Thinking Faith, die Online-Zeitschrift der britischen Jesuiten, wurde am 18. Februar 2008 von Peter Scally SJ, dem Gründungsherausgeber, aus der Taufe gehoben. Es war das zweite Projekt der Jesuit Media Initiatives und knüpfte an den großen Erfolg von Pray-as-you-go1 (in etwa: "Bete, wenn du so dahingehst") an, das zwei Jahre vorher gestartet worden war.
Warum nur online?
Seit dem Ende der traditionsreichen, 1864 erstmals erschienenen Jesuiten-Zeitschrift "The Month"2 im Jahr 2001 hatten die britischen Jesuiten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter praktisch keine Plattform mehr, um sich in aktuelle Debatten einzubringen und erhellende Kommentare zu sämtlichen Themen von der Bibel bis zu den Naturwissenschaften, von Grundsatzdiskussionen bis zur Lyrik anzubieten. So gesehen sollte "Thinking faith" die Tradition von "The Month" auf neue Weise fortführen: Die große Bandbreite von Themen, die wir mit unseren Artikeln, Buchbesprechungen und Filmkritiken abdecken, erlaubt es uns, am ignatianischen Grundimpuls mitzuwirken, Gott in allen Dingen zu finden.
Warum fiel die Entscheidung, "Thinking Faith" ausschließlich online, also im Internet, zu publizieren? Warum nicht ein anderes Printmedium in Kombination mit einem Internet-Auftritt? Die Entscheidung fiel nach sorgfältiger Unterscheidung und Überlegung - nicht nur, um eine neue Zeitschrift ins Leben zu rufen, sondern aus genau den Gründen, derentwegen "The Month" beendet worden war: Fragen der Abonnentenentwicklung und der (Über-)Lebensfähigkeit, denen sich ein Printmedium, das erfolgreich sein will, nicht entziehen kann. Es ist unumgänglich, Fragen wie diese zu bedenken: "Wer kauft eine solche Zeitschrift?" oder: "Gibt es so etwas wie eine Marktlücke, die andere Publikationen nicht abdecken und bedienen?"
Potenzielle Leserschaft: weltweit
Online-Veröffentlichungen entgehen diesen Problemen und unterlaufen solche Schwierigkeiten. Wenn die anfänglichen Kosten für die Einrichtung und den Aufbau einer neuen Website einmal bestritten sind, fallen bei einer Online-Zeitschrift keine Druck- und Versandkosten an. Auf diese Weise vermeidet man den ständigen Kampf um Abonnenten, um die Kosten abzudecken. Dies erlaubt uns, die Zeitschrift für unsere Leserinnen und Leser kostenlos anzubieten. Das bedeutet, dass sich unsere potenzielle Leserschaft überall auf der Welt findet, wo es Internetzugang gibt.
Ein anderer Vorteil einer Online-Zeitschrift besteht darin, dass kein Anspruch und keine Anforderung gibt, jede Woche, jeden Monat oder alle zwei Monate eine bestimmte Anzahl von Seiten zu füllen. Anstatt einen ganz bestimmten Umfang von Inhalten in regelmäßigen Intervallen zu veröffentlichen, sind wir jetzt frei, wie und wann immer wir wollen, online zu gehen. Während des Besuches von Papst Benedikt XVI. im Vereinigten Königreich (September 2010) zum Beispiel, beim Rücktritt des Papstes (Februar 2013) oder bei der darauf folgenden Wahl von Papst Franziskus (März 2013) waren wir so in der Lage, innerhalb kürzester Zeit deutlich mehr Inhalte zu veröffentlichen, als dies normalerweise - bei einer Druckausgabe - der Fall sein kann.
Das Fehlen einer fixen Struktur erlaubt es nicht nur, bei der Anzahl der Artikel, die wir veröffentlichen, flexibel zu sein, sondern auch bei deren Länge. Der vielleicht größte Vorteil einer Online-Publikation besteht darin, dass wir schnell in der Lage sind, auf Ereignisse zu reagieren: Wir müssen nicht bis zum nächsten Redaktionsschluss warten, um aktuelle Angelegenheiten zu kommentieren, sondern können innerhalb von Stunden reagieren.
