Rezensionen: Theologie & Kirche

Kiechle, Stefan: Gott die Ehre. Kurze Theologie der ignatianischen Exerzitien.
Würzburg: echter 2021. 154 S. Gb. 16,90.

Der Verfasser entwirft in seinem Opusculum eine Theologie der Exerzitien, die den Leser in kurzen Skizzen zu einzelnen Stichworten auf Wege des theologischen Nachdenkens mitnimmt. Dabei denkt er primär vom Wirken Gottes im Menschen und mit dem Menschen her (11), weil Gott selbst letztlich unerkennbar bleibt. So sind auch die Kapitel, die der Dynamik der Exerzitien von Prinzip und Fundament an durch die einzelnen Wochen hindurch bis zur Betrachtung zur Erlangung der Liebe folgen, mit passiven Partizipien betitelt, die dieses Wirken beschreiben (1. Geschaffen; 2. Geheilt; 3. Gesandt; 4. Gerettet; 5. Geliebt). Die einzelnen Einträge sind knapp, unabgeschlossen, skizzenhaft, nicht selten mit offenen Fragen darin. Dies nimmt den Leser mit ins Nach- und Weiterdenken hinein und ähnelt auf einer intellektuellen Ebene Meditationspunkten in Exerzitien, die nach den Regeln der Kunst anregend, aber prozessoffen formuliert sind. Wer Freude an solchen Denkanregungen hat, wird dieses Buch mit Vergnügen lesen; wer eher Rundumschläge zu den Einträgen erwartet, wie man sie in Lexika findet, wird sich selbst überraschend in die Pflicht genommen sehen, mit dem Buch in Dialog zu treten.

Dieser Dialog ist durchaus anspruchsvoll und nicht voraussetzungslos: Der Verfasser bezeichnet „Gott die Ehre“ zwar nicht als Kommentar zum Exerzitienbuch, die einzelnen theologischen Skizzen setzen aber doch dessen Kenntnis voraus, sonst wird der Leser nur schwer folgen können. Wer das Exerzitienbuch gut kennt, kann hingegen leicht als dritter Gesprächspartner in die Unterredung zwischen Ignatius und Stefan Kiechle SJ eintreten und wird sich bald in eine lebendige Auseinandersetzung involviert finden. „Gott die Ehre“ ist nicht nur der Titel, sondern zieht sich motivisch durch das ganze Buch. Unter diesem Stichwort charakterisiert der Verfasser eingangs die Theologie der Exerzitien, und diesem Stichwort gebührt auch das Achtergewicht des letzten Eintrags, der nach vielen Überlegungen zur vom Wirken Gottes im Menschen her gedachten Theologie nun zusammenfasst, wer Gott in den Exerzitien ist. Damit ist das Buch aber überraschenderweise noch nicht zu Ende, sondern es folgen noch 14 Thesen, in der die Aktualität ignatianischer Theologie aufgezeigt wird, wobei die letzte These das Achtergewicht des Hauptteils aufnimmt: Gott gebührt die Ehre.

Das Buch hat also gleichsam zwei Schlussakkorde, von denen der zweite noch einmal verdeutlicht, was eigentlich das ganze Buch durchzieht: Gott die Ehre zu geben, ist, richtig verstanden, immer auch gut für den Menschen – gerade heute.

Igna Kramp CJ

Böhler, Dieter: Psalmen 1-50. Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament 1.
Freiburg: Herder 2021. 960 S. Gb. 150,–.

Nachdem die beiden früheren Autoren Frank-Lothar Hossfeld und Erich Zenger gestorben waren, übernahm der Frankfurter Alttestamentler Dieter Böhler SJ den noch fehlenden ersten Band zum groß angelegten Psalmen-Kommentar der renommierten Herder-Reihe. Das Konzept der vorigen Bände blieb erhalten: Jeder Psalm wird als einzelnes kleines Gedicht ausgelegt, zugleich aber auch der Psalter als ein ganzes Gebetbuch Israels und der Kirche. Die Bezüge zwischen den Psalmen werden deutlich, auch die zur ganzen Bibel, insbesondere auch jene zum Neuen Testament, das stark durch den Psalter geprägt ist. Hinweise gibt Böhler auch zur Rezeption der Psalmen bei den Kirchenvätern und in der Liturgie.

