Rezensionen: Geschichte & Biografie

De Molinos, Miguel: Geistliches Weggeleit zur vollkommenen Kontemplation und zum inneren Frieden. Hg. v. Mariano Delgado. Freiburg: Herder 2017. 252 S. Gb. 45,­–.

Miguel de Molinos (1628-1696) war ein spanischer Priester, der nach langen Jahren in Valencia die zweite Hälfte seines Lebens in Rom lebte. Er war einer der großen Seelsorger und geistlichen Schriftsteller seiner Zeit. In Konflikt geraten mit der römischen Inquisition, wurde er verhaftet und 1687 wegen angeblich liederlichen Lebenswandels und häretischer Schriften verurteilt. Ein Widerruf ersparte ihm die Verbrennung, so dass er – was er demütig annahm – seine letzten Jahre im Gefängnis verbrachte.

Sein Hauptwerk Guía espiritual (Geistliches Weggeleit, publ. 1675) wurde zwar nicht direkt verurteilt, aber unterdrückt – und erlangte dennoch in den folgenden Jahrhunderten große Verbreitung, in Deutschland vor allem dank evangelischer Ausgaben. Vorliegende Edition bringt erstmals eine – übrigens hervorragende – Übersetzung aus dem spanischen Original ins Deutsche.

Was man sich heute kaum mehr vorstellen kann: Im 15. und 16. Jahrhundert gab es einen langen und zermürbenden Richtungsstreit zwischen den Anhängern des „inneren Gebets“ oder der „Kontemplation“, d.h. einem wort- und bildlosen und für höherwertig gehaltenen mystischen Versenken in Gott – und den Befürwortern der „Meditation“, also einer mehr diskursiven Betrachtung von Schrifttexten, in denen die Person Jesu und vor allem seine Passion eine größere Rolle spielte. Ignatius von Loyola kam von der Meditation her, hatte aber auch Ansätze der Kontemplation; Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz kamen von der Kontemplation her, betonten aber auch das Betrachten der Menschheit Jesu. Ab etwa 1575 vollzogen die Jesuiten eine antimystische Wende: Sie befürworteten fortan ausschließlich die Meditation und lehnten die Kontemplation ab. Im 17. Jahrhundert wurden viele Kontemplative von der Inquisition verfolgt und u.a. als „Quietisten“ der Häresie beschuldigt. Miguel de Molinos, der die Kontemplation bevorzugte, aber auch die Sakramente, die Betrachtung der Menschheit Jesu und die geistliche Begleitung empfahl, wurde Opfer dieser fatalen Politik.

Heute erscheint unter den meisten spirituell Lehrenden dieser Streit müßig: Was klassisch „Meditation“ und nun „Schriftbetrachtung“ heißt, ist nicht nur diskursiv, sondern auch affektiv und „schauend“. Andererseits ist die Kontemplation weder wort- oder christologielos noch irgendwie höherwertig. Vielmehr begegnen sich beide Weisen spiritueller Praxis auf Augenhöhe und sie ergänzen und befruchten sich gegenseitig. Das Problem heute ist eher die generell ausgedünnte spirituelle Praxis.

Delgados Edition der Schrift de Molinos macht einen auch sprachlich und theologisch wunderbaren Text auf Deutsch zugänglich. Sie enthält eine hervorragende und die Spiritualitätsgeschichte erhellende Einleitung, und sie öffnet reiche Bezüge zur Zeitgeschichte und zur Theologie. Der außerdem – was selten geworden ist – sehr schön ausgestattete Band empfiehlt sich allen, die für einen intensiven spirituellen Weg die Anregung eines großen Meisters wünschen.

               Stefan Kiechle SJ

 

Leppin, Volker: Franziskus von Assisi. Darmstadt: wbg Theiss 2018. 368 S. Gb. 29,95.

Es gibt zahlreiche Biografien über den mittelalterlichen Heiligen Franz von Assisi (1181/82 - 1226). Die neueste kritische Biografie stammt von Volker Leppin, einem evangelischen Kirchenhistoriker an der Universität Tübingen. Als das entscheidende Ereignis im Leben des jungen Franz stellt Leppin den Bruch mit seinem Vater heraus, den wohlhabenden Tuchhändler Pietro Bernardo.

