Die Bedeutung der armenischen Kirche Wie sieht der Schritt aus der Vergangenheit in die Zukunft aus? Papst Franziskus besuchte letztes Jahr Armenien (24.–26. Juni 2016). Dieser Besuch war von enormer politischer Bedeutung, obwohl die Reise in den Medien keine große Beachtung fand. Er war ein wichtiges Zeichen des Papstes und zeigte die klare und sichtbare Haltung der Katholischen Kirche zum Schicksal der Armenier auf. Der wohl schwierigste Punkt betraf das Thema des armenischen Genozids, der nach wie vor von der türkischen Seite nicht anerkannt wird. Wie Johannes Paul II., so sprach auch Papst Franziskus im Vorfeld von einem Genozid. Dies handelte ihm diverse Proteste von türkischen Vertretern ein. Dennoch reiste er in dieses christliche Land, das beispielhaft für den Tod so vieler Christen steht. Franziskus erwähnte den Genozid auch während der Reise. Dies tat er ganz bewusst, weil man an diesen Genozid nicht nur erinnern sollte, sondern müsse. In seinen Reden erwähnte er auch die tragische Situation vieler Christen in aller Welt, besonders im Nahen Osten.
Die Reise nach Armenien war sicherlich auch ein wichtiges Zeichen für die Ökumene. Die Armenisch-Apostolische Kirche hat weltweit rund neun Millionen Gläubige, und die Beziehungen zur Katholischen Kirche sind vielfältig. Leider konnte der Besuch der Armenisch-Katholischen Kirche dieser nicht zu der Plattform verhelfen, die sie so dringend nötig hätte. Rund eine Million armenisch- katholische Gläubige gibt es weltweit. Die Kirche hat ihren Sitz im Libanon. In Armenien selbst gibt es eine kleine katholische Gemeinschaft. Der Papstbesuch hat wohl einige diplomatische Hürden bezwungen, aber er konnte nicht den Fokus auf die katholische Seite lenken, den diese aber benötigt, um Sichtbarkeit erlangen zu können.
Armenien war das erste Land, das das Christentum als Staatsreligion anerkannt hat. Gewöhnlich spricht man vom Jahr 301 n. Chr., aber Historiker sehen die Jahre 313 und 314 als realistischer an. Die Geschichte dieses Landes durchlief diverse Etappen. Es gab Königreiche, aber auch Teilungen. Armenien war Teil der Sowjetunion und erlangte 1991 seine Unabhängigkeit. Außenpolitisch wurde gerade das Gebiet um die Region Bergkarabach von Papst Franziskus während seiner Reise erwähnt, der für eine friedliche Lösung in diesem Konflikt gebetet hat.
Im Fall von Armenien muss man den geschichtlichen Abriss mit großer Vorsicht darlegen. Die Armenier waren Opfer von menschenunwürdigen politischen Anordnungen, die ihren traurigen Höhepunkt im Genozid von 1915 erreichten1. Im Osmanischen Reich waren die Armenier schon immer präsent. Sie waren eine angesehene Elite und wurden, wie andere religiöse Gemeinschaften, toleriert. Der Zusammenbruch des Osmanischen Reichs veränderte auch die Situation der Armenier. Sie wurden zur Zielscheibe nationalistischer Türken, die einen islamischen Staat propagierten.