Teilsammlungen von Psalmen gab es nach Böhler schon früher, seine kanonische Gestalt erhielt der Psalter allerdings erst etwa 200 bis 150 v. Chr. Er zielte auf die Erneuerung Israels nach dem noch nicht abgeschlossenen babylonischen Exil. „Der ‚fertige‘ Psalter ist ein Trostbuch für das noch immer nicht endgültig wiederhergestellte Israel“ (37) – diese Aussage lässt sich für die Kirche bis heute ausdehnen.

„Feinde“ sind im Psalter allgegenwärtig; sie werden nicht „verflucht“, sondern: „‚Flüche‘ sind die Waffen des Gewaltlosen, der Gott bittet, dem Gewalttäter den Arm zu brechen (Ps 10,9), damit Bedürftige und Schwache nicht länger zu leiden haben. … ‚Fluchgebete‘ sind Gebete. Sie sind Optionen des Beters für Gewaltlosigkeit. Er überweist die Sache an Gott, statt sie in die eigene Hand zu nehmen“ (58). In den Psalmen kommt alle dunkle Wahrheit des Lebens zur Sprache. Sie nehmen das Dunkle in die große Bewegung von der Klage zum Lob hinein. Das Negative wird „kathartisch“ in den Prozess der Verarbeitung integriert, „an dessen Ende das reine, aber ehrliche Gotteslob steht“ (58). Böhlers Deutungen dieser strittigen Psalmen helfen weiter.

Beispielhaft sei Böhlers Deutung des Ps 22 erwähnt: Die zwei Teile des Psalms (Vv 2-22 und 23-30) bilden in diesem ersten Buch des Psalters auch den Umschlag von der Klage zum Lob. Die Bilder des Wurms, die Körperbilder des Bauches und der Brüste der Mutter und die Tierwelten des Psalms werden psychologisch und existentiell ausgedeutet (396 ff.). Im zweiten Teil folgt die beeindruckende Rettung durch Gott und der tief empfundene Lobpreis. Ausführlich erwähnt Böhler, wie die Evangelien den Ps 22 aufgreifen (416 ff.), er wird geradezu zum „Drehbuch“ der Passionserzählungen (61). Der Gedanke der Rettung des leidenden Gerechten wird für die Christologie des Neuen Testaments bestimmend – die Einheit beider Testamente sind eine Leitidee der Theologie Böhlers. Der anschließende Ps 23 deutet bei Böhler das umfassende Heilswirken Gottes mit starken Bildern weiter aus. „Der ‚Hirtenpsalm‘ als bekanntester und populärster aller Psalmen hat unzähligen Menschen Trost und Geborgenheit bei Gott vermittelt“ (438).

Böhlers Kommentar ist dick geworden, sehr wissenschaftlich, oft überfließend. Fachlich kann der Rezensent das Buch nicht beurteilen; beeindruckend ist jedoch die Überfülle an sprachlichen Details, die Böhler immer wieder hilfreich erwähnt, die Menge an Literatur, die er sehr konzis verarbeitet, der stetige Durchblick auch durch das Ganze der Schrift. Trotz der Fülle ist der Band gut lesbar. Er nimmt die Psalmen als Poesie und als Gebetbuch ernst, und er öffnet die Beschäftigung mit ihnen auch für persönliche und spirituelle Anliegen – darum sei er hier vorgestellt und auch einer nicht fachlich vorgebildeten Leserschaft empfohlen.

Stefan Kiechle SJ

Homolka, Walter / Hoppe, Juni / Krochmalnik, Daniel: Der Messias kommt nicht. Abschied vom jüdischen Erlöser.
Freiburg: Herder 2022. 272 S. Gb. 24,–.

Der Titel provoziert, der Inhalt liefert jedoch einen soliden Überblick über die „Zeitgebundenheit messianischer Vorstellungen und deren Traditionsprozesse“ (22) im Judentum. Den drei chronologisch geordneten Kapiteln ist eine Einleitung vorangestellt, die literarische Bezüge herstellt, historische Messiaspätendenten vorstellt und Begriffsklärungen vornimmt.

