Unmittelbar vor Redaktionsschluss haben zwei fix eingeplante Autoren ihre zugesagten Beiträge absagen müssen. Der Not der Situation folgend, haben wir überlegt, was wir tun können. Wir haben uns entschlossen, zwei kurze Artikel eines Autors nachzudrucken, der ein markantes Stück Redaktionsgeschichte schrieb. Alfred Delp SJ, geboren 1907, Jesuit seit 1926, besaß seit 15. Juli 1939 einen sogenannten „römischen Doktor“ (Dr. phil.) von der Päpstlichen Universität Gregoriana auf der Grundlage seines ordensinternen philosophischen Studienabschlusses. Um einen staatlichen Doktorgrad zu erwerben, wollte er sich in München an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) immatrikulieren. Diese lehnte, ebenso wie auch das Kultusministerium, mit der Begründung ab, Jesuiten gälten als staatsgefährdende Elemente. Deswegen wurde er noch im Juli 1939 in die Redaktion der „Stimmen der Zeit“ berufen, wo er das Fachgebiet Soziologie betreuen sollte. Die Redaktion hatte damals ihren Redaktionssitz in der Veterinärstrasse, einer Verbindungsstrasse zwischen dem Hauptgebäude der LMU an der Ludwigstrasse bzw. der Juristischen Fakultät und dem Englischen Garten mit der Kaulbach- und Königinstrasse. Im April 1941 wurde das Haus der Schriftleitung der „Stimmen der Zeit“ durch die Gestapo beschlagnahmt und enteignet.
Delp wurde Kirchenrektor an der alten Pfarrkirche St. Georg in München-Bogenhausen – und Seelsorger und Prediger mit Leib und Seele: sehr beliebt, umgänglich, hilfsbereit – eine ganz andere Wahrnehmung als die ordensinterne. Etlichen Familien, die ausgebombt wurden, half er ganz praktisch – Fotos zeigen ihn beim Dachdecken.
Im Anschluss an einen Gottesdienst in Bogenhausen wurde Delp am 28. Juli 1944 von zwei Gestapo- Beamten abgepasst und verhaftet – eine Verbindung zu den Attentätern des 20. Juli wurde vermutet, später im Schauprozess in Berlin unter Vorsitz von Roland Freisler fallengelassen. Die Existenz des „Kreisauer Kreises“ um Helmuth James Graf von Moltke war den NS-Machthabern zum Zeitpunkt der Verhaftung noch nicht bekannt. Nach einigen Tagen im Münchner Gestapogefängnis wurde Delp nach Berlin überführt: ins Gestapogefängnis in der Lehrterstrasse, von dort am 8. September in das Strafgefängnis Berlin-Tegel. Am 9. und 10. Januar 1945 fand die Gerichtsverhandlung vor dem Volksgerichtshof statt. Hoch- und Landesverrat wurden dem Jesuiten vorgeworfen, das Urteil stand von vornherein fest. Alfred Delp wurde am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Die beiden Reflexionen „Das Schicksal der Kirchen“ wie „Die Orden“ hat Delp 1944/45 geschrieben, also während der Haftzeit. Es sind prägnante, schonungslose Analysen. Darf man, kann man von prophetischer Weitsicht sprechen? Delp bringt, wie so oft, Zustände und Entwicklungen auf den Punkt. Seine Kirchenkritik ist scharf. Mittlerweile über siebzig Jahre alt, wirken die beiden Texte zeitlos und deswegen schon wieder modern – so manche Formulierung könnte man als aktuellen Kommentar zu Kirche und Orden im 21. Jahrhundert lesen.
„Das Schicksal der Kirchen“ verbindet Delp mit der Rückkehr zur Diakonie, vor dem Hintergrund der von Papst Franziskus gewählten Schwerpunkte seines Pontifikats ein prophetischer Text – erstmals veröffentlicht von Paul Bolkovac SJ in „Im Angesicht des Todes“ (1947, 111981). Das Manuskript „Die Orden“ wurde erst 1984, in Band 4 (21985) der von Roman Bleistein SJ herausgegebenen „Gesammelten Schriften“ Alfred Delps veröffentlicht (S. 324-327). Dort wurde auch „Das Schicksal der Kirchen“ (S. 318-323) neu abgedruckt. Der nachstehende Abdruck erfolgt aus diesem Band. (Andreas R. Batlogg SJ)
Von Alfred Delp