zahlen und Tendenzen
Angesichts der Menschen, die in Deutschland aus der katholischen Kirche austreten (2010: etwa 181 000) ist die Zahl derjenigen, die durch die Erwachsenentaufe (2010: etwa 3500), Konversion (2010: etwa 3500), Wiedereintritt (2010: etwa 7400) in sie aufgenommen werden, verschwindend gering. Die Euphorie, die Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts manche beseelte und die sich angesichts des beeindruckenden Sterbens Papst Johannes Pauls II. sowie der Wahl Papst Benedikts XVI. auch zahlenmäßig in den Jahren 2005 bis 2007 zu bestätigen schien, ist wohl dahin. Seitdem macht sich ein deutlicher Abwärtstrend bemerkbar. Im Bistum Aachen beispielsweise ist die Zahl der Wiederaufnahmen von etwa 560 (im Jahr 2006) auf 350 (2010) gesunken; die der Konversionen von etwa 160 (2005) auf 104 (2010), die der Erwachsenentaufen von 133 (2006) auf rund 100.
Ich selbst hatte in meiner Hamburger Zeit (1993 bis 1998) elf Erwachsenentaufen, fünf Firmungen, 33 Konversionen, drei Wiederaufnahmen. In Stuttgart (1998 bis 2003) waren es sieben Erwachsenentaufen, vier Firmungen, sieben Konversionen, elf Wiederaufnahmen. In Aachen (2003/06 bis 2012) 21 Erwachsenentaufen, vier Firmungen, 14 Konversionen, 74 Wiederaufnahmen. Vielleicht ist es erwähnenswert, daß in Aachen etwa zehn Katechumenen aus dem türkischen, arabischen und ostasiatischen Raum (China, Vietnam) stammten - mit steigender Tendenz (Moslems, Buddhisten, Konfuzianer, ethisch geprägte "Nicht-Theisten").
Erwachsenenkatechumenat heute
Daß der Erwachsenenkatechumenat in der Pastoral der katholischen Kirche Deutschlands seit etwa zwölf Jahren eine bedeutsame Rolle spielt, ist das unbestreitbare Verdienst des jetzigen Bischofs von Limburg, Professor Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst. Angeregt durch Erfahrungen in Gemeinden der USA, hat er den katechumenalen Weg mit seinen ekklesialen, liturgischen, theologischen, spirituellen und mystagogischen Elementen bedacht und seine Überlegungen in zahlreichen Veröffentlichungen publiziert. Jemandem, der der Lebenspraxis der Katechumenen verbunden ist und auch ihren glaubensmäßigen Alltag als Theologe begleitet, kann es allerdings bei manchen der theologischen Höhenflüge des Bischofs etwas schwindlig werden. Sein Konzept ist von der Deutschen Bischofskonferenz akzeptiert worden und eingegangen in die Broschüre "Erwachsenentaufe als pastorale Chance - Impulse zur Gestaltung des Katechumenats" (Arbeitshilfen 160, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2001). Das Deutsche Liturgische Institut in Trier, der Deutsche Katecheten-Verein in München und manche Bistümer haben dazu weiterführende Materialien herausgegeben. Bei einem Fachkongreß im Mai 2009 in Frankfurt am Main zum Thema: "Christ werden - Christ bleiben. Die Chance des Katechumenats", veranstaltet von der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Bischof Dr. Joachim Wanke (Erfurt) wurde ein erstes Resümee gezogen und sollten Impulse für die Zukunft gesetzt werden.
Die Struktur des Katechumenats umfaßt nach diesem Modell die Dauer eines Jahres (von Pfingsten bis Pfingsten) und gliedert sich in die Phasen der Erstverkündigung, des eigentlichen Katechumenats mit der Taufe in der Osternacht und der mystagogischen Vertiefung bis zum Pfingstfest. In der katechumenalen Unterweisung sind liturgische Handlungen vorgesehen, die sinnvoll sein mögen, die ich selbst allerdings nie etwa einem Chefarzt einer Uniklinik oder einem Unternehmer, der Verantwortung für mehr als 1000 Mitarbeiter trägt, zumuten möchte: etwa den Ritus der "Übergabe der Bibel" oder der "Übergabe des Vater-unser-Gebets". Meiner Einschätzung nach handelt es sich bei diesen und manch anderem um - sit venia verbo - liturgische Spielchen, die für Kinder im Grundschulalter angemessener wären. Zudem habe ich den Verdacht, mit dieser "Struktur" des Katechumenats will man den Glaubenssuchenden wieder in eine Ordnung, besser: Organisation des Glaubens bannen und ihn reglementieren, anstatt ihm die Freiheit eines organischen Wachsens zu gewähren, die seinem Leben angemessener wäre.
