In der letzten Zeit hatte ich gelegentlich Sonntagsgottesdienste in einer Arbeiterpfarrei übernommen. Nach der Predigt wird immer das Glaubensbekenntnis gebetet. In dieser Pfarrei war es üblich, das Credo von Nicäa und Konstantinopel aus dem 4. Jhd. nach Christus zu beten. Dort heißt es nach dem Bekenntnis zum Vater: „und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen…“. Ich habe mich immer wieder gefragt, was meine Automobilarbeiter wohl von solchen Glaubensaussagen verstanden, waren diese doch in der Sprach- und Gedankenwelt griechischer Gemeinden des 4. Jhd. entstanden. So bot sich an, die kürzere und verständlichere Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zu wählen, die einfach sagt: „und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist…“ Auch so wird der Glaube offensichtlich unverkürzt zum Ausdruck gebracht.
Von hier aus stellt sich die grundlegendere Frage, wieweit zum Heil das Bekenntnis des Glaubens in der Formulierung der großen Konzilien des 4. und 5. Jhd. notwendig ist. Dahinter verbirgt sich die noch grundlegendere Frage, wie sich überhaupt Aussagen über das Wesen Gottes oder Christi und solche über christliches Verhalten zueinander verhalten. Dabei stößt man dann auf einen Text wie Mk 8,27-38.
Wesen Jesu und Weg Jesu
nach Mk 8,27-38
In dem kurzen Abschnitt Mk 8,27-30 ist offensichtlich der Höhe- und Wendepunkt des Markusevangeliums erreicht. Jesus hat sich in Wort und Tat geoffenbart, und so kann er eine erste Bilanz ziehen. Wofür halten ihn die Leute? Darauf gibt es verschiedene Antworten, die Jesus im Lichte großer Gestalten Israels sehen wie Johannes den Täufer, Elia oder einen der Propheten. Das reicht offenbar nicht aus, und so fragt Jesu die Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Darauf gibt Petrus als Sprecher des Jüngerkreises die im Sinne des Evangelisten richtige Antwort: „Du bist der Christus“. Damit könnte die Geschichte aufhören. Die Leserinnen und Leser des Markus erhalten von Petrus die Deutung Jesu, die sie im Glauben annehmen können und sollen. Das könnte genügen, um das Heil zu finden. Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende.
Jesus spricht jetzt von sich mit einer neuen Selbstbezeichnung als dem „Menschensohn“. Dieser müsse von den Ältesten, Hohepriestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden, doch nach drei Taten auferstehen. Derselbe Petrus, der gerade noch die Frage nach dem Wesen Jesu richtig beantwortet hat, versagt nun total und will Jesus von diesem Weg abbringen. Er muss sich die Bezeichnung „Satan“ gefallen lassen und die Einladung vernehmen, neu hinter Jesus her zu gehen. Richtig auf die Frage nach dem Wesen Jesu geantwortet zu haben, reicht also nicht aus. Auch sein Weg muss bejaht werden, auch unter Einsatz des eigenen Lebens. Dazu ruft Jesus auch die Volksmenge auf, die sich im Anschluss an die Jüngerszene versammelt hat.
Nachfolge Jesu auf dem Wege
(Mk 8,27-10,52 par.)
Für den ersten Evangelisten, Markus, ist Jesu Ankündigung seines künftigen Leidens und seiner Auferstehung von grundlegender Bedeutung. Der ganze Abschnitt Mk 8,27-10,52 wird zusammengehalten durch das Thema „Nachfolge Jesu auf dem Wege“.1 Der „Weg“ begegnet schon in der Einleitung Mk 8,27, die „Nachfolge“ wird in V. 34 eingeführt. Am Ende des ganzen Abschnitts vor den Kapiteln, die auf die Passion zuführen, heißt es von dem blinden Bartimäus, der zum Glauben an Jesus kommt: „und er folgte Jesus auf dem Wege nach“ (Mk 10,52). In diesem Abschnitt ab Mk 8,27 kündigt Jesus dreimal sein kommendes Leiden an, dreimal verstehen ihn die Jünger nicht, und dreimal werden sie in die Nachfolge auf seinen Weg eingewiesen. Man sieht an diesem Aufbau, wie wichtig dem Ersten Evangelisten dieses Thema war.