Franz legte seine teuren Kleider ab und begann, sich wie ein Bettler zu kleiden. Freizügig gab er die Waren und die Gelder seines Vaters als Almosen für die Armen hin. „Jeden bürgerlichen Status hatte er abgestreift“, so Leppin. Als der Vater seinen Sohn vor den Konsuln der Stadt verklagte, bestand Franz darauf, dass der Bischof der Stadt den Prozess führe. Franz entkleidete sich vor dem Bischof und gab dem Vater das Geld und zugleich alle seine Kleider zurück. Er werde künftig „Vaterunser, der du bist im Himmel“ und nicht mehr „Vater Pietro Bernardone“ sagen. Der Bruch mit dem Vater 1206 war die entscheidende Wende.

Diese Biografie wirft die „franziskanische Frage“ auf, die sich aus der zweifelhaften Quellenlage herleitet, mit der sich Leppin ausführlich auseinandersetzt. So besteht dieses Buch in weiten Teilen darin, über die Schwierigkeiten beim Schreiben einer Biografie über den beliebten „Poverello“ zu berichten.

Von dem Bischof beschützt begann Franz als Eremit ein Büßerleben zu führen. Er lehnte den Besitz von Eigentum und Geld ab. Er zog Gefährten an, die mit ihm ein mönchisches Leben (fraternitas) führten. Dem Evangelium über die Aussendung der Zwölf Apostel (Mt 10,9 f.) folgend begann Franz, mit seinen Brüdern predigend das Land zu durchstreifen und seine Zuhörer aufzufordern, Buße zu tun. Auch Frauen schlossen sich der Bewegung an.

1209 versucht Franz in Rom die päpstliche Bestätigung für seine Gemeinschaft zu erlangen. Papst Innozenz III. erschien Franz wie ein „wilder Outlaw“ (Leppin). Aber er hatte inzwischen auch in Rom einflussreiche Fürsprecher wie den Bischof von Assisi und den Kardinalbischof von Ostia, der später als Papst Gregor IX. Franziskus bereits zwei Jahre nach seinem Tod heiligsprechen sollte.

1223 wurde die Regel des Ordens der „Minderen Brüder“, wie sich die Franziskaner nannten, von Rom offiziell anerkannt. Die Franziskaner verbreiteten sich rasch, auch außerhalb Italiens. Schon nach 10 Jahren betrug ihre Zahl 5000. Bereits 1221 wurden die ersten deutschen Klöster in Augsburg, Würzburg, Regensburg, Mainz, Worms und Speyer gegründet, 1225 das erste Kloster in England. Da aber die Persönlichkeit des Franziskus ganz entschieden im Mittelpunkt des Buches steht, erfährt der Leser von der „Antwort der Mönche“, so der Titel einen Buchs von Walter Dirks, nur wenig.

Das Vierte Laterankonzil hatte 1215 zur Teilnahme an den bevorstehenden Kreuzzügen aufgefordert. Vor diesem Hintergrund ist auch die Teilnahme von Franziskus am Fünften Kreuzzug in Ägypten (1217-1221) zu sehen. Offensichtlich wollte er die Muslime missionieren. Im Sommer 1219 traf Franziskus in Damiette am unteren Nil ein, das von den Kreuzfahrern belagert wurde. Es kam zu einer bizarren Begegnung zwischen Franz und dem feindlichen Sultan al-Malik al-Kamil.

Leppin kommt zu dem Ergebnis: „Franz stand am Rande, ja außerhalb der städtischen Gesellschaft seiner Zeit, in der Kirche drang er bis ins Zentrum vor. Das Bündnis mit den Päpsten war kein Missverständnis, sondern tiefste Konsequenz seiner Lebensgeschichte (…) Als Bußprediger bot er gerade keine Wirtschaftsanalyse, sondern er zielte auf den Menschen, der sich immer wieder an Ökonomisierung zu verlieren droht, in dem 21. nicht weniger als im 13. Jahrhundert.“

               Wilhelm Ribhegge

 

Wehrens, Hans Georg: Rom. Die christlichen Sakralbauten vom 4. bis zum 9. Jahrhundert. Ein Vademecum. Freiburg: Herder 2017. 411 S. Gb. 40,–.