Eine Antwort auf die zunehmende Digitalisierung
All das sind sehr praktische Gründe für die Entscheidung, eine Online-Zeitschrift zu gründen. Natürlich muss "Thinking faith" in die umfassendere Mission bzw. in das Leitbild der Britischen Provinz der Gesellschaft Jesu passen. Unsere Online-Präsenz ist somit eine Antwort auf die Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung der Welt: Menschen sind nicht länger auf Zeitungen und Zeitschriften angewiesen, um kluge Kommentare zu finden. Sie gehen ins Internet und suchen dort online nach unmittelbar zugänglichen Inhalten.
Wenn das Internet der Ort ist, wo Menschen Lesematerial suchen, ist das der Ort, an dem wir präsent sein müssen. Wenn Menschen googeln und Begriffe wie "katholisch", "Ethik", "Glaube", "Gerechtigkeit", "gerechter Krieg", "Terrorismus", "Menschenrechte", "Klonen" usw. eingeben, sollten unter den Suchergebnissen auch gut geschriebene Artikel von Jesuiten aufscheinen.
Ignatius von Loyola (1491-1556) war sich zu seiner Zeit der kulturellen Umbrüche bewusst und richtete die Gesellschaft Jesu darauf aus, sich den Herausforderungen der Zeit mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu stellen. Jesuiten des 21. Jahrhunderts müssen in Großbritannien die besten Möglichkeiten nutzen, die die neuen Medien bieten, um - mit den Worten der 34. Generalkongregation des Ordens (1995) gesprochen - "nicht nur kritische Konsumenten", sondern auch "kritische Praktiker der Medienwelt zu werden" (Dekret 15, Nr. 2): im Dienst der Kirche. Seit der Gründung der Zeitschrift war es die Aufgabe von "Thinking faith", Jesuiten zu ermöglichen, solche "kritischen Praktiker" zu sein.
Natürlich gibt es auch Herausforderungen für eine Online-Zeitschrift. Technologien entwickeln sich ständig in Windeseile weiter, was es extrem schwer macht, "up to date" zu bleiben, die neuesten Trends mitzubekommen und für die Website benutzer- bzw. "user"-freundlich zu halten und zu gestalten. Es gibt auch ein Problem mit der Seriosität, die online nicht so leicht herstellbar ist: Ein Printmedium mit einer langen Tradition hat eine ganz bestimmte Bedeutung, die man online nicht einfach kopieren kann. Nicht nur, weil man auf keine große Tradition und wenig Erfahrung zurückgreifen kann, sondern weil es eine Überfülle von anderen Inhalten gibt, die um die Aufmerksamkeit von potenziellen Lesern kämpfen. Es ist schwer, die Aufmerksamkeit von jemandem zu gewinnen und an das Medium zu binden, der gewohnt ist, blitzschnell im Internet zu surfen und nicht auf tief schürfende Inhalte aus ist. Um dies effektiv zu tun, braucht es einen hohen Standard beim Inhalt - den wir, wie wir glauben, bieten können -, aber auch gute Publicity. Wir sind ständig bestrebt, diese zu verbessern.
Eine qualifizierte Stimme im World Wide Web
Einige abschließende Worte von einem unserer Leser könnten dabei helfen zu veranschaulichen, warum wir glauben, dass die Online-Präsenz von "Thinking faith" wichtig ist: "Gute Arbeit - es gibt nur sehr wenige Websites in Großbritannien, die intellektuell ansprechend sind und sich mit zeitgenössischer Kultur von einem christlichen, geschweige denn von einem katholischen Standpunkt aus beschäftigen."
Wir glauben tatsächlich, dass wir auf dem Markt eine Lücke schließen: In einer Online-Welt mit Blogs und sozialen Netzwerken (die einen großen Zweck erfüllen, wenn sie sinnvoll genutzt werden, die aber bei wichtigen Themen auch extrem polarisieren können) kann es einen Mangel an ausgewogenen, sensiblen und sachkundigen Kommentaren zu Themen des Lebens und des Glaubens geben. Unser Ziel ist es, eine ehrliche, anspruchsvolle und bereichernde Stimme inmitten des Rauschens des Internets zu sein.
(Aus dem Englischen übertragen von Andreas R. Batlogg SJ)