Kirchliche Führung braucht ein Upgrade

Die katholische Kirche kennt in ihren Organisationsformen zahlreiche Themen, die auch in der Wirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung und in NGOs vorkommen: knappe Ressourcen, hohe Medienaufmerksamkeit, Professionalisierung. Im Vergleich zur Industrie hat die Kirche erhebliche Stärken. Die normative Grundlage - Schrift und Tradition - ist stark, sie motiviert und ist zugleich ein kritisches Korrektiv im Führungshandeln. Kirchliches Denken ist langfristig und nicht auf Quartalsberichte ausgerichtet. Die Internationalität zeigt sich nicht nur in der globalen Präsenz, sondern auch in einer Identität, die sich bei aller Diversität feststellen lässt - etwa in der Liturgie, bei der internationalen Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Dass die Kirche als Institution von einem Anliegen bewegt wird - und nicht von Gewinn- oder Rentabilitätsüberlegungen - und dass sie mit ihren vielen Verästelungen trotzdem existiert, ist für einen unbefangenen Beobachter schon erstaunlich. Die meisten Unternehmen werden nicht älter als fünfzig Jahre, über hundert Jahre sind sehr selten.

Diesen Stärken stehen erhebliche Schwächen gegenüber. Eine gewachsene klerikale Kultur macht es schwierig, Frauen in Diözesen und im Vatikan als Führungskräfte zu bestellen. Diözesane Strukturen sind monarchisch angelegt. Für Bischöfe gibt es keine Amtszeitbeschränkung (außer dem Alterslimit von 75 Jahren). Die meisten Führungskräfte (in Diözesen und in Orden) kommen ohne Führungstraining ins Amt - und kämpfen dann mit Erwartungen, die sie oft nicht erfüllen können. Autoritätsfragen führen manchmal zu bitteren, vermeidbaren Konflikten. Checks and Balances, besonders in der Finanzverwaltung, sind noch nicht auf dem Stand der Industrie. Transparenz bei den Finanzen wird zunehmend ein Thema.

Fünf Entwicklungspfade bieten sich für den Bereich kirchlicher Führung an:
1. Kirchliches Führungshandeln muss „in Rufweite Jesu“, spürbar von ihm her inspiriert sein. Biblische Erzählungen müssen so interpretiert werden, dass sie für Führungskräfte in der Kirche (und nicht nur dort) relevant sind. Sonst besteht die Gefahr, dass mit der Professionalisierung die Verbindung zur normativen Basis verloren geht. Man wird dann eine kirchliche Administrations-Einheit, mit allen unerwünschten Nebenwirkungen: innere Kündigung, compassion fatigue, Zynismus. Papst Franziskus macht vor, wie er die Kirche systematisch zur Quelle führt: zu ihrem Stifter. Viele Wirtschaftsbetriebe könnten so eine Ausrichtung an der Gründer-Intention gut brauchen - man denke nur an Genossenschaftsbanken, Hypothekenbanken und Sparkassen.
2. Das Thema Führen und Leiten gehört in die theologische Grundausbildung. Die stärkere Einbindung von Laien in Führungsaufgaben kann in der gemeinsamen Ausbildung beginnen. Für kirchliche Top-Führungskräfte gibt es noch zu wenige Angebote; es bräuchte „berufsbegleitende“ Formate, die mit den dichten Kalendern der Zielgruppe kompatibel sind. Der Kurs für neu ernannte Bischöfe in Rom ist vom Anliegen her gut, entspricht aber nicht mehr dem realen Bedarf. Form und Inhalt müssten neu gedacht werden.
3. Der Blick über die Grenzen, hin zu anderen Institutionen, braucht systematische Förderung. Es hilft, wenn man dorthin schaut, wo Innovation und Dynamik sichtbar sind. Begegnungen mit anderen Führungskräften, Interesse an neuen Entwicklungen, Inspiration durch Kunst, Literatur und Filme: So tun sich neue Horizonte auf! Erlebbar wird so: Der Horizont kirchlicher Führung ist die Welt - und nicht allein die Kirche.
4. Restrukturierungen sind als geistliche Prozesse zu sehen. Das meint mehr als ein Gebet am Beginn und am Ende einer Sitzung. Die große Leitfrage ist: Wie kann das Evangelium wirksam weitergegeben werden? Von daher ordnen sich dann die Dinge. Ein geistlicher Prozess bedeutet auch: Es gibt keine von vornherein festgelegten Ergebnisse. Das braucht innere Freiheit, viel Kommunikation und großes Vertrauen auf die Stärke des Ideals. Das ist anstrengend, langfristig aber tragfähiger als Strukturprogramme, die von unrealistischen Prämissen ausgehen.
Es wäre weltweit ein Motivationsschub für Diözesen, wenn die Restrukturierung des Vatikans zügiger voranginge. Seit drei Jahren soll die bisherige Regelung („Pastor bonus“) ersetzt werden. Ein erster Zwischenabschluss müsste jetzt möglich sein. Ich sehe kein government gap wie John Allen - aber sind die bisherigen Schritte wirklich das Maximum des Möglichen? Dabei ist die Frage der Bischofsernennungen eine wesentliche „Baustelle“: Transparente Entscheidungen, langfristige Personalplanung und ein spürbar verschärftes Rechenschaftssystem für Bischöfe sind notwendige Gegengewichte zur monarchischen Verfassung ihres Amtes. Und im Bereich der Bischofskonferenzen braucht es eine Veränderung der „mentalen Landkarten“: Bischöfe sind nicht nur für ihre eigene Diözese zuständig, sondern tragen auch Verantwortung für das Gebiet ihrer Bischofskonferenz. Eine kirchenrechtliche Aufwertung der Bischofskonferenzen könnte helfen.
5. Christliche Identität muss in allen kirchlichen Einrichtungen gut vermittelt werden. Outsourcing, die Auslagerung betrieblicher Funktionen, hat in der katholischen Kirche eine lange Tradition. Das Organigramm jeder Diözese und jedes Ordens wimmelt von Betrieben, GmbHs, Instituten, Stiftungen, Vereinen und Werken. Die Führung dieser Einrichtungen und die Weitergabe der christlichen Identität ist eine zunehmende Herausforderung. Wenn der „Geist“ nicht weitergetragen wird, bleiben nur noch „Soll und Haben“ als Entscheidungskriterien übrig.
Kirchliche Führungssysteme brauchen ein Upgrade. Wir haben dazu viele Ressourcen im eigenen Bereich, aber wir brauchen auch den Blick zu den anderen, von denen wir lernen können: von der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung und den NGOs. Wäre das nicht ein Thema für die nächste Bischofssynode?

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