Vom "Konstantinischen Pakt" zum Katakombenpakt

Vor 50 Jahren, am 16. November 1965, schlossen etwa vierzig Konzilsbischöfe den sogenannten „Katakombenpakt“. Norbert Arntz, emeritierter Pfarrer des Bistums Münster und Mitarbeiter des Instituts für Theologie und Politik in Münster, stellt die Hauptpunkte der Selbstverpflichtung vor und weist auf ihre weltkirchliche Bedeutung hin.

Fünfzig Jahre nach jenem denkwürdigen Ereignis am 16. November 1965, als rund vierzig Konzilsväter den „Katakombenpakt“ schlossen, wage ich es, die These zu behaupten und zu begründen: Im Katakombenpakt erklären die Unterzeichner ihren Willen, in ihrem persönlichen Leben, in ihrer kirchlichen Amtsführung, im politisch-gesellschaftlichen Kontext des jeweiligen Landes und auf globaler Ebene die konstantinische Ära zu beenden. Papst Franziskus scheint vom gleichen Willen beseelt.

Der Konflikt mit dem Konstantinismus im Zweiten Vatikanischen Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) ist zweifellos eine Wasserscheide: Zum ersten Mal ist die globale Kirche vor den Augen der Weltöffentlichkeit versammelt. Zum ersten Mal ringen Menschen aus allen Ecken der Erde miteinander um das, was die Kirche ist und sein soll. Am schärfsten stellen die Vertreter einer „Kirche der Armen“ das herrschende Modell der Kirche infrage. Sie fühlen sich von der Rundfunkansprache angestoßen, die Papst Johannes XXIII. am 11. September 1962 gehalten hatte. Genau vier Wochen vor der Eröffnung des Konzils sagt der Papst, was die Kirche sein will:

„Gegenüber den unterentwickelten Ländern erweist sich die Kirche als das, was sie ist und sein will, die Kirche aller, vornehmlich die Kirche der Armen.“1

Sich zur gesellschaftlichen Lage der Armut in der Welt zu verhalten, ist für Johannes XXIII. eine Bedingung, um die Bedeutung der Kirche und ihres Tuns angemessen verstehen zu können. Dem Papst kommt es darauf an, aus der Kirche ein Zeichen der Liebe Gottes zu jedem Menschen ohne Ausnahme („die Kirche aller“) zu machen und zugleich daran zu erinnern, dass Gott sich den Unterdrückten und Armen vorrangig zuwendet („insbesondere die Kirche der Armen“). Denn ein Gott, der sich nicht vorrangig den Armen zuwendet, ist auch nicht der Gott aller.

Diese Rede löst eine Bewegung unter einer Reihe von Bischöfen aus. Bischöfe aus Nazareth und der Sahara, Bischöfe, die zu den von Charles de Foucauld angeregten „Kleinen Brüdern Jesu“ zählen, Bischöfe aus der Arbeiterpriesterbewegung und Bischöfe aus der damals sogenannten „Dritten Welt“, die vom Elend der ihnen anvertrauten Menschen und von der Sorge um die Überwindung des Elends tief betroffen sind - sie alle finden sich zusammen und entscheiden, sich als Gruppe „Kirche der Armen“ regelmäßig zu treffen.

Es müsse Schluss sein mit dem zeitweiligen Bündnis zwischen der Kirche und dem „Imperialismus des Geldes“. Alle von weltlichen Herrschaftstraditionen übernommenen Formen müssten in der Kirche beseitigt werden. Sie wollen das Konzil dazu bewegen, „zur Seele dieses Konzils das Geheimnis Christi in den Armen und seine Botschaft an die Armen [zu] machen“ (Kardinal Giacomo Lercaro am 6. Dezember 1962). Kurzum: Was man „konstantinische Ära“ zu nennen pflegt, sollte mit dem Konzil ein Ende haben. Der Katakombenpakt kündigt sozusagen den „Konstantinischen Pakt“.

In einer Sprache, die Emotion und Reflexion miteinander zu verbinden weiß, schildert der brasilianische Bischof Dom Hélder Câmara (1909-1999) in seinen Briefen aus dem Konzil, wie er die Abschlussfeier der Zweiten Konzilsperiode am 4. Dezember 1963 in St. Peter erlebt:

„Ganz genau auf der Höhe des kolossalen Reiterdenkmals von Konstantin traten wir in St. Peter ein. […] Wer hat behauptet, die konstantinische Ära sei vorbei? Während der ganzen Zeremonie - es war für mich ein Alptraum - sah und hörte ich das steinerne Pferd durch die Basilika galoppieren. Es trug den bedauernswerten König, der wie ein trauriges Symbol für eine Epoche wirkte, die wir längst hinter uns gelassen haben wollten. Aber da ist sie noch - höchst lebendig […].“2

Juan José Iriarte (1913-1999), Bischof von Reconquista in Argentinien, beklagt sich offen über die „konstantinische Gefangenschaft“ der Bischöfe:

„Wie schwer ist es für uns Bischöfe der Kirche Christi des 20. Jahrhunderts, diese Botschaft mitzuteilen, die an ihrem Ursprung in die Armut der Menschwerdung, der Krippe und des Kreuzes eingetaucht war, von einem Arbeiter gepredigt wurde, der lebte, ohne auch nur einen Unterschlupf zu haben wie die Füchse [...]. Wir dagegen müssen diese Botschaft von der Höhe unserer marmornen Altäre und Bischofspaläste herab verkünden, dazu im unverständlichen Barock unserer Pontifikalmessen, mit ihrem seltsamen Aufmarsch von Mitren, in den noch befremdlicheren Umschreibungen unserer kirchlichen Sprache. Und zudem treten wir in Purpur gekleidet vor unser Volk [...] und dieses Volk kommt und nennt uns ,Hochwürdigste Exzellenz‘ und beugt das Knie, um den Stein unseres Ringes zu küssen. Es ist nicht leicht, sich von dieser tonnenschweren Last der Geschichte und der Gepflogenheit zu befreien.“3

Auch der deutsche Kardinal Joseph Frings (1887-1978) von Köln befasst sich in seinem Fastenhirtenbrief von 1963 mit dem äußeren Erscheinungsbild der Amtsträger:

„Die vielerlei äußeren Zeichen und Zeremonien, durch die vor allem der Bischof herausgehoben wird, sind erst im Lauf der Kirchengeschichte entstanden. Vor allem seit den Zeiten des Kaisers Konstantin des Großen, als man die äußeren Ehrenbezeigungen, die den höheren Beamten des Römischen Reiches gezollt wurden, auch auf die Bischöfe übertrug. Die Kirche wäre denkbar auch ohne diese äußeren Ehrenbezeigungen, und in Zeiten und an Orten der Verfolgung muss sie schon jetzt darauf verzichten, was ihrem inneren Leben keinen Abbruch tut.“4

Die Bischöfe sind sich des Dienstcharakters ihres kirchlichen Amtes bewusst und plädieren in diesem Sinne auch im Konzil. Sie problematisieren die herrschaftliche Ausstattung des Amtes im Kontext der Christianisierung des römischen Imperiums. Aber den meisten von ihnen - Ausnahmen sind zweifellos Kardinal Lercaro und Bischof Câmara - scheinen die Auswirkungen dieser äußerlich erkennbaren Vereinnahmung auf das „innere Leben“ der Kirche nicht mehr bewusst zu sein, dass nämlich die Christianisierung des Imperiums erkauft wird mit einer Imperialisierung des Christentums. Theologie und Pastoral, Liturgiegestaltung und -sprache, kirchliche Strukturen und Verhaltensweisen werden innerlich davon durchdrungen. Gott ist nicht mehr der Gott der Armen. Das Reich Gottes steht nicht mehr im Widerspruch zu den Reichen dieser Welt, sondern erscheint als deren Überhöhung. Im Credo bekennt man sich nicht mehr zu dem prophetischen Jesus, der seine Gottgleichheit nicht für sich behält, sondern die Gestalt eines versklavten Menschen annimmt, um „ein Leben in Fülle“ (Joh 10,10) für alle zu bezeugen; der jegliches Gesetz bestreitet, das Menschen versklavt („Der Mensch ist nicht für den Sabbat da!“, Mk 2,27). Man bekennt Jesus vielmehr als Pantokrator, als eine Art jenseitigen Kaiser und spirituellen Garanten des Gesetzes. Die Kirche „verfällt der so schrecklichen Misere spiritueller Weltlichkeit“5 (Kardinal Jorge M. Bergoglio SJ).

Dieses Problem diskutiert die Gruppe „Kirche der Armen“ intensiv mit dem Dominikanertheologen Yves Congar (1904-1995). Bei einem Treffen im Belgischen Kolleg behandelt Congar die Frage, „wie die Kirche ein herrscherliches Aussehen bekam“6:

„Unter Konstantin und nach ihm empfangen die Bischöfe im Rahmen des offiziell christlichen Reiches Privilegien und Ehrenstellen. Sie werden dem Stand der Illustri gleichgestellt und erhalten einen Platz in der staatlichen Hierarchie. [...] Die Liturgie […] beginnt […], sich in einem breiten Zeremoniell zu entfalten, in dem viele Einzelstücke dem Hofzeremoniell entlehnt sind: Prozessionen, aufwendige Kleidung, goldene Möbel und Gefäße, prunkhafte Entfaltung der liturgischen Zeremonien. [...] Wenn man von christlichen Wirklichkeiten spricht, gebraucht man gern ein Vokabular, das aus dem kaiserlichen oder staatlichen Bereich stammt: Das Evangelium ist ein ,Gesetz‘, Gott der höchste Kaiser der Welt, die Engel sind seine Minister, Petrus und Paulus die principes (Fürsten) oder senatores mundi (die großen Würdenträger der Welt).“7