Meiner Erfahrung nach entspricht diese strenge Form des Katechumenats nicht dem Lebensrhythmus des Großteils derjenigen, die mich aufsuchen. In den vergangenen sieben Jahren habe ich im Bistum Aachen nur eine einzige Pfarrei kennengelernt (aus dem ländlichen Raum), die das Modell der Bischofskonferenz praktiziert (zwei Begleiter für etwa insgesamt zwei Taufbewerber jährlich in dieser Gemeinde). Alle sonstigen Katechumenatsbegleiter der Diözese Aachen lassen sich vom genannten Modell zwar inspirieren, wenden es aber nicht an, weil es für ihre Praxis wenig geeignet ist. Wenn an dem "Taufzulassungsgottesdienst", zu dem der Bischof alle Taufbewerber der Diözese eines Jahres zum ersten Sonntag in der Fastenzeit in seine Kathedrale einlädt, nur sechs bis acht Personen von möglichen rund 100 teilnehmen, dann ist das wohl ein Zeichen, daß der Katechumenat in der gewünschten Form noch nicht angekommen ist. In anderen Bistümern Deutschlands werden anscheinend auch andere Erfahrungen gemacht.
Die Firmung von Erwachsenen
Aus den unterschiedlichsten Gründen haben viele katholische Christen das Sakrament der Firmung als Jugendliche nicht empfangen. Der Wunsch nach dem Empfang des Firmsakraments kann mit einer Neuentdeckung des Glaubens im Erwachsenalter entstehen. Da es in der Regel eine Zumutung ist, solche Erwachsenen in eine Firmfeier für Jugendliche zu integrieren, deren Gestalt durch liturgische Rituale für 14- bis 16jährige geprägt ist, haben viele Diözesen Deutschlands eigene Erwachsenenfirmungen vorgesehen, zu denen der Bischof zum Pfingstfest etwa in seine Bischofskirche einlädt. Dankenswerterweise spricht der Bischof von Aachen seit vier Jahren auch für seine Diözese eine solche Einladung aus. Der vorgetragene Einwand, es bestehe für diese Firmung keine pastorale Notwendigkeit, wird allein schon dadurch widerlegt, daß sich zu den ersten Firmungen bald 50 Erwachsene anmeldeten, im vergangenen Jahr immerhin knapp 30.
Fazit: Glauben in intellektueller Redlichkeit
In der "Glaubensorientierung" wird auf dem Weg zum christlichen Glauben wie zur katholischen Kirche eine Basis vermittelt, auf der und mit der Menschen in intellektueller Redlichkeit, mit Zuversicht und Vertrauen, mit Freude und engagiertem Einsatz bestehen können. Für die meisten Christen genügt dies. Der Dynamik des Lebens entsprechend wird sich auch der Glaube an Gott und das Eingebundensein in die Gemeinschaft der Kirche entwickeln und vertiefen. Weitere Gespräche, Besinnungstage, Exerzitien können dann hilfreich sein. Doch das Verlangen nach übertriebenen "Glaubensübungen" mit all dem damit verbundenen Aufwand an finanziellen Mitteln und personalem Einsatz sollte nicht provoziert und unterstützt werden. Den letzten "Kick" einer Gotteserfahrung wird man in diesem Leben niemals erreichen können. Um ein Bild meiner westfälischen Herkunft und Frömmigkeit aufzugreifen: Mit dem "Schwarzbrot und Schinken" des Glaubens lebt es sich oft besser und zuversichtlicher, weil nahrhafter, als mit "Hummer und Kaviar" exaltierter Erlebnisse, für deren Köstlichkeit jemand nur dankbar sein kann, die einem aber möglicherweise allzu schnell abhanden kommen.