Die beiden anderen synoptischen Evangelisten, Matthäus und Lukas, haben diese Themenabfolge von Markus übernommen, ihr freilich im Aufbau ihrer Evangelien nicht mehr die gleiche Bedeutung zukommen lassen. Bei Matthäus finden sich Petrusbekenntnis und erste Leidensankündigung in Mt 16,13-29. Matthäus behält den Tadel des Petrus bei, gleicht ihn aber aus durch die Verheißung Jesu, Petrus werde aufgrund seines Bekenntnisses Fels der Kirche sein. Lukas bringt das Petrusbekenntnis mit der anschließenden Leidensankündigung in Lk 9,18-26. Den Vorwurf und den Tadel des Petrus lässt er weg. Die zweite Leidensankündigung folgt noch in Lk 9,43-45, die dritte erst bei der Wiederaufnahme des Markusstoffes in Lk 18,31-34. Die strukturelle Bedeutung von Mk 8,27 - 10,52 ist bei diesen beiden Evangelisten also nicht mehr gewahrt, aber sie haben das dreifache Thema zumindest beibehalten. Bei Johannes entsprechen den drei Leidensankündigungen die drei Texte, in denen Jesus von seiner zukünftigen „Erhöhung“ (am Kreuz und zum Vater) spricht (Joh 3,14; 8,28; 12,32). Hier ist die Ankündigung freilich nicht mehr mit dem Ruf zur Nachfolge verbunden. Er erfolgt eher an anderer Stelle (vgl. 12,23-26; 21,19).
Der „Weg“ in der Apostelgeschichte
Dass das Christentum nicht einfach eine „Lehre“, sondern auch und zunächst ein „Weg“ ist, zeigt sich in der Apostelgeschichte.2 Lukas benutzt diesen Ausdruck gern, um die neue Lebensform der Christen zu beschreiben. Nach Apg 9,2 erbittet sich Saulus Briefe an die Synagogen in Damaskus, „um die Anhänger des Weges Jesu, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen.“ In Apg 22,4 kommt er darauf zurück. Von Paulus in Ephesus heißt es: „Da aber einige verstockt waren, sich widersetzten und vor allen Leuten den Weg Jesu verspotteten, trennte er sich mit den Jüngern von ihnen und unterwies sie täglich im Lehrhaus des Tyrannus“ (Apg 19,9; vgl. 23). In Apg 24,14 (vgl. V. 22) sagt Paulus in einer Verteidigungsrede in Jerusalem: „Dem Weg entsprechend, den sie eine Sekte nennen, diene ich dem Gott meiner Väter.“ Paulus sieht im Christentum also nicht ein neues Lehrgebäude neben dem Judentum, sondern eine Lebensweise, die dem Judentum ein besonderes Gepräge gibt. Das entspricht dem Selbstverständnis des Judentums, das sich eher als eine Lebensweise nach der Tora als eine Lehre versteht.
Konzentration auf Tod und Auferstehung Jesu
in der Apostelgeschichte und bei Paulus
Die Erinnerung an Leiden, Tod und Auferstehung Jesu ist auch in der Apostelgeschichte und bei Paulus zentral. Fast alle Missionsreden in der Apostelgeschichte führen hin zum Kerygma von der Auferstehung Jesu.3 So sind die Missionsreden des Petrus und dann die des Paulus aufgebaut (vgl. Apg 13,23-37; 17,31; die Rede von Apg 14,15-17 bricht vorher ab). Freilich führen diese Reden nicht zur Leidensnachfolge hin, sondern in der Regel zum christologischen Bekenntnis. Die Bereitschaft zum Leiden wird nur an den führenden Gestalten der Gemeinde wie Stephanus oder Paulus aufgezeigt, die bereitwillig für Jesus in den Tod gehen.