Noch stärker wirkt sich die sogenannte „konstantinische Schenkung“ aus. Zwar ist diese angeblich von Kaiser Konstantin um das Jahr 317 selbst ausgestellte „Urkunde“ von Historikern inzwischen als Fälschung aus dem 9. Jahrhundert entlarvt. Aber:

„Im ganzen hatte sie einen beträchtlichen Einfluss auf das Bestreben, zahlreiche Wirklichkeiten der Kirche denen des Reiches nachzubilden, ausgeübt. [...] Nicht, daß die Päpste selbst sich auf diese legendäre Schenkung berufen hätten. Sie hätten damit anerkannt, dass sie irgendetwas der Verleihung durch eine weltliche Macht verdankten; und das wollten sie nicht. [...] Aber die imperiale Idee, die durch alle die anschaulichen Requisiten der Insignien, der Titel, der Organisation des römischen Hofes und seiner Ämter, schließlich des Zeremoniells aufrechterhalten wurde, hat weithin die Entwicklung der päpstlichen Ansprüche und die konkrete Regierung der Kirche im imperialen Sinne gelenkt.“8

Congar fordert die Konzilsgruppe daher auf, mit einem Christentum als ideologischer Stütze des Imperiums zu brechen:

„Es gibt kein Heiliges Reich mehr, aber viele Insignien, viele Stücke des Zeremoniells und damit der Sichtbarkeit [...] leben in der Kirche noch weiter. Wäre es nicht an der Zeit, fände man nicht allen Segen, wenn man ,den kaiserlichen Staub, der sich seit Konstantin auf dem Thron des heiligen Petrus abgesetzt hat, abschütteln würde‘? Das Wort stammt von Johannes XXIII.“9 „Für die Kirche wie für jeden von uns besteht die Gesundheit nicht einfach darin, selbst da zu sein, sondern die wahren Beziehungen zu den anderen zu verwirklichen. Eine Kirche im Dialog wird auch eine arme und dienende Kirche sein, eine Kirche, die ein Wort der Frohbotschaft für die Menschen hat: weniger von der Welt und mehr in der Welt!“10

Der 13. November 1964 gewinnt im Ringen mit dem Konstantinismus eine besondere Bedeutung: Papst Paul VI. legt seine dreifache Krone, die Tiara, nieder - zugunsten der Armen und Bedürftigen. Seitdem trägt weder Paul VI. noch einer seiner Nachfolger je wieder eine Tiara, obwohl kein Papst formell auf den Gebrauch verzichtet. „Der Papst hätte kein trefflicheres Symbol für Einfachheit und den Verzicht auf weltliche Macht finden können“, meint Câmara. Denn die Tiara steht für die weltliche Macht des Papstamtes: „Vergiss nie, dass du der Vater der Fürsten und Könige bist, das Haupt der Welt und der Statthalter Jesu Christi“, lautet bis zu Paul VI. die Übergabeformel bei der Papstkrönung.

Auch Papst Paul VI. setzt also ein Zeichen gegen den Konstantinismus. Seine Entscheidung wird zweifellos von den Aktivitäten und Eingaben der Gruppe „Kirche der Armen“ mit beeinflusst sein. Ein weiteres Ergebnis ihrer Bemühungen ist die Aussage der Kirchenkonstitution in „Lumen gentium“:

„Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen [...]. Christus wurde vom Vater gesandt, ,den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind‘ (Lk 4,18), ,zu suchen und zu retten, was verloren war‘ (Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war.“ (LG 8,3)

Sicherlich ist auch die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ ohne die entschiedene Mitarbeit der Gruppe nicht zu denken. Aber die Bischöfe aus achtzehn Nationen und aus vier Erdteilen, die schließlich die Gruppe gebildet und sich nahezu wöchentlich im Belgischen Kolleg getroffen hatten, erreichen es nicht, die Armen zum Dreh- und Angelpunkt, „zur Seele“ der gesamten konziliaren Beratungen zu machen.

Trotz der nur relativ geringen Einflussmöglichkeiten auf den Gang des Konzils lässt sich die Gruppe nicht entmutigen. Es bedarf offenbar weiterer Umwege, um die Kirche „auf die verloren gegangenen Wege der Armut zurückzuführen“ (Câmara), als man sich während des Konzils erhofft hatte. Gegen Ende des Konzils, am 16. November 1965, versammelt sich eine Gruppe von vierzig Bischöfen in den Domitilla-Katakomben, feiert Eucharistie und unterzeichnet dreizehn Selbstverpflichtungen. Die Wahl des Ortes ist gewiss einerseits davon bestimmt, kein öffentliches Aufsehen zu erregen, sondern sich still und verschwiegen gegenseitig in der Umkehr, „die von innen kommen muss“, zu bestärken. Die Wahl des Ortes wird aber ebenso von der Deutung mit beeinflusst worden sein, die Papst Paul VI. der Domitilla-Katakombe gibt, als er am Vorabend der vierten Sitzungsperiode des Konzils, am 12. September, dort eine heilige Messe feiert und dabei an die Anfänge der Kirche erinnert:

„Für uns sind [die Katakomben] das Andenken an eine lange Geschichte der Verheimlichung, der Unpopularität, der Verfolgung und des Martyriums, der in Rom und in vielen Teilen seines Reiches in den ersten Jahrhunderten des Christentums die Kirche unterworfen wurde; zugleich sind sie das Bild und das Andenken eines gedemütigten Glaubensbekenntnisses, das für immer vorbildlich sein wird in den folgenden Jahrhunderten [...]. Hier schlug das Christentum immer tiefere Wurzeln durch die Armut, durch die Ächtung seitens der Herrschenden, durch das Erdulden ungerechter und blutiger Verfolgungen; hier war die Kirche jeder menschlichen Macht beraubt, war sie arm, demütig, fromm, unterdrückt, unerschrocken. Hier wurde der Vorrang des Geistes, von dem das Evangelium spricht, [...] auf unvergleichliche Weise durch das Martyrium bestätigt.“11

Die aus solchen Überlegungen mit bestimmte Ortswahl und der Titel des Textdokuments lassen erkennen, wie entschieden die Gruppe sich aus der „konstantinischen Gefangenschaft“ verabschieden will. Der folgende Kommentar zu ausgewählten Textabschnitten versteht sich als Anregung, den gesamten Text persönlich zu meditieren und eigene Assoziationen dazu zu sammeln12.

Der Katakombenpakt: „Für eine dienende und arme Kirche“

Der Titel definiert bereits das Programm, dem die Unterzeichner zukünftig ihr persönliches Leben, ihren kirchlichen Dienst, ihre gesellschaftliche Stellung und ihre globale Zusammenarbeit widmen wollen: „Für eine dienende und arme Kirche“ sich zu entscheiden, heißt zugleich, gegen eine herrschaftliche und reiche Kirche Position zu beziehen. Davon sind Câmara und die anderen Mitglieder der Gruppe „Kirche der Armen“ überzeugt. Sie spüren den grundsätzlichen Konflikt, der ihnen damit abverlangt wird. Aber sie stellen sich ihm - um des Evangeliums willen, von dem sie sich herausgefordert fühlen, um der Menschen willen, zu denen sie sich gesandt wissen, und um der Kirche willen, die das Zeichen des umfassenden Heils für alle Menschen werden soll. Und sie stellen sich ihm nicht in triumphalistisch-rechtgläubiger Selbstgerechtigkeit.

In der Präambel des Textes erklären sie vielmehr, sie seien sich dessen bewusst geworden, „wie viel ihnen noch fehlt, um ein dem Evangelium entsprechendes Leben in Armut zu führen.“ Deshalb wissen sie sich auch „eins mit all ihren Brüdern im Bischofsamt“, selbst wenn sie mit ihnen in Konflikt geraten.

In Demut und der eigenen Schwachheit bewusst, „aber auch mit aller Entschiedenheit und all der Kraft, die Gottes Gnade uns zukommen lassen will“, werden sie die folgenden dreizehn Verpflichtungen auf sich nehmen. Jeder Selbstverpflichtung fügen sie in Klammern biblische Verweise bei, um die in der Heiligen Schrift verwurzelte Spiritualität ihrer Entscheidungen zu unterstreichen.

Die erste Selbstverpflichtung könnte auf den ersten Blick banal erscheinen: „So zu leben, wie die Menschen […]üblicherweise leben“, bedarf doch nach dem Evangelium keiner besonderen Hervorhebung!? Hält man sich jedoch vor Augen, dass es nach der Tradition, zumal jener der Kolonialkirchen, mit Palästen ausgestattete „Kirchenfürsten“ sind, die sich auf den einfachen Lebensstil verpflichten, sieht die Sache schon anders aus.

(1.) „Wir werden uns bemühen, so zu leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel und allem, was sich daraus ergibt. (vgl. Matthäus 5,3; 6, 33-34; 8,20)“ (2.) „Wir verzichten ein für allemal darauf, als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein, insbesondere in unserer Amtskleidung (teure Stoffe, auffallende Farben) und in unseren Amtsinsignien, die nicht aus kostbarem Metall - weder Gold noch Silber - gemacht sein dürfen, sondern wahrhaft und wirklich dem Evangelium entsprechen müssen. (vgl. Markus 6,9; Matthäus 10,9-10; Apostelgeschichte 3,6)“

