Verliert die "Ehe" ihr Alleinstellungsmerkmal einer dauerhaften und auf Familie ausgerichteten Verbindung von Mann und Frau? Wird sie allmählich zu einem Gattungsbegriff für allerlei Lebensformen, der alle Unterschiede einebnet? Dieser Eindruck drängt sich seit geraumer Zeit nicht zuletzt dadurch auf, dass die Öffentlichkeit auffällig oft mit dem Thema der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften beschäftigt wird, auch durch judikative und legislative Vorgänge. So erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur "Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft" beim Ehegattensplittung (7. Mai 2013). Der Bundesrat brachte beim Deutschen Bundestag einen Gesetzesentwurf "zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" ein (22. März 2013).
Während das Bundesverfassungsgericht sorgsam auf den sprachlichen Abstand zwischen dem Rechtsinstitut der Ehe und dem der eingetragenen Partnerschaft achtet, gleichwohl aber materiell eine Angleichung beider Institute bis zur Ununterscheidbarkeit vorantreibt, will der Gesetzesentwurf des Bundesrats auch die sprachliche Gleichschaltung, die den kulturell und rechtlich auf zwei Personen verschiedenen Geschlechts bezogenen Ehebegriff umdefinieren und auf zwei Personen gleichen Geschlechts ausdehnen will.
Dies beabsichtigt auch der medial weit verbreitete Sprachgebrauch der "Homo- Ehe". Ist er gerechtfertigt? Kann es eine marriage pour tous (Ehe für alle) geben, wie sie in Frankreich propagiert wird? Oder handelt es sich um eine semantische Einwanderung unter den Schutzschirm der Ehe, um die "feindliche Übernahme" einer kulturellen Institution und eines rechtlichen Instituts? Die Ehe wird bei allen Gender-Debatten die kultural ausgestaltete, dauerhafte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau bleiben, da die natürliche Zweigeschlechtlichkeit des Menschen und die Paarbildung ubiquitär und aufgrund der Generativität zur Familie hin fähig sind. Werden andere Lebensgemeinschaften, welche die Strukturprinzipien der Ehe nicht verwirklichen (können), mit diesem Begriff benannt, findet eine widersprüchliche Umcodierung der Ehe statt. In einem Bild gesprochen wird dabei aus dem Schimmel ein grüner Schimmel.
Man könnte entgegnen, dieser Zug zur "Gleichstellung" sei längst abgefahren - abgefertigt von internationalen Politlobbys und Gerichtsinstanzen -, und habe in Ländern wie Schweden, Frankreich oder Spanien längst die Hauptbahnhöfe erreicht. Die politische Lokomotive mit dem angekoppelten Tender des Rechts - oder verhält es sich umgekehrt? - zieht den Zug in so rasender Fahrt, dass anderslautende Signale leicht überfahren werden. Da er auch entgleisen könnte, mag eine Unterbrechung der Fahrt hilfreich sein, um sich auf Sprache und Kultur zu besinnen, in die Politik und Recht ja eingebettet sind.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Fraglich ist nicht die Schaffung angemessener rechtlicher Rahmenbedingungen für andere als eheliche Lebensgemeinschaften. Problematisch ist eine Gleichstellungsrhetorik, die semantisch übergriffig wird und die Differenz zwischen Ehe und anderen Formen egalisiert, also Ungleiches gleich macht. Hinter dem Pulverdampf der einzelnen Auseinandersetzungen spielt sich untergründig eine semantische Umcodierung der Ehe ab. Sie scheint Ausdruck einer Sprachpolitik zu sein, die auf den leisen Sohlen der political correctness daherkommt. Eine solche Sprachpolitik in einer zentralen gesellschaftlichen Frage kündigt den kulturellen und rechtlichen Konsens auf und versucht, über einen oktroyierten Sprachgebrauch partikulare Interessen durchzusetzen.
Mit welcher Kompetenz betreiben politische Zirkel, Parlamente oder Gerichte eine derartige Sprachpolitik? Der Gesetzgeber kann Gesetze erlassen, das Gericht Gesetze interpretieren und Urteile fällen. Sind sie dadurch befugt, semantische Umcodierungen kultur- und rechtsrelevanter Begriffe vorzunehmen und die Sprachgemeinschaft zu verwirren? Hier gilt das Kompetenzanmaßungsverbot. Der gesellschaftliche Wandel betrifft gewiss auch das Eheverständnis, wie man an der Pluralisierung der Lebensformen ablesen kann. Gleichwohl bleibt es bei einem breiten sozialen Konsens über die Ehe, bei der analytisch evident ist, dass Mann und Frau sie eingehen. Wer dem Volk demoskopisch aufs Maul schaut, erfährt empirisch durch europäische und globale Wertestudien, dass die Ehe auch interkulturell eine hohe Akzeptanz genießt, die weltweit und in Deutschland bei 82 Prozent liegt.
Schon das römische Recht versteht die Ehe als Verbindung von Mann und Frau zur lebenslangen Gemeinschaft, wie das "Corpus Iuris Civilis" festhält (D. 23, 2, 1). Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" (1948) bestimmt, dass heiratsfähige Männer und Frauen das Recht haben, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, was die "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" von 1950 (Art. 12) übernimmt - in Deutschland geltendes Recht. Im Grundgesetz der Bundesrepublik heißt es: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" (Art. 3 Abs. 1); dabei geben Entstehung und Kontext klar zu erkennen, dass "Ehe" zur Familie hin offen ist und Eltern, also Vater und Mutter, die Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder obliegt. In den romanischen Sprachen verweist die lateinische Wortwurzel "matrimonium" auf die Mutter (mater), die auch im Grundgesetz Erwähnung findet (Art. 6, Abs. 4). Der Ehe als Verbindung von Mann und Frau im personalen Bund der Liebe hat die Kirche sakramentale Dignität verliehen.
Gemeinwohl und Sprachgemeinschaft nehmen durch mutwillige Umcodierungen Schaden. Der spätmoderne Kulturwandel braucht die kulturelle Stärkung der Lebenswirklichkeit der Ehe und ihrer Werte wie Treue, Liebe, Verantwortung füreinander und für Kinder. Die zunehmende Orientierung an Ehe und Familie spricht eine deutliche Sprache - auch bei jüngeren Generationen. Dies ist ihr gutes Recht und in aller Regel auch ihr Glück.