Wie bekannt, kommen bei Paulus das öffentliche Leben Jesu und seine Lehre so gut wie nicht vor. Allenfalls findet sich das Verbot der Ehescheidung (1 Kor 7,10 f.). Auch kennt Paulus die Feier des Abendmahles durch Jesus (1 Kor 11,23-26). Jesu Verkündigung des Reiches Gottes ist ersetzt durch die Rechtfertigung durch den Glauben (doch vgl. Röm 14,17). Und doch sind Leiden, Tod und Auferstehung Jesu zentrale Themen der paulinischen Verkündigung. Sie werden freilich nicht wie bei den Synoptikern mit der Aufforderung zur Leidensnachfolge verbunden, sondern werden als zentrales Heilsereignis verkündet, das im Glauben anzunehmen ist. So heißt es am Schluss von Kap. 4 des Römerbriefes: „Wegen unserer Verfehlungen wurde er hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt“ (Röm 4,25). Die Bereitschaft des Paulus, um Jesus willen Gefangenschaft und letztlich den Tod erleiden zu müssen, findet sich vor allem in den späteren Briefen des Paulus zum Ausdruck gebracht (vgl. etwa Phil 1,12-26).
Anfänge des christologischen Bekenntnisses
bei den Synoptikern
Das Markusevangelium beginnt mit den Worten „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn“ (Mk 1,1). Damit sind die entscheidenden Bezeichnungen Jesu bei Markus genannt. Dass Jesus Gottes geliebter Sohn sei, verkündet die Himmelsstimme bei seiner Taufe (Mk 1,12). Die Formulierung („mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“) lässt an den Gottesknecht Jes 42,1 denken. Die gleiche Himmelsstimme erschallt bei der Verklärung Jesu Mk 9,7: „Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“. Im Augenblick des Todes Jesu bekennt der heidnische Hauptmann, der Jesu Tod miterlebt hatte: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Er macht sich damit zum Sprecher der künftigen Gemeinde aus Juden und Heiden. Es ist freilich bei Markus und den ihm folgenden Seitenreferenten nicht deutlich, was mit dieser Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes gemeint sein soll. Manche Ausleger deuten sie vom Alten Testament her, andere mehr auf dem Hintergrund des Hellenismus und der römischen Staatsreligion. Auf jeden Fall sind wir von den metaphysischen Aussagen der späteren Jahrhunderte hier noch weit entfernt.
Bei Matthäus gibt es eine Fülle von Bezeichnungen Jesu. Jesus spricht von sich selbst in der Regel als dem „Menschensohn“. Der Titel „Sohn Davids“ wird wie schon bei Markus problematisiert (Mt 21,41-44; Mk 12,35-37). Jesus ist eben der Gottessohn. Am meisten weist in die zukünftige Richtung der Glaubensaussagen das sog. „johanneische Logion“ in Mt 11,25-27 (= Lk 10,21 f.) aus der Lukas und Matthäus gemeinsam vorliegenden „Spruchquelle“: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden, niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“ Erneut wird man hier noch keine Wesensaussagen der späteren Zeit finden wollen. Diese stützen sich auf Texte wie den genannten, entwickeln sie aber weiter in Sprache und Gedankenwelt des griechischen Denkens.4
Das gleiche gilt von der „trinitarischen“ Taufformel von Mt 28,19: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Der Text hat mit Sicherheit die christologischen und trinitarischen Diskussionen und Aussagen der kommenden Jahrhunderte beeinflusst, doch darf man in ihm noch nicht das Reflexionsniveau dieser späteren Jahrhunderte voraussetzen.5
In der Kindheitsgeschichte des Lukas begründet der zwölfjährige Jesus sein Verbleiben im Tempel mit den Worten: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49).6 Zu eben diesem Vater betet Jesus vor seinem Leiden: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Es ist eben dieser Vater, den Jesus im „Vater unser“ die Jünger im Gebet anzurufen lehrt (Mt 6,9; Lk 11,2). Nur nennt ihn Jesus in besonderer Weise seinen Vater, wie schon das Gebet des Zwölfjährigen zeigt.