Die Bischöfe wollen nicht mehr mit Flitter und Prunk behangen sein. Sie wollen sich von ihrer bunten Kleidung, von ihrem Gold und ihren Juwelen trennen, weil sie nicht als feudale Herren leben wollen. Der Verzicht auf Gold und Silber ist gewiss auch durch die Abkehr von der kolonialen Eroberung bestimmt: Die Conquista brachte für Tausende als Sklavenarbeiter gehaltene Indios im Silberberg von Potosí den Tod; die Konquistadoren mussten von den Indios hören: „Euer Gott ist das Gold!“

Die Selbstverpflichtungen 5 und 6 konkretisieren den Abschied von „konstantinischer“ Verquickung weiter: keine Karrieresucht, keine Anpassung an die weltlichen Symbole von Anerkennung, Macht und Herrschaft, die das Evangelium fesseln:

(5.) „Wir lehnen es ab, mündlich oder schriftlich mit Titeln oder Bezeichnungen angesprochen zu werden, die gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck bringen (Eminenz, Exzellenz, Monsignore ...). Stattdessen wollen wir als ,Padre‘ angesprochen werden, eine Bezeichnung, die dem Evangelium entspricht. (vgl. Matthäus 20, 25-28; 23, 6-11; Johannes 13, 12-15)“ (6.) „Wir werden in unserem Verhalten und in unseren gesellschaftlichen Beziehungen jeden Eindruck vermeiden, der den Anschein erwecken könnte, wir würden Reiche und Mächtige privilegiert, vorrangig oder bevorzugt behandeln (z. B. bei Gottesdiensten und bei gesellschaftlichen Zusammenkünften, als Gäste oder Gastgeber). (vgl. Lukas 14, 12-14; 1 Korinther 9, 14-19)“

Die achte Selbstverpflichtung bezieht sich auf die Perspektive, die Welt in erster Linie mit den Augen der Armen zu betrachten. Man könnte diesen Abschnitt als Vorläufer der sogenannten „opción por los pobres“ ansehen, der „Option für die Armen“. Weil es Arme gibt, haben wir eine Option zu treffen. Allein die Existenz der Armen, allein die Existenz derer, die „vor der Zeit“ sterben, ist der Nachweis dafür, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Die Bischöfe des Katakombenpaktes sind bereit, die Entscheidung zu korrigieren, die der Vatikan (im September 1959 durch einen Brief von Kardinal Giuseppe Pizzardo) gegen die Arbeiterpriester in Frankreich getroffen hatte. Sie werden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterstützen, die, um das Evangelium vom Leben für alle in Wort und Tat zu proklamieren, in die Fabriken, in die Elendsviertel, in die weit entlegenen Landzonen gehen wollen, dorthin, wo die ärmsten Bevölkerungsschichten leben:

(8.) „Für den apostolisch-pastoralen Dienst an den wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten oder Unterentwickelten, werden wir alles zur Verfügung stellen, was notwendig ist an Zeit, Gedanken und Überlegungen, Mitempfinden oder materiellen Mitteln, ohne dadurch andere Menschen und Gruppen in der Diözese zu vernachlässigen. Alle Laien, Ordensleute, Diakone und Priester, die der Herr dazu ruft, ihr Leben und ihre Arbeit mit den Armgehaltenen und Arbeitern zu teilen und so das Evangelium zu verkünden, werden wir unterstützen. (vgl. Lukas 4,18 f.; Markus 6,3; Matthäus 11,4-5; Apostelgeschichte 18,3-4; 20,33-35; 1 Korinther 4,12; 9,1-27)“

Mit den Selbstverpflichtungen 9 und 10 geloben die Unterzeichner, das Evangelium der Gerechtigkeit in evangeliumsgemäßen gesellschaftlichen Strukturen sichtbar zu machen. Sie wissen, dass die großen Hoffnungen in kleinen Schritten verwirklicht werden müssen, dass die Visionen Institutionen brauchen, um eine gerechtere gesellschaftliche Ordnung zu sichern. Aber auch umgekehrt: Die Institutionen bedürfen der ständigen Korrektur durch die Visionen. Die maßgebende Vision ist jene des Hauptgebetes: Jedes Mal, wenn wir beten „Dein Reich komme“, beten wir um die neue Gesellschaftsordnung, „die der Würde der Menschen- und Gotteskinder entspricht“. Der leicht ironische Unterton im letzten Satz der neunten Selbstverpflichtung deutet die Distanz zu staatlicher Vereinnahmung an:

(9.) „Im Bewusstsein der Verpflichtung zu Gerechtigkeit und Liebe sowie ihres Zusammenhangs werden wir daran gehen, die Werke der ,Wohltätigkeit‘ in soziale Werke umzuwandeln, die sich auf Gerechtigkeit und Liebe gründen und alle Frauen und Männer gleichermaßen im Blick haben. Damit wollen wir den zuständigen staatlichen Stellen einen bescheidenen Dienst erweisen. (vgl. Matthäus 25, 31-46; Lukas 16,12-14 und 19-31)“ (10.) „Wir werden alles dafür tun, dass die Verantwortlichen unserer Regierung und unserer öffentlichen Dienste solche Gesetze, Strukturen und gesellschaftlichen Institutionen schaffen und wirksam werden lassen, die für Gerechtigkeit, Gleichheit und gesamtmenschliche harmonische Entwicklung jedes Menschen und aller Menschen notwendig sind. Dadurch soll eine neue Gesellschaftsordnung entstehen, die der Würde der Menschen- und Gotteskinder entspricht (vgl. Apostelgeschichte 2,44 f.; 4,32-35; 5,4; 2 Korinther 8,1-15 und 2 Korinther 9,6-7)“

Der Abschnitt 11 dehnt die Perspektive der Selbstverpflichtungen auf die gesamte Menschheit aus. Im Konzil erfahren die Bischöfe eine „globalisierte“ Kirche (obwohl vor fünfzig Jahren noch niemand von „Globalisierung“ redete); sie entdecken dadurch neu, was „katholisch“ bedeutet. Sie verlassen die rein konfessionalistische Engführung des Begriffs. Sie fühlen sich in ihrem kirchlichen Amt vielmehr auch weltpolitisch herausgefordert, „wie es Paul VI. vor der UNO tat“. Bemerkenswert ist in diesem Abschnitt außerdem die Überzeugung, dass die Kollegialität der Bischöfe erst dann dem Evangelium gerecht wird, wenn sie sich von der Orientierung an der armgehaltenen Mehrheit der Menschheit her definiert:

(11.) „Weil die Kollegialität der Bischöfe dann dem Evangelium am besten entspricht, wenn sie sich gemeinschaftlich im Dienst an der Mehrheit der Menschen - zwei Drittel der Menschheit - verwirklicht, die körperlich, kulturell und moralisch im Elend leben, verpflichten wir uns: - Gemeinsam mit den Episkopaten der armen Nationen dringliche Projekte zu verwirklichen, entsprechend unseren Möglichkeiten. - Auch auf der Ebene der internationalen Organisationen das Evangelium zu bezeugen, wie es Papst Paul VI. vor den Vereinten Nationen tat, und gemeinsam dafür einzutreten, dass wirtschaftliche und kulturelle Strukturen geschaffen werden, die der verarmten Mehrheit der Menschen einen Ausweg aus dem Elend ermöglichen, statt in einer immer reicher werdenden Welt ganze Nationen verarmen zu lassen. (vgl. 1 Korinther 12,12-26; 2 Korinther 8; 1 Johannes 3,11-18)“

Das Dokument mit den dreizehn Selbstverpflichtungen hat Kardinal Lercaro, der Erzbischof von Bologna und einer der vier Moderatoren des Konzils, dem Papst übergeben. Am 7. Dezember 1965 wird das Dokument an alle Konzilsväter verteilt, ohne die Namen der Erstunterzeichner zu publizieren. Dass man sich entscheidet, den Text des Katakombenpaktes am Vorabend des Konzilsendes allen in die Hand zu geben, unterstreicht den Willen, das Anliegen weiterhin aktiv zu vertreten, aber auch die Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Konzilsvaters zu respektieren. Der Text ist nicht in erster Linie dazu gedacht, die anderen Konzilsbischöfe um ihre Unterschrift oder eine andere Geste demonstrativer Unterstützung zu bitten. Der Text soll mehr im Sinne einer Meditationsvorlage und eines Gewissensspiegels Verwendung finden. Er enthält nur Vorschläge, deren konkrete Anwendung stets abhängig ist von den Umständen des jeweiligen Ortes bzw. von den sozialen und kulturellen Bedingungen, in denen das Engagement praktiziert werden soll.

Später schließen sich noch fünfhundert weitere Bischöfe dem Katakombenpakt an. Selbst wenn der Gruppe „Kirche der Armen“ die institutionelle Wirkung auf das Konzil selbst versagt blieb, durch diese gemeinsam getroffenen Selbstverpflichtungen erzielt die Gruppe eine tief reichende spirituelle und prophetische Wirkung für die Weltkirche. Die Unterzeichner des Katakombenpaktes von 1965, zu denen von den deutschen Bischöfen nur der Essener Weihbischof Julius Angerhausen (1911- 1990) gehört, haben durch Tat und Wahrheit - auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens - bewiesen, dass eine vom konstantinischen Modell befreite Kirche möglich ist.

