Verantwortung und SolidaritätDas Gemeinsame Europäische Asylsystem

Kerstin Düsch-Wehr ist als juristische Referentin im „Kommissariat der Deutschen Bischöfe – Katholisches Büro“ in Berlin tätig. Martin Beißwenger arbeitet als juristischer Referent beim Deutschen Caritasverband in Freiburg. Stefan Keßler ist stellvertretender Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Deutschland in Berlin. In Zusammenarbeit dieser drei Institutionen entstand mit dem sogenannten „Non-Paper“ ein Vorschlag, wie das Gemeinsame Europäische Asylsystem derart überarbeitet werden könnte, dass Menschenrechte gewahrt werden und alle 27 Mitgliedsstaaten sich darin engagieren können und wollen.

In der Europäischen Union (EU) ist das gegenwärtige System aus gemeinsamen Regeln und Politiken zum Umgang mit Asylsuchenden („Gemeinsames Europäisches Asylsystem“ – GEAS) stark reformbedürftig. Zwar ist es nicht so dysfunktional, wie es manchmal in der Diskussion dargestellt wird, jedoch weist es zahlreiche Schwachstellen auf. Dies machen vor allem die vielen Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen deutlich. Der seit September 2020 unternommene Versuch, das System umzugestalten, hat in den Augen vieler Verantwortlicher noch einmal an Dringlichkeit gewonnen, weil noch vor den Europawahlen im Juni 2024 ein Ergebnis vorliegen soll. Die bisherigen Beratungsergebnisse lassen aber nicht die Hoffnung auf wirksame, nachhaltige Problemlösungen zu. Im Gegenteil droht eine stärkere Vereinheitlichung der Schutzgewährung an den nationalen Egoismen zu scheitern. Nur bei der Abwehr von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen scheint man noch Einigkeit herstellen zu können. Die gemeinsamen Regeln zu Aufnahme und Schutz jedoch werden entweder sukzessive aufgeweicht oder gar vollkommen missachtet. Anstatt um jeden Preis irgendein Ergebnis herbeizwingen zu wollen, scheint es deshalb sinnvoller zu sein, noch einmal einen Schritt zurückzutreten und die Diskussion grundsätzlich neu zu beginnen.

Vor diesem Hintergrund haben das Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland (JRS) und der Deutsche Caritasverband ein „Non-Paper“ verfasst, in dem ein praktikables gemeinsames System der Schutzgewährung an Verfolgte skizziert wird.1 Bei dem Papier handelt es sich nicht um eine abschließende Position oder Stellungnahme, sondern um einen Vorschlag, der den politischen Diskurs um das GEAS neu anregen und weiterentwickeln soll. Am Ende des Prozesses sollten praktische Lösungen für tatsächliche Probleme stehen. Das „Non-Paper“ enthält insbesondere Vorschläge zu der Verantwortungsteilung und Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten, mithin zu dem Herzstück des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Außerdem wird ein System skizziert, das sowohl den Flüchtenden als auch den Interessen der EU-Mitgliedstaaten besser gerecht wird.

Anders als Vorschläge, die das Sommerloch 2023 gefüllt haben,2 treten wir weiterhin für einen individuellen Anspruch auf Asyl ein. Glücklicherweise teilt eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland diese Auffassung.3 Jedem Menschen, der internationalen Schutz benötigt, sollte in der EU ein angemessener Status eingeräumt werden. Das im Völkerrecht verankerte Verbot der Zurückweisung einer Person in einen Staat, in dem dieser Person Menschenrechtsverletzungen drohen („Refoulement-Verbot“), ist einzuhalten. Der spontane Zugang zum Schutz sowohl an den Außengrenzen der EU als auch innerhalb der Union muss sichergestellt sein.

Dies schließt nicht aus, daneben etwa die Möglichkeiten zur kontingentierten Aufnahme Schutzbedürftiger in die EU durch humanitäre Aufnahmeprogramme und durch Neuansiedlungen (Resettlement) von Flüchtlingen mit besonderen Bedarfen auszubauen. Wie könnte nun ein System aussehen, das die Einhaltung dieser Grundsätze sichert und die praktischen Herausforderungen meistert?

