Rezensionen: Kunst & Kultur

Claussen, Johann Hinrich: Gottesbilder. Eine Geschichte der christlichen Kunst.
München: C.H. Beck 2024. 318 S. Gb. 32,–.

Der Titel drückt Ambition aus. Der Autor versucht, diese zu erfüllen, indem er die Leserschaft entsprechend der großen Kunstepochen durch zwölf imaginierte Ausstellungssäle führt und in ihnen jeweils einige wenige Bilder erläutert und deutet.

Er beginnt mit dem antiken Israel, das erheblich bilderfreundlicher war als gemeinhin angenommen. Der zweite Saal enthält Christusbilder der Anfangszeit, in Katakomben, auf Amuletten, auch mit dem ersten Bild des Gekreuzigten. Über die erstaunlichen Bildwelten in Syrien, Ägypten und Äthiopien geht es nach Konstantinopel, in das neue Rom mit seinen grandiosen Ikonen. Im Mittelalter schätzt Claussen die Gotik mehr als die Romanik; bringt er deshalb ausschließlich Bildhauerkunst und keine Glas- oder Buchmalerei? Die Fresken Giottos sind für ihn der Höhepunkt der Frührenaissance. Aus der Hochrenaissance stellt er einige große Gemälde vor. Mit der Reformationszeit beginnt die Massenproduktion von Grafiken, Kunst wird auch zur Propaganda. Den Barock (Saal 9) beschreibt er vor allem als „Triumph und Überwältigung“; die „Gegenreformation“ – davon spricht die Forschung heute kaum mehr – wird recht einseitig dargestellt, ihre Bildwelt ziele nur auf Glanz und Macht – dass sie intentional Gotteslob ist oder dass etwa im Priesterbild der katholischen Reform wichtige Parallelen zum reformierten Prediger liegen, kommt nicht in den Blick. Der Jesuitenorden sei gegründet worden, „um Muslime zum Katholizismus zu bekehren“ (192) – das ist falsch; immerhin wird das Inkulturationsbemühen der Jesuiten gewürdigt.

Der Romantiksaal ist sehr anregend, etwa mit einer treffenden, schönen Miniatur, was in der Romantik die Sehnsucht sei (213). Originell, wie Claussen ein Van-Gogh-Bild als Fortsetzung der Romantik deutet. Der elfte Saal zu „Erbauung im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit“ bringt ausschließliche als minderwertig beschriebene Kunst, die jedoch als Massenware erfolgreich war: Thorvaldsen, die Christusmonumente Lateinamerikas, Herz-Jesu-Abbildungen, das Christusgemälde Faustinas – warum nur Schlechtes? Im zwölften Saal zur Moderne wird es besser, mit Harriet Power, Stanley Spencer, dann mit Jawlensky und dem zwar als Hype kritisch gesehenen, aber künstlerisch doch gewürdigten Chagall.

Um ambitioniert eine Geschichte der christlichen Kunst auf 300 Seiten darzustellen, muss man Kunstwerke auswählen: das ist notwendig extrem selektiv und subjektiv. Daher ist die Auswahl leicht kritisierbar – jeder Liebhaber wird, unvermeidbar, viel Großes schmerzlich vermissen. Freilich stellen sich auch konzeptionelle Fragen: Bringt man ausschließlich höchste Kunst? Oder auch Populäres, das massentauglich, aber künstlerisch schwach ist? Was ist „christlich“ – nur Darstellungen neutestamentlicher und christologischer Motive oder auch Israelitisches und breiter Spirituelles? Claussen bleibt in diesen Fragen unentschieden, das Buch schwankt darin von Saal zu Saal und wirkt daher in Manchem etwas unausgegoren.

Dennoch: Einzelne Darstellungen, gerade von unbekannteren Werken, sind großartig gelungen, und die Verbindung mit theologischen Aspekten – etwa das sich stetig wandelnde Christusbild – ist immer wieder erhellend und bereichernd. Eine Anfrage an den Verlag sei gestattet: Warum kann man die Abbildungen nicht größer und in den Details besser erkennbar abdrucken? Die Bilder sind oft kaum lesbar – sind es die wenigen Euro Mehrkosten?