Der Genozid begann am 24. / 25. April 1915. Armenische Intellektuelle wurden zuerst getötet. Die restlichen Armenier wurden in größere Dörfer getrieben und entweder direkt getötet oder auf lange Märsche durch die Wüste nach Syrien geschickt. Bis heute gibt es keine präzisen Zahlen über die Zahl der Getöteten. Man schätzt, dass im Osmanischen Reich rund zwei Millionen Armenier gelebt haben. Die türkische Seite spricht von 300 000 Toten, andere Historiker nennen 1,5 Millionen getötete Armenier. Die Türkei erkennt den Völkermord bis heute nicht an. Der Genozid ist also immer Teil der armenischen Identität und hat auch Einflüsse auf die Kommunikation. Für die Armenier ist das Christentum ein fundamentales Element. Sie sehen es als Teil ihrer DNA an. 92 Prozent der Armenier halten sich für religiös, aber die Statistiken zeigen, dass nur einer von zehn regelmäßig die Heilige Messe besucht2. Die armenische Kirche besteht aus der orthodoxen/apostolischen Kirche und der katholischen, die mit Rom uniert ist. Pius VIII. errichtete in Konstantinopel ein armenisch-katholisches Groß- erzbistum. Hier blieb der Sitz des armenischkatholischen Patriarchen bis 1928. Erst nach dem armenischen Genozid wurde der Sitz in das libanesische Kloster Bzommar verlegt, wo er sich auch heute noch befindet. Der armenische Ritus – auch wenn er von der byzantinischen und der antiochenischen Liturgie inspiriert worden ist – ist ein eigenständiger Ritus mit eigenen Elementen. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts, nach der Erfindung des armenischen Alphabets, begann man in der Liturgie die armenische Sprache zu benutzen und nicht mehr die syrische. So wurde dann auch das Lektionarium von Jerusalem übersetzt. Der Text war fundamental für die armenische Kirche, weil er ihr eine absolut originelle Physiognomie verlieh3. Die Besonderheit des armenischen Ritus ist auch in der Form der Kirchen und der Altäre erkennbar, sowie in der Kleidung und den heiligen Gefäßen. Ebenso wird die Liturgie in einer besonderen Art und Weise gefeiert. Im armenischen Ritus wird die Eucharistie mit ungesäuertem Brot gefeiert, und es ist der einzige Ritus unter den orientalischen, der das nicht der lateinischen Praxis angepasst hat. Wasser wird dem eucharistischen Wein nicht hinzugefügt. Weihnachten und Epiphanie werden gemeinsam am 6. Januar gefeiert. In der armenischen Kirche gibt es keine Kunst und Theologie der Ikonen. Es gibt aber eine Theologie des Kreuzes. Das Kreuz symbolisiert das christliche Martyrium. Es ist das Opfer der Einheit zwischen der zerrissenen Realität der Erbsünde des Menschen und seinem Zurückkehren zu Gott. Es gibt auch ein Fest der Kreuzerhöhung4. Der armenische Ritus, die Spiritualität und die Identität sind unabdingbar miteinander verbunden. Die armenische Liturgie hat die Armenier in sehr schwierigen Zeiten begleitet, und sie ist ein wichtiges Ausdrucksmittel des armenischen Glaubens. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung, wie man diesen Ritus in die Zukunft führt, ohne Gläubige zu verlieren. Zu viele Veränderungen und Anpassungen könnten eine große Bedrohung darstellen.
Für die Armenisch-Katholische Kirche gibt es viele Probleme im Bereich der Kommunikation. Sicherlich ist diese Kirche auf kommunikativer Ebene noch nicht sehr vorbereitet. Es stehen offensichtlich nur wenige Ressourcen zur Verfügung. Aber die Zielgruppen der Armenisch-Katholischen Kirche sind über die ganze Welt verteilt, was bedeutet, dass sie Instrumente nutzen sollte, die auch online funktionieren. Was die digitale Kommunikation anbelangt, so gibt es Versuche seitens dieser Kirche, aber sie sind noch sehr zaghaft. Es gibt keine klare Linie oder Strategie: Es existieren zwar einige Webseiten oder Facebook-Profile, aber man hat nicht den Eindruck, dass diese Instrumente optimal genutzt werden. In diesem Fall hilft eine gute Vorbereitung (über die Katechese und die Priesterseminare) und es hilft der externe Ratschlag von Experten, die den kirchlichen Bereich gut kennen.
Die Armenisch-Katholische Kirche könnte ihre eigenen Kommunikationsmittel nutzen, um Themen anzusprechen, die sich nicht in den Medien wiederfinden. Sie muss ihre Differenzierung finden, weshalb es eine transparente, schnelle und kritische Kommunikation braucht. Um eine Kommunikation zu realisieren, die auch die Zukunft im Blick hat, braucht es eine Führung, die eine große Sensibilität diesem Thema gegenüber ausstrahlt und die auch dessen Bedeutung erkennt.