Juni Hoppe eröffnet, indem sie die Quellen des antiken Judentums vorstellt, angefangen mit den in der Bibel genannten Königen der davidischen Dynastie, die bei der Inthronisation gesalbt wurden, ist der Messias doch der „Gesalbte“. Seit dem babylonischen Exil wird dieser zu einer zukünftigen, politischen Befreierfigur, der das Volk im Land sammeln, Jerusalem aufbauen und den Tempelkult herstellen soll. In der zwischentestamentarischen Literatur wird zudem auf gesalbte Priester und Propheten gesetzt, so z.B. in Qumran, oder auf eine Erlöserfigur wie den „Mensch(ensohn)“, so im 4. Esrabuch und im 2. Henochbuch. Ohne die neutestamentlichen Texte einzeln zu besprechen, blickt Hoppe auf die Anwendung der Messiasvorstellungen auf Jesus. Sie werden dabei unter anderem eschatologisch akzentuiert. Wenn Hoppe formuliert, der Messias werde in der hebräischen Bibel nie eschatologisch interpretiert (65), wird sichtbar, dass sie in diesem Abschnitt leider weniger die frühchristliche Literatur im zeithistorischen Kontext bespricht, als vielmehr spätere jüdisch-christliche Differenzen betont.

Im zweiten Kapitel beschreibt Daniel Krochmalnik zunächst, wie die Rabbiner die biblischen Quellen lesen. David wird „systematisch zum Sänger und Gelehrten“ (86) und die politischen Töne des Messias werden zugunsten des inspirierten Intellektuellen zurückgenommen. Es folgt ein Überblick über die Meinungen zur messianischen Frage im Talmud: Vorzeichen, Termine, Bedingungen, Kennzeichen, Wehen, die Namen, die Dauer und die Dimensionen des Messias werden zusammengestellt. Der Talmud relativiere die Antworten, erlaube aber die messinischen Fragen, wobei der Messias lediglich Türöffner für die messianische Zeit sei. (131). Im Hochmittelalter diskutiert Maimonides die Königsgesetze in der Mischna Tora für einen „biblischen Gottesstaat“ (135). Die messianische Zeit soll ideale gesellschaftliche Rahmenbedingungen herstellen, damit sich jeder der geistig-intellektuellen Glückseligkeit zuwenden kann. Die Tage des Messias und die kommende Welt werden klar unterschieden. Krochmalnik schließt mit dem 18-Bitten-Gebet der täglichen Liturgie. Darin ist die Bitte um das Kommen des Gesalbten Davids eingelassen ins Gebet um umfassende Erlösung und Wiederherstellung Israels.

Beim Gang durch die Neuzeit unterscheidet Walter Homolka zunächst zwischen einen „restaurativen“ und einem „utopischen“ Messianismus, bevor er die messianischen Bewegungen eines Sabbatai Zwi und Jakob Frank im 17. und 18. Jh. vorstellt. Im Chassidismus werde die „Sprengkraft… von einem personalen Messias… neutralisiert“ (183). Überhaupt seien nationale und universale Aspekte zugunsten individueller Erlösung marginalisiert worden. Der Zaddik wird zum Wegbereiter des Messias. Für das 19. und 20. Jh. lässt Homolka zahlreiche Rabbiner und jüdische Denker zu Wort kommen und zitiert aus den veränderten Gebetsbüchern: Die Emanzipation setzt universale Werte des freiheitlichen und gerechten Zeitalters an die Stelle eines nationalen Messianismus, während dieser zugleich von zionistisch-säkularen Ideen beerbt wird, die zurück ins biblische Land weisen. Beim Durchbruch des politischen Zionismus nach der Shoa – immer auch mit messianischen Untertönen – , gehen die Meinungen darüber auseinander, welche Rolle im gesellschaftlichen Befreiungsprozess die einzelne Person spielt und ob die Erwartung einer Messiasfigur sinnvoll ist. So bleibt das „Messiaskonzept heute vage“ (227), zumal für viele auch marginal, weil es durch das Konzept der Wiederherstellung der Welt, tikkun olam, ersetzt worden ist. Im Nachwort des christlichen Fundamentaltheologen Magnus Striet fordert dieser, die Christologie historisch so zu verorten, dass Jesus wieder als Erlöser des „Exodus-Gottes“ (242) sichtbar wird.

Von einigen klischeehaften Abgrenzungen gegenüber christlichen Messiasvorstellungen abgesehen, gibt das Buch wertvollen Einblick in ein jüdisches Thema, das für Christen vielleicht wichtiger ist als für Juden selbst. Es hilft Christen, nicht ihr eigenes Messiasverständnis auch Juden zu unterstellen. Die vielen Quellentexte und das Glossar am Buchende erleichtert es, dass auch Nicht-Fachleute das Judentum immer besser verstehen. Die Monografie ist gut lesbar.

Christian M. Rutishauser SJ

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