Unser Non-Paper

Einheitliche Asylverfahren durch die Europäische Asylagentur: Mit 27 unterschiedlichen nationalen Verwaltungs- und Gerichtssystemen stellt eine einheitliche Auslegung des Flüchtlingsbegriffs eine große Herausforderung dar, wie auch die Erfahrung zu den stark divergierenden Schutzquoten in den einzelnen Mitgliedstaaten deutlich zeigt.4 Daher sollte das Asylverfahren zukünftig von der bereits bestehenden Europäischen Asylagentur (EUAA) verantwortet und durchgeführt werden. Diese muss dann Außenstellen in den einzelnen Mitgliedstaaten betreiben. Grundlagen für die Entscheidungen über die Anträge und für die Ausgestaltung des Verfahrens müssen wiederum unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbare EU-Verordnungen sein.

Aufbau und Arbeitsweise der Agentur stellen eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und eine engmaschige Kontrolle durch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sicher. Die Schutzsuchenden haben eine Beschwerdemöglichkeit bei der Asylagentur gegen fehlerhafte Datenerfassung bei Registrierung und Verteilung. Gegen eine ablehnende Asylentscheidung der Agentur bestehen Rechtsschutzmöglichkeiten beim Europäischen Gericht (EuG), das ebenfalls Außenstellen in den Mitgliedstaaten unterhält.

Registrierung von Schutzsuchenden an den Außengrenzen: Schutzsuchende, die spontan ohne Einreisegenehmigung in die EU einreisen und um Schutz nachsuchen, werden nach Grenzübertritt unmittelbar in offenen und menschenwürdig ausgestalteten Registrierungszentren, die von der EU-Asylagentur verantwortet werden, erkennungsdienstlich behandelt und sicherheitsüberprüft. Außerdem wird ihr Gesundheitszustand untersucht und sie erhalten erforderlichenfalls erste medizinische oder psychologische Hilfen. Da die Transparenz des Verfahrens und das Verstehen der Abläufe für die Regeltreue der Antragstellenden von großer Bedeutung ist, wird den Asylsuchenden durch eine behördenunabhängige Beratung das gesamte System und der Verfahrensablauf erklärt. Der Aufenthalt in den Zentren ist sehr kurz zu halten und dient ausschließlich der Registrierung und Entscheidung, in welchem Mitgliedstaat das (europäische) Asylverfahren durchgeführt wird.

Ein fairer Verteilungsmechanismus: Für jeden Asylsuchenden ist ein Mitgliedstaat zu ermitteln, in dem das Asylverfahren durchgeführt wird. Dem Kindeswohl und sonstigen berechtigten Belangen sind bei der Bestimmung des Mitgliedstaats stets Rechnung zu tragen. Bei der Verteilung spielt die schutzsuchende Person eine aktive Rolle, damit die Akzeptanz der Verteilungsentscheidung erhöht wird. Dementsprechend wird die Person nach Verbindungen zu einem Mitgliedstaat befragt. Stellt sich dabei heraus, dass solche Verbindungen zu einem bestimmten Mitgliedstaat bestehen, vor allem aufgrund familiärer Beziehungen (wobei zur Familie auch erwachsene Geschwister und bei unbegleiteten Minderjährigen und jungen Erwachsenen Tanten und Onkel zu zählen sind), früherer legaler längerfristiger Aufenthalte, aufgrund beruflicher Verbindungen, Sprachkenntnisse oder besonderer kultureller oder sozialer Beziehungen, wird das Asylverfahren – sofern die Person zustimmt – in diesem Mitgliedstaat durchgeführt. Selbiges gilt für Schutzsuchende, die einen Beruf ausüben, der in einem Mitgliedstaat als Mangelberuf gilt, und deren Familien.

Lässt sich eine solche Verbindung zu einem bestimmten Mitgliedstaat nicht feststellen oder stimmt die Person dem so vorgeschlagenen Mitgliedstaat nicht zu, kann die Person zwischen drei Aufnahmestaaten wählen. Einer davon kann auch der aktuelle Aufenthaltsstaat sein. Die drei Aufnahmestaaten sind anhand eines Aufnahmeschlüssels zu ermitteln, der zwischen den Mitgliedstaaten vereinbart und durch einen europäischen Rechtsakt festgelegt wird. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eines zukünftigen Aufnahmeschlüssels wurden in der bisherigen Diskussion um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bereits unterschiedliche Modelle entworfen und vorgestellt. Diese Diskussion soll an dieser Stelle nicht wiedergegeben oder vertieft werden.