                Stefan Kiechle SJ

Körber, Jenny: Innere Bilder – äußere Schau. Studien zum Mediendispositiv des frühneuzeitlichen Jesuitenordens.
Wien / Köln: Böhlau 2024. 369 S. Gb. 75,–.

Auf dem Umschlag des Buches ist ein Kupferstich aus dem 16. Jhd. zu sehen, der ein Herz zeigt, in dessen Mitte Jesus seinen Platz eingenommen hat. Mit dem Pinsel in der Hand bemalt er das Innere des Herzens mit Bildern: Dreifaltigkeit, Jüngstes Gericht, einer Höllenszene und einer Darstellung aus der Feier der Hl. Messe.

Diese Abbildung verwendet die Autorin, die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit in Hamburg ist, um zu zeigen, wie die Jesuiten in dieser Zeit die inneren Vorstellungen der Menschen durch fromme Darstellungen prägen wollten, bevor schädliche Phantasmen vom Innersten des Menschen Besitz ergreifen konnten. Dieser Stich zeigt deutlich, was sich auch in der Biografie des Ignatius von Loyola veränderte: Das höfisch-ritterliche Ideal machte dem Ideal des frommen Pilgers Platz. Keine Dame des Hofes wurde zur Herrin seines Herzens, sondern die Mutter Jesu selbst, die aber für ihn anders als in den Fällen der Liebeskrankheit unerreichbar bleibt und nicht wie bei dem amor hereos zu krankhaften Symptomen führt.

Nach den ersten Seiten, die dem Leser deutliche Konzentration auf die Ausführungen über lascivitas, eros, phantasma sowie die Vorstellung des italienischen Philosophen Georgio Agamben abverlangen, wird die Autorin mit ihren vor allem auf das Jesuitentheater bezogenen größeren Teil des Buches konkreter. Die Jesuiten waren sich der Kritik christlicher Autoren des frühen Christentums am Theater ihrer Zeit bewusst, dass die Verwendung von Figuren und Bildern eine stark prägende Wirkung hat. Sie sahen die Gefahr der Idolatrie, was ihnen vor allem von reformatorischer Seite vorgehalten wurde. Zudem zog das Theater oft Neugierige an, die den Unterhaltungswert der Darstellungen und Dialoge mehr schätzten als die religiöse Botschaft. Das galt auch für die aufwendig inszenierten Fronleichnamsprozessionen. Hier galt es für die Jesuiten, dem „Schauspiel“ eine durch das Theater ergänzende pädagogische Schulung an die Seite zu stellen, durch die der Adressat in seinem Innersten vorbereitet werden soll, sich Glaubensgeheimnissen wie der Eucharistie anzunähern.

Während das Böse sich durch äußere Zeichen darstellen lässt (z.B. die Figur des Drachens in der Apokalypse), bereiteten die Jesuiten darauf vor, dass das Heilige verhüllt ist und daher des Hinweises seiner Anwesenheit etwa durch Engel bedarf. Damit äußere Zeichen den Menschen nicht irreführen, müssen Schein und Sein mit Hilfe der Unterscheidung der Geister getrennt werden. Somit wird eine Skepsis gegenüber dem Sichtbaren aufgebaut und durch das Einüben ins rechte Sehen der Weg zu den ewigen Wahrheiten eröffnet. Schein und Sein sind auch Thema eines der bekanntesten Figuren des Jesuitentheaters, des Cenodoxus. Nach außen macht er den Anschein eines Heiligen, der auch eine Anhängerschar um sich versammelt, die ihn verehrt. Doch nicht Gottes Ehre hat er im Blick, sondern nur seine Berühmtheit. Er unterwirft sich die Dämonen der Scheinheiligkeit und der Eigenliebe. Vor allem aber kann er sich deren Einflüssen nicht mehr erwehren, was ihn zu einem Gegenentwurf eines Ignatius von Loyola macht, der sich von den inneren Bildern seiner Prägung verabschiedete zugunsten eines Neuentwurfs seines Lebens auf Gott hin.

Jenny Körbers Studien sind vor allem für jene interessierten Leserinnen und Leser, die intensiver in die Thematik des Jesuitentheaters einsteigen wollen, eine fundierte und lohnende Lektüre.

                Gundolf Kraemer SJ

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