Dahlke, Benjamin; Katholische Theologie in den USA.
Freiburg: Herder 2024. 264 S. Gb. 38,–.
Mit seinem Buch „Katholische Theologie in den USA“ legt Benjamin Dahlke eine kenntnisreiche und lesenswerte Einführung in die theologischen Debatten in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1945 vor. In acht Fallstudien zeichnet der Eichstätter Dogmatiker den Weg der US-amerikanischen Theologie von einer anfänglich neuscholastischen Prägung und deren Anspruch auf universale Geltung über die Rezeption europäischer theologischer Ansätze nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bis hin zu einer kontextsensiblen „American Catholic Theology“ nach. Die Verortung katholischer Theologie in der amerikanischen Kultur, Geschichte und Politik kommt dabei ebenso zur Sprache wie die institutionellen Voraussetzungen der katholischen Theologie. Nicht zuletzt werden dabei vielfältige Spannungen zwischen bischöflichem Lehramt und katholischer Theologie, aber auch innerhalb der verschiedenen Ausprägungen der Theologie in den USA erkennbar.
Einen Schwerpunkt nehmen dabei systematische Fragestellungen ein – etwa in der Christologie. Aber auch der charakteristische Beitrag der US-amerikanischen Theologie zur historischen Jesusforschung wird gewürdigt. Kenntnisreich skizziert Dahlke die allmähliche Akzeptanz der historisch-kritischen Methode in der katholischen Exegese. Vor dem Hintergrund der überwältigenden Vielfalt an Kirchen und christlichen Denominationen in den USA stellt diese Methode eine große Herausforderung im ökumenischen Gespräch dar. Hier allerdings gibt es schon seit den 1990er-Jahren aus europäischer Perspektive überraschende Koalitionen – so etwa zwischen Katholiken, Protestanten, Evangelikalen und Pentekostalen.
Die acht Kapitel des Buches können je für sich gelesen werden; zugleich gelingt es dem Autor, Wiederholungen zu vermeiden. Jedes Kapitel mündet in eine instruktive Zusammenfassung und einen Ausblick. Maßgebliche Theologinnen und Theologen werden knapp, aber aussagekräftig in ihren jeweiligen fachtheologischen, kirchenpolitischen und zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet. Auch Desiderate werden markiert. So vermisst Dahlke angesichts intensiver Debatten über die Konstitution der gottmenschlichen Person Jesu Christi, die unter analytischen Religionsphilosophen in den USA geführt werden, entsprechende Reflexionen auf theologischer Seite.
Indem Dahlke den institutionellen Rahmen der Theologie skizziert und die Sachfragen umreißt, die in den zurückliegenden Jahrzehnten von US-amerikanischen Theologen und Theologinnen erörtert wurden, hält er der europäischen Theologie einen Spiegel vor, in dem sie ihre eigene Kontextualität erkennen kann. In einer globalen Welt, in der theologische Debatten zunehmend auf Englisch geführt werden, ist der Blick über den europäischen – und zumal deutschen – Tellerrand der Theologie nicht nur weiterführend, sondern unverzichtbar.
Mit Blick auf viele notgedrungen nur knapp skizzierte theologische Sachfragen wecken Dahlkes Fallstudien den Wunsch, genauer hinzusehen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis liefert hierzu Anregungen in Hülle und Fülle. Selten vermittelt ein Buch auf vergleichsweise kompaktem Raum so viel an Wissen und Einblick in theologische Debatten der Gegenwart.
Dirk Ansorge
Weinberger, Eliot: Engel & Heilige.
Berlin: Berenberg 2023. 168 S. Gb. 28,–.
Der Engel Konjunktur hält an: von Anselm Grün über zahlreiche sowohl populäre oder esoterische wie auch seriöse Werke bis hin zum Dichtertheologen Christian Lehnert und nun zu dem New Yorker Essayisten Eliot Weinberger. Offensichtlich treffen diese Bücher auf ein Bedürfnis und auf eine Sehnsucht. Engel bringen Idealismus und Menschlichkeit, freilich auch Phantasmen und Absurditäten in die Religion, gemeinsam mit ihrem Widerpart, den Teufeln und mit – ja auch den Heiligen, die die Engel gleichsam auf die Erde holen.
Im ersten Teil des Buches entfaltet Weinberger die alten Lehren von den Engeln, mit großen Zitaten aus der meist christlichen Engels-Geschichte, auch mit Blick auf Judentum und Islam. Er bleibt dabei vornehm neutral, ein wenig ironisch distanziert, aber wohlwollend und vielfach erhellend, bildhaft, auch dem Chaos Raum gebend, poetisch. Im zweiten Teil über die Heiligen lässt der Autor seinen Hang zum Narrativen, Anekdotischen, Skurrilen lospurzeln: In meist kurzen Phrasen, bisweilen auch in längeren Berichten wird Ekstatisches und Absonderliches, auch glühend Frommes und radikal Asketisches aus dem Leben vieler bekannter und vor allem unbekannter Heiliger erzählt. Die Zitate aus ihren Schriften sind oft Aphorismen, verrätselt und lehrreich. Für Christen eine wunderliche, aber auch heilsame Einsicht: Verrücktes und Fanatisches gibt es nicht nur in anderen Religionen, sondern auch bei uns. Ein bisschen Exzentrik gehört dazu, regt auf, gibt Würze, treibt auch zur Unterscheidung der Geister. Ein abschließender Text zu Thérèse von Lisieux beschreibt, wieder eher ironisch, den Verehrungshype nach ihrem Tod und dessen Instrumentalisierung durch Kirche und Politik. Der dritte Teil über das Jenseits ist dann ein Minitext, eine Story, die von Strengheit und Ordnung nach dem Sterben redet – wieder verrätselt, wohl gegen das Chaos auf Erden gerichtet, gegen allen Mainstream, das Denken anstachelnd.
Das vom Verlag sehr schön gestaltete Buch Weinbergers ist gut lesbar, aber auch ein wenig verstörend und zugleich lehrreich – empfehlenswert für alle, die mutig sich den skurrilen und auch den mystischen Seiten in sich und in ihrer Religion stellen wollen.
Stefan Kiechle SJ