Nach der Verteilung: Die EU-Asylagentur stellt über ihre Außenstellen eine angemessene und menschenwürdige Unterbringung während des laufenden Asylverfahrens in den Mitgliedstaaten sicher. Führt das Asylverfahren zur Zuerkennung eines Schutzstatus oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots, wird finanzielle Unterstützung bei der Integration geleistet. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen, die durch unterschiedliche Akteure wie freie Träger oder Kommunen durchgeführt werden, sollen Mittel im EU-Haushalt ausgewiesen werden. Mitgliedstaaten sollten diese Mittel darüber hinaus dazu nutzen, um Maßnahmen zu finanzieren, die den Zusammenhalt in den aufnehmenden Gesellschaften stärken. Der dauerhafte Umzug in einen anderen Mitgliedstaat ist möglich, sobald dort– etwa aufgrund eines Arbeitsplatzangebotes – der Lebensunterhalt eigenständig gesichert werden kann.

Ist der Asylantrag endgültig und vollständig abgelehnt worden und wurde auch kein Abschiebungsverbot festgestellt, erhält die betroffene Person eine ausführliche behördenunabhängige Beratung über die Möglichkeiten einer akzeptierten Rückkehr und die hierfür vorhandenen Unterstützungsangebote. Eine gegebenenfalls notwendig werdende Abschiebung wird europäisch organisiert und verantwortet. Ist die Abschiebung nicht innerhalb einer bestimmten Frist möglich, nach deren Ablauf die Integration der Ausreisepflichtigen so weit fortgeschritten ist, dass eine zwangsweise Rückführung nicht mehr zumutbar ist, erhält die betroffene Person einen Aufenthaltsstatus und ihre weitere Integration wird u.a. durch die Asylagentur gefördert.

Der Weg dorthin

Das Ziel eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, wie es oben beschrieben wird, kann nicht sofort erreicht werden. Deshalb ist als Zwischenschritt auf dem Weg dorthin ein vorläufiges System zu entwickeln, das pragmatisch die gegenwärtige Situation in der EU in den Blick nimmt, auf dem Bestehenden aufbaut und die positiven Erfahrungen nutzt, die Mitgliedstaaten mit ihren Asylsystemen in der Vergangenheit gemacht haben.

Wichtiger Grundsatz hierbei muss sein, dass ein solches System auf Freiwilligkeit bei den Mitgliedstaaten und auf zusätzlichen Anreizen aufbaut.

Verantwortungsteilung: Ein neuer Start für eine übergangsweise Verantwortungsteilung könnte folgendermaßen aussehen: Es wird jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten. Hierzu ist es erforderlich, dass die Verfahren zur Prüfung eines Anspruches auf internationalen Schutz innerhalb der EU durchgeführt werden. Um dies zu ermöglichen, teilen alle EU-Mitgliedstaaten auf Grundlage ihrer in den vergangenen Jahren pro Jahr aufgenommenen Schutzsuchenden und anhand einer Prognose für zukünftige Aufnahmemöglichkeiten eine ihren Kapazitäten entsprechende mögliche Aufnahmezahl von Schutzsuchenden für jedes neue Jahr der EU-Kommission mit. Die Mitgliedstaaten bestimmen dadurch selbst und verbindlich ihre eigenen Aufnahmekapazitäten. Ein erster Ansatz hierfür könnte die im Kontext der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine durch die Europäische Kommission eingerichtete Solidaritätsplattform sein, die dazu dient, Solidaritätsangebote – einschließlich vorhandener Aufnahmekapazitäten – und ermittelte Bedürfnisse zu koordinieren.5 Grundsätzlich sollen dadurch die Mitgliedstaaten nicht mehr Schutzsuchende aufnehmen müssen als diejenigen, die sich zu deren Aufnahme eher in der Lage fühlen. Eine Überlastung nationaler Asylsysteme wird dadurch ausgeschlossen.