Volles christologisches Bekenntnis
bei Johannes und seitdem im Neuen Testament
Von ausschlaggebender Bedeutung für die spätere Entwicklung der Theologie ist das Johannesevangelium. Keine Schrift hat die Dogmenentwicklung der ersten Jahrhunderte so beeinflusst wie dieser Text. Innerhalb des Vierten Evangeliums, das wohl nach den synoptischen Evangelien und unter deren Verwendung gegen Ende des ersten Jahrhunderts entstanden ist,7 besitzt noch einmal der Prolog (Joh 1,1-18) eine besondere Bedeutung. Hervorzuheben ist hier die Bezeichnung Jesu als Logos, dessen Mitwirkung bei der Schöpfung und seine Bezeichnung als „Gott“, all dies schon in den ersten drei Versen. Der Logostitel wird Anlass zu platonischen Spekulationen über das Wesen Christi bieten, auch über seine Rolle bei der Schöpfung. Die Bezeichnung Christi als „Gott“, die sich in V. 1 und später in V. 18 findet und von Thomas aufgegriffen werden wird (Joh 20,28), läutet die spätere Entwicklung ein. Der Glaube an Jesus als Christus und Sohn Gottes bildet das Ziel des ganzen Evangeliums (Joh 20,31). Er erscheint hier nicht mehr als Einweisung in einen Weg wie bei Markus, sondern steht in sich. In ihm ist Heil, freilich als gelebter Glaube im Sinne der Gebote Jesu, nicht zuletzt des Liebesgebots.
In der Paulusschule werden ähnlich wie bei Johannes die Präexistenz Jesu und seine Schöpfungsmittlerschaft vorausgesetzt und hymnisch besungen (vgl. Kol 1,15-17; Hebr 1,1 f.). So bereiten sich spätere Entwicklungen vor.
Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts zeichnen sich erste Auseinandersetzungen um das Verständnis Jesu Christi ab. In diese Zeit gehören wohl die drei Johannesbriefe. In ihnen geht es (vor allem in 1 und 2 Joh) u.a. um das rechte christologische Verständnis. Während sich das Johannesevangelium noch mit dem Judentum auseinandersetzt und die Gottheit Jesu herausstellt, sehen die Johannesbriefe eher die wahre Menschheit von einer charismatischen Gruppe bedroht. Noch liegt hier kein wirklicher Doketismus vor, nach dem Jesus nur einen Scheinleib besessen hätte, doch wird zumindest die Heilsbedeutung Jesu, des Menschgewordenen, in Zweifel gezogen.8
Die Apostolischen Väter,
frühchristlichen Apologeten, Irenäus
In den Briefen des Ignatius von Antiochien, des bedeutendsten der Apostolischen Väter, wird nun wohl erstmalig Auseinandersetzung mit echtem Doketismus erkennbar und geführt.9 Im Brief an die Epheser wird zumindest die wahre Menschwerdung Christi betont und festgehalten (IgnEph 18-19). Im Brief an die Trallianer kommt der Doketismus ausdrücklich zur Sprache (9,1-11,2). Jesus war wahrer Mensch, von seiner Geburt bis zu seinem blutigen Tod am Kreuz. Dies wird auch im Brief an die Smyrnäer betont (4,1-7,2). Wenn Jesus nicht blutig am Kreuz gestorben wäre, bräuchte Ignatius auch nicht den Tod des Martyriums auf sich zu nehmen. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts wird die volle Menschheit Jesu vor allem gegenüber der aufkommenden Gnosis zu verteidigen sein.
Die frühchristlichen Apologeten stehen in einer doppelten Auseinandersetzung. So versucht Justinus, selbst ursprünglich dem Hellenismus verpflichtet, in seiner Apologie die Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber den griechisch-römischen Religionen aufzuweisen, setzt sich aber in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon auch mit dem Judentum auseinander.10 Gemeinsam ist bei beiden Auseinandersetzungen die Frage: Wer ist Jesus? Für seine gläubige Antwort ist Justinus auch bereit, in Rom in den Tod zu gehen.
Die beherrschende Gestalt am Ende des 2. Jhd. ist in der frühen christlichen Theologie der Bischof Irenäus von Lyon.11 Selbst aus dem Osten stammend, kann er östliche und westliche Theologie zu einer Synthese führen. Im Mittelpunkt seiner Theologie steht Christus als der Höhepunkt der Heilsgeschichte. Inzwischen ist die Blütezeit der Gnosis angebrochen. Sie kann in dem Erlöser Jesus keinen wirklichen Menschen sehen, sondern nur ein himmlisches Wesen, das die Erde nur berührt, um die Menschen auf den Weg der Erlösung zu bringen. Kronzeuge für die wahre christliche Lehre ist für Irenäus der Evangelist Johannes. In seinem Werk „Wider die Häresien“ beruft sich Irenäus vor allem auf den Johannesprolog (Joh 1,1-18), um einerseits die göttliche Würde Jesu, anderseits seine wahre Inkarnation festzuhalten. Damit gibt er auch die Argumentation für die kommenden Jahrhunderte vor, für die er der wichtigste Wegbereiter wurde.