Weltkirchliche Wirkungen des Katakombenpaktes

Noch in der Endphase des Konzils schlägt Dom Hélder Câmara gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM), Don Manuel Larraín von Chile, dem Papst vor, die Erfahrung des Konzilsereignisses auch für die lateinamerikanische Kirche möglich zu machen. Dazu soll eine neue Generalversammlung der Bischöfe des Kontinents einberufen werden. Die erste kontinentale Zusammenkunft hatte 1955 in Rio de Janeiro stattgefunden. Nachdem Papst Paul VI. zugestimmt hatte, wird die Zweite Generalversammlung für 1968 in Medellín (Kolumbien) beschlossen. Hier setzt man in die Tat um, was im Konzil offenkundig nicht geschehen konnte. In Medellín nämlich greift der lateinamerikanische Episkopat die Themen des Katakombenpaktes wieder auf. Im Schlussdokument13, im Kapitel Nr. 5.15, wird das Ziel einer dienenden und armen Kirche so beschrieben:

„dass sich in Lateinamerika immer leuchtender das Gesicht einer wirklich armen, missionarischen und österlichen Kirche zeige, losgelöst von aller zeitlichen Macht und mutig engagiert in der Befreiung des ganzen Menschen und aller Menschen.“

Anders als im Konzil gelingt es in Medellín, die Armen ins Zentrum des kirchlichen Denkens und Handelns zu rücken. Das lässt sich eindrücklich untermauern durch das Kapitel 14 des Dokumentes, das unter dem Thema steht: „Armut der Kirche“14.

Das unterscheidend Neue - hier an dieser Stelle und im Ereignis von Medellín überhaupt - besteht darin, dass sich die Kirche engagiert mit der historischen Realität auseinandersetzt und aus dieser Erfahrung ihre eigene Lehre mit anderen Augen anschaut (Kap. 14, 4 und 5):

14.4. „Wir müssen unterscheiden: a) Die Armut als Mangel an den Gütern dieser Welt ist als solche ein Übel. Die Propheten klagen sie als gegen den Willen des Herrn gerichtet und in den meisten Fällen als Frucht der Ungerechtigkeit und der Sünde der Menschen an. b) Die geistige Armut ist das Thema der Armen Jahves und die Haltung der Öffnung zu Gott, die Bereitschaft dessen, der alles vom Herrn erwartet. [...] c) Die Armut als Engagement, das die Bedingungen der Armen dieser Welt freiwillig und aus Liebe annimmt, um Zeugnis zu geben von dem Übel, das sie darstellt und von der geistigen Freiheit gegenüber den Gütern, folgt damit dem Beispiel Christi“15.

Nach „Gaudium et spes“ wird nun auch mit Medellín die Abkehr vom konstantinischen Kirchenmodell zum Bestandteil des kirchlichen Lehramtes einer kontinentalen Ortskirche in der katholischen Kirche. Das ist nicht nur als regional bedeutsames Ereignis für Lateinamerika festzuhalten, sondern als exemplarischer Vorgang für die Weltkirche zu interpretieren.

Wie Aparecida 2007 - die Fünfte Generalversammlung nach Rio de Janeiro 1955, Medellín 1968, Puebla 1979 und Santo Domingo 1992 - dokumentiert, ist trotz aller Versuche, den vom Katakombenpakt prophetisch gewiesenen Weg zu unterbrechen, das Bewusstsein dafür wach geblieben, dass „in all dem das Wirken des Heiligen Geistes“ zu erkennen ist. Deshalb erklären die Bischöfe in Aparecida:

„In Kontinuität mit den bisherigen Generalversammlungen des Lateinamerikanischen Episkopats wird auch in diesem Dokument die Methode ,Sehen - Urteilen - Handeln‘ angewendet. [Es wird bestätigt], dass diese Methode dazu beigetragen hat, unsere Berufung und Sendung in der Kirche intensiver zu leben, dass sie unsere theologisch-pastorale Arbeit verbessert und überhaupt dazu motiviert hat, Verantwortung in der jeweiligen konkreten Situation unseres Kontinents zu übernehmen.“ (DA 19) 16

Jorge Mario Bergoglio SJ, Erzbischof von Buenos Aires und Kardinal, spielt hier eine entscheidende Rolle. Als Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz wird er Delegierter für die Fünfte Generalversammlung mit zweihundertfünfzig anderen Leuten - Männern, Frauen, Katholiken, Juden, evangelischen Christen -, die diese Versammlung von Aparecida ausmachen. Die Versammlung beauftragt Bergoglio die Redaktionskommission zu leiten, die dafür Sorge zu tragen hat, dass aus diesem Zusammensein ein Dokument entstehe, das der Kirche Lateinamerikas den Weg ins nächste Jahrzehnt weisen kann. Damit gerät er 2007 in die fatal-glückliche Lage, das Dokument von Aparecida an entscheidender Stelle mitzuschreiben.