Weichen die Mitgliedstaaten allerdings von ihren bisherigen jährlichen Aufnahmezahlen deutlich nach unten ab, so müssen sie diese Abweichung begründen. Sollte der Grund für die geringer angegebenen Kapazitäten in der Funktionsfähigkeit ihrer Asylsysteme oder ihrer Aufnahmeeinrichtungen liegen, so erhalten sie Unterstützung für einen weiteren Kapazitätsaufbau. Sollte die Abweichung mit gesellschaftlicher Ablehnung begründet werden, so würden sie Unterstützung für Projekte mit dem Ziel des gesellschaftlichen Zusammenhalts erhalten.6

Zweistufiges Verfahren: Sollten mehr Personen einen Antrag auf internationalen Schutz in der EU stellen als Kapazitäten von den Mitgliedstaaten bereitgestellt wurden, so greift ein zweistufiges Verfahren: Auf der ersten Stufe können diejenigen Mitgliedstaaten, die dazu bereit sind, freiwillig Zahlen von Menschen benennen, die sie zusätzlich aufnehmen wollen. Sollten danach immer noch nicht alle Schutzsuchenden in der EU aufgenommen sein, so greift die zweite Stufe, auf der die dann noch überschießende Anzahl an Personen prozentual, orientiert an den von den einzelnen Mitgliedstaaten ursprünglich mitgeteilten Aufnahmekapazitäten, verteilt werden. Eine Situation wie in den Jahren 2015/2016, als einzelne Mitgliedstaaten enorm hohe Aufnahmezahlen hatten, wäre damit ausgeschlossen, da das System die Aufnahme nicht mehr national, sondern aus einem stärker europäischen Blickwinkel betrachtet und dadurch immer eine Verteilung über alle Mitgliedstaaten, gemessen an den von ihnen selbst benannten Kapazitäten, erfolgen würde.

Um Mitgliedstaaten mit höheren Aufnahmekapazitäten zu unterstützen und um Anreize für diejenigen Mitgliedstaaten zu schaffen, die geringe Aufnahmekapazitäten gemeldet haben, wird im EU-Haushalt ein Fonds eingerichtet, in den alle Mitgliedstaaten gemessen an ihrem BIP einzahlen und aus dem alle Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Aufnahmekapazitäten Zahlungen erhalten, um ihre Kosten auszugleichen und Maßnahmen zu finanzieren, die den Zusammenhalt in den aufnehmenden Gesellschaften stärken. Diejenigen Mitgliedstaaten, die geringe Kapazitäten hinsichtlich der möglichen Aufnahmezahlen gemeldet haben, sollen für den Kapazitätsaufbau ihrer Asylsysteme zusätzliche finanzielle Mittel erhalten können, je nach Grad der Funktionsfähigkeit und der Notwendigkeit, den Aufbau ihres Asylsystems zu unterstützen. Die mit der steigenden Funktionsfähigkeit des Asylsystems anwachsende Aufnahmekapazität müsste dann in der jährlichen Benennung der möglichen Aufnahmezahlen durch den Mitgliedstaat Berücksichtigung finden.

Ergänzend sollten sich die Mitgliedstaaten gegenseitig dadurch unterstützen, dass anerkannt Schutzberechtigte Freizügigkeit in allen Mitgliedstaaten unter anderem zur Arbeitsaufnahme genießen.

Vorrang der Freiwilligkeit: Die dem Vorschlag zugrunde liegende Freiwilligkeit würde eine neue Dimension in den politischen Diskurs einführen, die dazu beitragen könnte, dass die derzeitige Pattsituation der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten überwunden und in ein gemeinsames Vorgehen münden könnte. Die Mitgliedstaaten, die zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit sind, könnten dies tun, hätten aber gleichwohl die Gewissheit, auf zukünftige Entwicklungen in ihren Staaten reagieren zu können. Diejenigen Staaten, die überlastet sind oder sich überlastet fühlen, würden eine tatsächlich spürbare Entlastung erfahren, und auch diejenigen Staaten, die derzeit nur wenige Personen aufnehmen wollen oder können, könnten eine eigenständige Entscheidung treffen und die Unterstützung erhalten, die sie aus ihrer Sicht benötigen.