Die Konzilien des 4. und 5. Jahrhunderts
Wir übergehen hier die Theologen des 3. Jahrhunderts, Wegbereiter der späteren kirchlichen Entscheidungen, und wenden uns kurz den Konzilsentscheidungen des 4. und 5. Jahrhunderts zu, die für die Zukunft die kirchliche Lehre zur Christologie und Dreifaltigkeit formulieren. Für unsere Fragestellung nach Wesen und Weg Jesu ist vor allem das Erste Ökumenische Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) von Bedeutung. Die Frontstellung erfolgt hier gegenüber dem Arianismus, der Jesus nicht als dem Vater wesensgleichen Sohn, sondern als ein erstes Geschöpf sah. Hier kam es dann zu dem eingangs zitierten Bekenntnis zu Jesus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater gezeugt vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Lichte usw., wobei es dem Konzil vor allem darauf ankam, festzuhalten, Jesus sei des gleichen Wesens wie der Vater. Die erbitterten Debatten der dem Konzil vorausgehenden Zeit hatten dazu geführt, dass es nur noch auf das Wesen Jesu ankam. Nach seinem Weg wurde nicht mehr gefragt. Das darauffolgende Erste Konzil von Konstantinopel (381 n. Chr.) hielt die Göttlichkeit des Heiligen Geistes fest, das Konzil von Ephesus (431 n. Chr.) noch einmal die Göttlichkeit Jesu und das von Chalkedon (451 n. Chr.) die zwei Naturen in Christus gegen monophysitische Bestreitung.12 Damit klangen die Diskussionen um die Christologie langsam ab und das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis trat seinen Weg durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart an.
Zurück zu den Ursprüngen?
Es geht hier nicht um die Geltung dieses Glaubensbekenntnisses, sondern um seine Verständlichkeit heute und um seinen Stellenwert. Nicht nur heutige Industriearbeiter werden sich mit Sprache und Gedankenwelt der Glaubensaussagen des 4. und 5. Jhd. schwertun. Das Evangelium wurde im Laufe der Zeit in zahlreiche nichteuropäische Kulturen getragen, die nicht mehr in der Tradition der griechisch-römischen Antike stehen. Inkulturation heißt Übersetzung des Evangeliums in neue Kulturen mit ihren eigenen religiösen und sprachlichen Voraussetzungen.13 In Europa selbst liegen für die meisten Menschen die Sprache und Gedankenwelt der Antike in weiter Ferne. Wie müsste man den Glauben heute formulieren, damit er verstanden wird? Hinzu kommt, dass der christliche Glaube heute für viele an Relevanz verloren hat, da er zu sehr auf die Frage nach dem Wesen Jesu eingeschränkt verkündet wird. Der Weg Jesu ist aus dem Blick geraten. Wie handelt man heute als Christ?
Heutige Katechismen versuchen, nicht einfach das Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel auszulegen. Der „Katechismus der Katholischen Kirche“ (1993) folgt in seinem Verlauf dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, geht freilich ausführlich auf die Auseinandersetzungen und Lehrentscheidungen der Konzilien der Alten Kirche ein. Einen ganz anderen Weg geht der sog. „Holländische Katechismus“ aus dem Jahr 1966, deutsch „Glaubensverkündigung für Erwachsene“ (1969)14. Er geht nicht mehr dem Credo nach, sondern erzählt von Jesus, wie er vorher vom Weg zu Christus bei den Völkern und in Israel erzählt hat. Was in den überlieferten Glaubensbekenntnissen vollkommen ausgespart erscheint, wird nun ausführlich dargestellt, nämlich das Leben Jesu von seinem Beginn bis zum Ende. Ein wichtiger Abschnitt behandelt das „Reich Gottes“ als zentralen Inhalt der Verkündigung und Wirksamkeit Jesu. Für die Verkündigung dieses Reiches war Jesus bereit, sein Leben einzusetzen. Von hier aus können wir uns fragen, wie wir versuchen könnten, vom Blick auf das Wesen Jesu wieder neu zur Einladung zu seinem Weg zu gelangen. Vielleicht würde dies Herz und Ohr mancher Zeitgenossen wecken.