Es fehlt nicht an Kunstbüchern über Rom und seine Sakralbauten. Am nächsten kommt dem hier vorgelegten Band vielleicht der große Kunstband von Hugo Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen in Rom vom 4. bis zum 7. Jahrhundert (Regensburg ³2013). Von dieser gründlichen Studie, auf die der Verfasser neben anderer Literatur durchgängig verweist, unterscheidet sich sein „Vademecum“ auf mehrfache Weise. Es bleibt im normalen Buchformat und lässt sich daher in den Koffer oder die Reisetasche packen. Das Material ist übersichtlich angeordnet, weniger nach Bauträgern als nach architektonischen Grundformen, die in der Einleitung auch vorgestellt werden. Zu den Abbildungen im Text kommen 250 sog. QR-Codes, die weiteres Bildmaterial aus dem Internet enthalten, ohne dass der Verfasser (ein Jurist!) oder der Verlag Autorenrechte hätten erwerben müssen. Der Aufruf der Bilder erfordert etwas Geschick, damit man den Code gut vor die Linse des Smartphones oder Tablets bringt, erweitert aber die Bilddokumentation erheblich. Ein Vorzug des vorgelegten Werkes besteht auch darin, dass der Beschreibung jedes Gebäudes ein Bauplan beigefügt wird, der die Entstehungsgeschichte bis ins Mittelalter hinein und manchmal darüber hinaus erkennen lässt. Abweichend von Brandenburg bezieht Wehrens auch die Beschreibung der Bauten bis zum 9. Jahrhundert und damit die Kirchen der sog. Karolingischen Renaissance mit ein. So hat dieses Buch seinen verdienten Platz unter den Romführern.

Wehrens Einleitung behandelt „Die Stadt Rom“, die „Entstehung der christlichen Sakralbauten“, „Architektonische Grundformen“ sowie „Ausstattung und Bildprogramme“. Gerade dieser letzte Abschnitt ist wertvoll, da er sich nicht darauf beschränkt, die Bauformen zu beschreiben, sondern auch vorbereitend in der Einleitung und dann jeweils ausführlich bei den einzelnen Bauten den Bildschmuck (zumeist in der Form von Mosaiken) vorstellt und erklärt. In einem Anhang folgen ein sehr ausführliches Glossar zu den verwendeten kunsthistorischen oder theologischen Fachtermini, ein alphabetisches Verzeichnis der behandelten Sakralbauten, eine Liste der Päpste vom 4. bis zum 9. Jahrhundert, ein Bildnachweis und ein Dankeswort. Zu den QR-Codes gibt es eine Anlage. So findet sich die Leserschaft gut zurecht.

Vor allem bei den Apsismosaiken der altchristlichen römischen Kirchen hält sich zumindest im 1. Jahrtausend eine vielfach abgewandelte Grundform durch, die anscheinend schon dem Apsismosaik von Alt-Sankt-Peter zugrunde lag, das leider nicht mehr erhalten ist (nur eine Darstellung des Paulus wird noch in der Cappella della Bocciata unter der Confessio aufbewahrt). Petrus und Paulus erscheinen neben dem erhöhten Christus. Am unteren Rand erscheint der sog. Lämmerfries, eine Reihe von je sechs Lämmern, die von der rechten und linken Seite aus einer geteilten Heiligen Stadt (Bethlehem und Jerusalem) auf die Mitte zulaufen. In der Mitte steht nicht der Gute Hirte, wie man vielleicht denken könnte, sondern ein himmlisches Lamm, das auf einem Hügel steht, aus dem die vier Paradiesesströme fließen. Verf. sieht (286) spätestens bei SS. Cosma e Damiano (6. Jh.) in dieser Motivwelt die symbolische Welt der Apokalypse des Johannes aufgegriffen, zumal hier auch noch die vier Lebenden Wesen (z.T. erhalten) erscheinen. Am vollständigsten ist die Motivwelt wohl in S. Prassede (frühes 9. Jh.) erhalten. Vieles spricht dafür, einen Einfluss der Offenbarung des Johannes schon von Alt-Sankt-Peter an anzunehmen (s. Abb. 8.6 auf 113). Vgl. zur Heiligen Stadt Offb 21,1-22,5, zum Lamm in ihrer Mitte Offb 21,22, zu dem Strom, der aus dem Thron Gottes und des Lammes fließt, Offb 22,1.3 und zu den Paradiesesströmen Gen 2,10-14 (sie werden vom Verfasser mehrfach erwähnt).

               Johannes Beutler SJ

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