Aus heutiger Sicht könnten wir sagen, Aparecida ist zur Papst-Schule geworden. Hier hat Jorge Mario Bergoglio eine zusätzliche Sozialisation erfahren, die ihn zu dem Stil des Papstamtes befähigt, den er jetzt als Papst Franziskus praktiziert. Das Dokument von Aparecida gewinnt für Papst Franziskus programmatische Bedeutung. Das wird nicht nur daran erkennbar, dass er unmittelbar nach seiner Amtsübernahme jedem Staatsbesucher das Dokument als Geschenk überreicht. Er signalisiert damit: Wer die Art und Weise meines Papstamtes verstehen will, muss Aparecida lesen. Überdies finden sich Textabschnitte des Aparecida-Dokumentes nahezu wortgleich auch im programmatischen Lehrschreiben des Papstes „Evangelii gaudium“, zum Beispiel die Analyse der Globalisierung:

„Eine Globalisierung ohne Solidarität wirkt sich negativ auf die ärmsten Schichten aus. Dabei geht es nicht allein um Unterdrückung und Ausbeutung, sondern um etwas Neues, um den gesellschaftlichen Ausschluss. Durch ihn wird die Zugehörigkeit zur Gesellschaft, in der man lebt, untergraben, denn man lebt nicht nur unten, oder am Rande bzw. ohne Einfluss, sondern man steht draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht nur ,Ausgebeutete‘, sondern ,Überflüssige‘ und ,menschlicher Abfall‘.“ (DA 65 u. EG 53)

Deshalb wird der Glaube an den Gott des Lebens dadurch bewahrheitet, dass er den Menschen „zu seiner vollen Verwirklichung ruft und zur Unabhängigkeit von jeder Art von Sklaverei“:

„Die Ethik wird gewöhnlich mit einer gewissen spöttischen Verachtung betrachtet. Sie wird als kontraproduktiv und zu menschlich angesehen, weil sie das Geld und die Macht relativiert. Man empfindet sie als eine Bedrohung, denn sie verurteilt die Manipulierung und die Degradierung der Person. Schließlich verweist die Ethik auf einen Gott, der eine verbindliche Antwort erwartet, die außerhalb der Kategorien des Marktes steht. Für diese, wenn sie absolut gesetzt werden, ist Gott unkontrollierbar, nicht manipulierbar und sogar gefährlich, da er den Menschen zu seiner vollen Verwirklichung ruft und zur Unabhängigkeit von jeder Art von Unterjochung.“ (EG 57)17

Die geringsten Geschwister sind Stellvertreter Christi auf Erden. Papst Franziskus wird nicht müde, stets wieder darauf zu verweisen. Im September 2013 besucht er das Flüchtlingszentrum der Jesuiten in Rom und legt den Ordensgemeinschaften ans Herz, sie dürften ihre leerstehenden Klöster nicht den internationalen Hotelkonzernen zur Verfügung stellen, damit diese daraus teure Hotels machen. Diese Häuser gehörten dem Fleisch und Blut Christi. Wer ist für ihn das Fleisch und Blut Christi? Die Flüchtlinge18!

Man meint, einen der Katakombenpaktbischöfe zu hören, wenn der Papst in Ansprachen an heutige Bischöfe fordert:

„Bischöfe müssen […]Menschen sein, die die Armut lieben, sowohl die innere Armut als Freiheit vor dem Herrn, als auch die äußere Armut als Einfachheit und Strenge in der persönlichen Lebensführung. [...] Der Bischof muss leiten, was nicht dasselbe ist wie sich als Herr aufzuspielen.“ (CELAM-Rede, Rio de Janeiro, Juli 2013)

„Bischöfe sollen nicht dem Geist des Karrierismus verfallen. [...] Bischöfe sollen Hirten sein mit dem Geruch der Schafe, anwesend inmitten des Volkes wie Jesus, der Gute Hirte.“ (Ansprache an neue Bischöfe, Rom, September 2013)

Papst Franziskus praktiziert selbst, was er von anderen fordert. Zwei Jahre nach der Wahl, in einem Interview mit dem mexikanischen Fernsehen am 13. März 2015, beschreibt er die notwendige Abkehr vom Konstantinismus mit diesen Worten:

„Alles, was noch nach wie vor höfisch erscheint, müssen wir hinter uns lassen. [...] Es geht um Umkehr, beim Papst angefangen, er ist natürlich der erste, der umkehren muss. Ständig umkehren, entsprechend dem, was Gott von uns erwartet. Und das versuche ich [...].“19

Der Umkehrprozess zur „dienenden und armen Kirche“ soll auch durch das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ verstärkt werden. Es wird am 8. Dezember 2015 eröffnet, also an dem Tag, an dem vor fünfzig Jahren das Zweite Vatikanum endete:

„Die Kirche spürt das Verlangen, diesen Moment lebendig zu erhalten. Für sie begann damals ein neuer Weg in ihrer Geschichte. [...] Mauern, die die Kirche allzu lange in einer privilegierten Festung eingeschlossen hatten, wurden eingerissen, und die Zeit war gekommen, um das Evangelium auf neue Weise zu verkünden.“20

Das Konzil hatte begonnen, die Bastionen zu schleifen. Der Katakombenpakt hat durch seine Nah- und Fernwirkungen die Festungsmauern des konstantinischen Paktes entschiedener eingerissen21.

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