Die Umverteilung: Auch im Rahmen des hier vorgeschlagenen Zwischenschritts hin zu einem tragfähigen System der Aufnahme von Schutzsuchenden in allen Mitgliedstaaten der EU sollen Asylsuchende, die ohne Genehmigung einreisen, nach dem Grenzübertritt sofort in offene und menschenwürdig ausgestaltete Registrierungszentren weitergeleitet werden. Um die aktuell bestehenden Unterschiede bei den Verfahrens- und Unterbringungsstandards zu überwinden, stehen diese Zentren unter der Verantwortung einer EU-Behörde und befinden sich nicht zwingend in Grenznähe. In diesen Zentren erfolgen die erkennungsdienstliche Behandlung sowie die Sicherheits- und Gesundheitsüberprüfung mit erforderlichenfalls ersten medizinischen oder psychologischen Hilfen – so könnten bereits hier auch Anzeichen einer besonderen Schutzbedürftigkeit berücksichtigt werden.

Da die Transparenz des Verfahrens, mit dem der zuständige Mitgliedstaat ermittelt wird, und das Verstehen der Abläufe für die Regeltreue der Antragsteller von großer Bedeutung ist, wird den Asylsuchenden durch eine behördenunabhängige Beratung das System und das Verfahren erklärt. Hierfür wird ein Beraterpool gebildet. Um eine Beratung in den Registrierungszentren für alle Asylsuchenden sicherstellen zu können, werden Präsenz- und Onlineangebote miteinander verbunden. Der Aufenthalt in den Zentren ist sehr kurz zu halten und dient ausschließlich dem Registrierungsverfahren und der Entscheidung darüber, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Beteiligung der betroffenen Person: Schon auf dem Weg hin zu einem tragfähigen Aufnahmesystem ist es wichtig, dass der asylsuchenden Person bei der Entscheidung, in welchem Mitgliedstaat das Asylverfahren durchgeführt wird, eine aktive Rolle zukommt, damit die Akzeptanz der Verteilungsentscheidung erhöht wird. Dementsprechend wird die Person auch jetzt schon anhand der oben genannten Kriterien nach Verbindungen zu einem Mitgliedstaat befragt (familiäre Beziehungen, frühere legale Aufenthalte, Sprachkenntnisse, berufliche Verbindungen, besondere kulturelle oder soziale Beziehungen). Werden derartige Verbindungen festgestellt, wird der entsprechende Mitgliedstaat zuständig. Der Asylantrag wird an die zuständige Stelle des Mitgliedstaats weitergeleitet und das Asylverfahren dort durchgeführt.

Lässt sich eine solche Verbindung zu einem bestimmten Mitgliedstaat nicht feststellen oder stimmt die Person dieser Verteilung nicht zu, kann die Person zwischen drei Aufnahmestaaten wählen, die anhand der bestehenden Kapazitäten durch die EU-Asylagentur aus den Mitgliedstaaten ermittelt werden. Einer der drei Aufnahmestaaten kann auch der Aufenthaltsstaat sein.

Sollte in einzelnen Mitgliedstaaten die von ihnen genannten Kapazitäten zur Aufnahme Schutzsuchender erreicht sein, greift von den oben genannten Verbindungen in einen Mitgliedstaat allein die der familiären Beziehungen. Die Mitgliedstaaten sind auch bei Erreichen der von ihnen genannten Kapazitäten verpflichtet, Schutzsuchende aufzunehmen, die familiäre Beziehungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten haben. Allen anderen Schutzsuchenden werden entsprechend der bestehenden Kapazitäten oder des beschriebenen Verfahrens bei Überschreitung der Aufnahmekapazitäten drei Aufnahmestaaten vorgeschlagen.

Die Prüfung des Schutzbegehrens erfolgt durch die nationalen Behörden und Gerichte des jeweiligen aufnehmenden Mitgliedstaates. Parallel dazu werden die materiell- und verfahrensrechtlichen Grundlagen für die Entscheidungen über Schutzbegehren sowie die Standards der Aufnahmebedingungen stärker unionsweit vereinheitlicht. Diese Übergangsphase soll mittel- bis langfristig in dem oben beschriebenen gemeinsamen Asylsystem münden.

Und doch darf man nie vergessen, dass die Migranten an erster Stelle nicht Nummern, sondern Personen sind, Gesichter, Namen und Geschichten. Europa ist die Heimat der Menschenrechte, und wer auch immer seinen Fuß auf europäischen Boden setzt, müsste das spüren können; so wird es ihm selbst deutlicher bewusst werden, dass er sie respektieren und verteidigen muss.

– Papst Franziskus auf Lesbos, April 2016

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